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Alles fließt

Nichts ist schlimmer als Zimmer. Raumgrenzen müssen weg – und die Architektur gleich mit.

Die offene Architektur wird zum Fest für die Sinne.

Roland Stimpel

Fortschritt ist der Weg vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen.“ Das meinte der Raketenbauer Wernher von Braun. Ein Architekturthema ist da auf dem besten Weg: Die oft besonders komplizierten Grundrisse werden radikal einfacher oder gleich abgeschafft. Der architektonische Fortschritt weist zur offenen Raumfolge, zur Wohnlandschaft, zur barrierefreien Multifunktionssuite.

Nur spießige Kleinfamilien, reaktionäre Rentner und verklemmte Paare stehen dem Fortschritt noch im Weg und mit dem Rücken zur Zimmerwand. Steinzeitmenschen allesamt: Wer separierte Räume mag, mag auch röhrende Hirsche (Höhlenmalerei), Eichenfurnier­buffets (Feuerholzhaufen) und Stuckdecken (Stalaktiten). Dagegen wohnt der zeitgemäße Mensch in offener Blickbeziehung. Räume fließen, Licht flutet, Aura strömt. Und Geräusche der lieben Mitbewohner tröpfeln – das schweißt zusammen.

Die offene Architektur wird zum Fest für die Sinne. Das Auge sieht alles, das Ohr hört alles, Luftströme umschmeicheln die Haut, die Nase lernt neue Duftmischungen. In jener kürzlich umgebauten Berlin-Charlottenburger Altbauwohnung zum Beispiel, deren Grundriss es zu Ruhm in der örtlichen BDA-Galerie brachte. Hier ist bis auf ein paar statisch unentbehrliche Kernwände alles rausgerissen. Das hat wunderbare Raumfolgen gebracht: von der offenen Zwei­becken-Doppelklo-Nische im Flur (natürlich schamwandfrei) direkt zum Wohn-Ess-Salon.

Nur außen ist meist noch Wand. Auch deren Abschaffung geht aber voran. Der Bürobau ist da weit; seit Jahrzehnten starren Voyeure abends an Glasfassaden aufwärts, in der Hoffnung auf einen Rock am Fenster. Beim Wohnen gibt es schöne Ansätze wie das „Plot House“ von Taeg Nishimoto, wo sich nach einer Schilderung „Gegenstände und Personen im Innern des Hauses durch die matte Glasfassade schemenhaft nach außen abzeichnen“ würden. Schemenhaft ist aber zu wenig, wie Werner Sobeks Stuttgarter Wohnglaswürfel beweist. Wir sind auf bestem Weg; als Nächstes müssen wohl Böden und Decken dran glauben. Alles wird einfach, der Fortschritt der Architektur ist vollendet: Sie ist ganz einfach weg.

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