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[ Bauteilbörse ]

Aus zweiter Hand

Das Bauteilnetz Deutschland ist eine Plattform für den An- und Verkauf von Baustoffen und Bauteilen aus Abrisshäusern. Steigende Entsorgungskosten machen diesen jungen Handelsplatz immer interessanter.

Die Wiederverwendung von Bauteilen aus Abbruchvorhaben ist ökologisch sinnvoll. Ein Marktplatz für Massenbaustoffe soll entstehen.

Marion Goldmann

Die Wiederverwendung von Bauteilen aus Abbruch- oder Modernisierungsvorhaben ist ökologisch sinnvoll – das ist allen am Bau Beteiligten bewusst. Aber nur eine handverlesene Gruppe ist selbst aktiv geworden. Ute Dechantsreiter kämpft hier an vorderster Front. Mit viel Engagement, Überzeugungskraft und Geduld brachte die Architektin bereits 2002 die Bauteilbörse Bremen an den Start – ein erster Schritt, um deutschlandweit sukzessive weitere Börsen ins Leben zu rufen und somit ein flächendeckendes Bauteilnetz zu schaffen.

Ein Marktplatz für Massenbaustoffe soll so entstehen. Ute Dechantsreiter ist das besonders wichtig: „Sie sollen einmal erste Wahl vor dem Neukauf werden.“ Völlig abwegig ist diese utopisch erscheinende Vorstellung nicht, denn Potenzial dafür ist reichlich vorhanden. Von den etwa 25 bis 30 Millionen Tonnen Bauschutt, die bundesweit jedes Jahr entstehen, könnten schätzungsweise 0,6 bis eine Million Tonnen in ihrer Ursprungsform wieder verwendet werden. Doch noch immer werden ganze Gebäude oder einzelne Teile von ihnen so abgebrochen, dass gute und noch gebrauchsfähige Bauteile nur noch recycelt oder verbrannt werden.
Das könnte sich allerdings bald ändern. Die Kosten für die Entsorgung steigen rapide. Sie liegen für Baumischabfälle derzeit bei rund 200 Euro pro Tonne. Denn nachdem die Übergangsfristen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ausgelaufen sind, ist es jetzt verboten, wieder verwertbare Bauteile zu deponieren. „Das macht das Projekt zunehmend interessant“, stellte deshalb auch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Abbruchverbandes, Walter Werner, auf der Podiumsdiskussion „Ressourcen bewahren – Werte entdecken – Bauteile wieder verwenden“ fest, die bezeichnenderweise im Rahmen einer „Woche der Umwelt“ stattfand. Das Fazit: Seit das DAB in Heft 9/2005 erstmals über die Bauteilbörse ausführlich berichtet hatte, ist einiges in Bewegung gekommen.

Nach dem Start

der Bauteilbörse Bremen konnten inzwischen in Hannover und Gießen zwei weitere Bauteilbörsen eröffnet sowie Kooperationspartner und weitere Mitstreiter gewonnen werden. Zum Beispiel Claus Schwarzmann. Der Bürgermeister von Eggolsheim im bayerischen Landkreis Forchheim denkt bei der Bauteilbörse gleich an die immensen Restbestände nicht verbauter Materialien „seiner“ Hausbesitzer, die wieder in Umlauf gebracht werden könnten. Und mehr noch: Das erste Modellhaus, ganz aus wieder verwendbaren Baustoffen und Bauteilen, wird im nächsten Jahr in dieser Gemeinde entstehen. Dann kann sich jeder ein Bild von den praktischen Möglichkeiten machen – und der planende Architekt kann zeigen, wie man mit kreativen Ideen Bauabfälle neu definiert.
Den Architekten fällt hier generell eine Schlüsselrolle zu. Denn auch wenn zurzeit mit diesem Engagement noch kein Geld zu verdienen ist, wird sich der Markt aus betriebswirtschaftlicher Sicht langfristig nur aufbauen, wenn er sich für die Teilnehmer rechnet oder wenn private Bauherren durch die Ästhetik gebrauchter Bauteile angesprochen werden. In den osteuropäischen Ländern ist dagegen schon heute die Preisfrage entscheidend und der Markt entsprechend entwickelt.
Ohne wirtschaftlichen Hintergedanken agiert in Osteuropa Kerstin Schachtsiek, Diakonin der Bodelschwinghsche Anstalten Bethel. Sie engagiert sich mit dem Projekt „Aldash“ aus sozialen und Nachhaltigkeitsgründen für die Wiederverwendung von Bauteilen aus dem Netz. Hier werden die Bauteile nicht verkauft, sondern von eigens dafür geschulten Bürgern aus den Abbruchobjekten ausgebaut, ins osteuropäische Ausland transportiert und dort eingebaut.

Auf ähnliche Weise

nutzen auch einige Architekten bereits die Börse. Sie wenden sich vor allem bei Teilabbruch-Objekten dorthin, sodass die „Börsianer“ die Bauteile selbst ausbauen können. Damit ist nicht nur für die Nachhaltigkeit ein gutes Werk getan, auch dem Bauherrn bleiben zusätzliche Kosten erspart. Walter Werner verfolgt für die Abbruchunternehmen ebenfalls diesen Ansatz: „Der Unternehmer hat einen Vorteil, wenn er die ausgebauten Teile nicht lagern muss, sondern sie direkt an die Bauteilbörse liefert.“ In diesem Fall nicht kostenlos, denn schließlich muss sich das Engagement für das Abbruchunternehmen auch rechnen.
Dass sich der Handel mit gebrauchten Baustoffen lohnen kann, haben die inzwischen über 60 Händler mit historischen Baustoffen bewiesen. Auch diese Sparte hat vor rund 20 Jahren einmal ganz klein angefangen. Konkurrenz zu den gebrauchten Massenbaustoffen entsteht hier nicht. Im Gegenteil: Zu dem Bauteilnetz wurden kooperative Beziehungen geknüpft. Angelika Mettke vom Lehrstuhl Altlasten an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus zieht ebenfalls eine positive Bilanz. Die von ihr seit vielen Jahren betreuten Projekte zum Rückbau der Plattenbauten haben den gleichen inhaltlichen Ansatz. Heute sind die aus den alten Betonplatten entstandenen Stadtvillen sehr beliebt. Obwohl man dieses Ergebnis ohne zusätzliche Fördermittel wohl so schnell nicht erreicht hätte, plädiert Angelika Mettke gegen weitere staatliche Hilfen. Stattdessen engagiert sie sich dafür, dass sich für die Wiederverwendung ein Markt entwickelt.

Architekt Andreas Schneider aus Bremen

… schaltet die Bauteilbörse bei Abbruchprojekten ein. Für die Wiederverwendung von Baustoffen interessiert er sich aber schon seit über zehn Jahren, als er Berater in der Stadtsanierung wurde. Seine Aufmerksamkeit erregten zunächst verwertbare historische Bauteile, die aus Gebäuden der Sanierungsgebiete in und um Quedlinburg und Wernigerode stammten und entsorgt werden sollten. Heute ist die Schulsanierung aktuell. Gerade die Gebäude aus den 60er und 70er-Jahren enthalten viele Bauteile, die technisch noch gebrauchstauglich sind. Die bietet er dann der Bauteilbörse zum Ausbau an. Darunter befinden sich sogar richtige „Renner“, zum Beispiel Glasbausteine.
Architekturbüro: Andreas Schneider

Architekt Patric Meier aus München

… engagiert sich dafür, gebrauchte Bauteile in Neubauten wieder zu verwenden. Für private Bauherren sind zum Beispiel alte Haustüren interessant. Über die Möglichkeiten, generell Bauteile wieder zu verwenden, hat er sich zusammen mit Jens-Peter Gödecke bereits 1990 in seiner Diplomarbeit auseinandergesetzt. Bei dem Wettbewerb für ein neues evangelisches Gemeindezentrum in Mannheim verfolgte er die Idee, eine Fassade komplett aus gesammelten Altfenstern zu bauen. Wenige Monate später gewann ein vergleichbares Fassadenkonzept beim Wettbewerb für den Neubau des Ministerrats der Europäischen Union in Brüssel (Büro Samyn and Partners).
Architekturbüro: AGMM Architekten

Herausforderungen für Architekten

Die planerischen Herausforderungen sind im Wesentlichen:

  • bei Neubauten schon die Demontierbarkeit berücksichtigen, um die Wiederverwendbarkeit von Bauteilen zu gewährleisten
  • bei der Vorauswahl Bauprodukte mit unbekannten oder recyclingkritischen Inhaltsstoffen vermeiden
  • in Ausschreibungen den alternativen Einbau von gebrauchten Materialien berücksichtigen
  • bei Abbruch die zerstörungsfreie Demontage vorgeben Architekten sind prädestiniert für die Gründung neuer Bauteilbörsen. Ihre Kenntnis der Bauabläufe und ihr Sachverstand sind wesentliche Voraussetzungen für die Umsetzung der Idee.

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