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Stadtumbau mit Hindernissen

Erfolge und Probleme des Stadtumbaus Ost in Altbauquartieren zeigt ein Beispiel aus Chemnitz.

01.12.20077 Min. Kommentar schreiben
Bebauungsplan für Schloßchemnitz.

Matthias Grünzig

Sachsens drittgrößte Stadt Chemnitz musste seit 1989 den Verlust von fast 70 000 Einwohnern und einen Anstieg des Wohnungsleerstandes auf 23 Prozent im Jahr 2001 verkraften. Noch stärker waren Teile des Gründerzeitstadtteils Schloßchemnitz nördlich und östlich des Zentrums betroffen.

An den Hauptstraßen Leipziger Straße und Hartmannstraße, die von bis zu 40 000 Fahrzeugen am Tag verlärmt wurden, standen selbst sanierte Häuser leer. Hohe Leerstände gab es zudem in dicht bebauten Gemengelagen an den Wasserläufen Pleißbach und Chemnitz. Verschärft wurden die Probleme durch die hohen Kosten für die Altbausanierung, die mit den in Chemnitz üblichen Nettokaltmieten für sanierte Altbauwohnungen von teilweise 3,10 Euro nicht zu finanzieren waren. Dieses Manko wurde bis Ende 1998 durch Sonderabschreibungen für Ostdeutschland kompensiert, doch anschließend kam die Sanierungstätigkeit fast zum Erliegen.

Die Folge war baulicher Verfall. Regelmäßig musste sich die Chemnitzer Feuerwehr mit Teileinstürzen, herabfallenden Dachziegeln und Fassadenteilen beschäftigen. Einige Häuser wurden von Brandstiftern heimgesucht. Die Stadt hatte hohe Kosten zu tragen, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten.

Zur Revitalisierung…

…von Schloßchemnitz mussten neue Wege gefunden werden. Die Folge dieser Erkenntnis war allerdings kein Verlust, sondern ein Gewinn an Planungskultur: Die Bürger wurden stärker beteiligt. Die Stadt veranstaltete Gebietsrundgänge, Workshops und Foren. Zu einem wichtigen Träger der Bürgerbeteiligung entwickelte sich das im Jahr 2000 eingerichtete Quartiersmanagement. Mithilfe von Streetworkern und gemeinnützigen Organisationen wie der Heilsarmee wurden Bürgerwünsche erfragt. Es begann ein Austausch zwischen Bewohnern, Stadtverwaltung, Wohnungseigentümern und dem Dresdner Stadtplanungsbüro Uta Schneider, das mit der Erarbeitung eines Stadtteilkonzepts beauftragt worden war.

Stadtumbau-Konzept: Teils realisierter Brückenpark.

Das schließlich aufgestellte Konzept basierte auf einer Doppelstrategie: Einerseits sollten die attraktiven Kernbereiche um Schlossplatz und Luisenplatz gestärkt werden. Andererseits sollten die Gebiete an den Hauptstraßen, an der Chemnitz und dem Pleißbach durch konzentrierten Abriss und Begrünung aufgewertet werden. Zudem wurde auf der Leipziger Straße eine neue Straßenbahnlinie geplant, um den Autoverkehr zu reduzieren.

Auf dieser Basis wurden mehrere Teilprojekte entwickelt. Ein Projekt betraf zwei Karrees mit verfallenen Wohn- und Gewerbebauten an der Hartmannstraße. Für dieses Gebiet entwarf das Lichtensteiner Planungsbüro planconzept die Jugendfreizeit­fläche „Konkordiapark“. Die zweite Maßnahme war die Umgestaltung des Chemnitzufers, das durch leer stehende Fabrikbauten und Wohnhäuser geprägt war. Auf diesem Gelände plante das Magdeburger Landschaftsplanungsbüro Lohrer und Hochrein die Anlage eines Brückenparks mit Wiesen, Baumgruppen und Spazierwegen. Das dritte Projekt umfasste die Umgestaltung der Leipziger Straße. Dafür sah das Büro Uta Schneider den Abriss verfallener Häuser und die Aufwertung der Flächen zu einem „Grünen Stadteingang“ vor. Ein viertes Vorhaben war die Sanierung erhaltenswerter Gebäude in den Kernbereichen.

Die Umsetzung…

…dieser Projekte entwickelte sich allerdings zum Hindernislauf. Die größte Hürde waren die zersplitterten Eigentumsverhältnisse. Derzeit gehören rund 72 Prozent der Wohnhäuser in Schloßchemnitz Privateigentümern, die meist nicht ortsansässig sind. Unter ihnen Käufer aus den alten Bundesländern, die die Gebäude wegen Steuervorteilen erworben haben, Gläubigerbanken oder zerstrittene Erbengemeinschaften. Etliche Häuser sind in den 90ern in Eigentums­wohnungen aufgeteilt und an auswärtige Anleger verkauft worden. Viele Eigentümer können auch nach intensiven Gesprächen nicht für einen Stadtumbau gewonnen werden, andere sind nicht auffindbar oder insolvent. Zwar könnte die Stadt Häuser mit Städtebaufördermitteln erwerben, müsste diese dann aber zu einem Drittel kofinanzieren, wofür ihr das Geld fehlt. Die Folge ist eine Lähmung der Stadtentwicklungsbemühungen.

Verschärft werden diese Schwierigkeiten durch kontraproduktive För­derprogramme. Ein Problem ist die Rückbauförderung. Zwar gewährt das Programm „Stadtumbau Ost“ den Haus-eigentümern Abrisspauschalen und eine Streichung von Altschulden aus der DDR-Zeit. In Schloßchemnitz sind aber vor allem Privateigentümer von den Rückbaukonzepten betroffen, die meist nicht mit Altschulden ­belastet sind und deshalb wenig Abrissanreize haben. Zudem wird die Abrissförderung nur für bewohnbare Wohnungen gewährt; viele Altbauwohnungen sind aber ruinös. Schließlich reicht die Pauschale von 50 Euro pro Quadratmeter nur aus, wenn ganze Häuserzeilen abgerissen werden. Völlig unzureichend ist sie aber für den Abriss einzelner Häuser, bei dem Rücksicht auf Nachbargebäude zu nehmen ist.

Ähnliche Probleme gibt es bei der Sanierungsförderung, die vor allem in Form von Steuerabschreibungen für Privateigentümer gewährt wird. Doch Privateigentümer sind zu Sanierungen oft wirtschaftlich nicht in der Lage. Die kommunale Wohnungsgesellschaft GGG und Genossenschaften investieren dagegen in die Sanierung, können aber nicht die Abschreibungen für Sanierungsobjekte und Denkmäler nutzen. Zwar wäre es auch möglich, sie mit Städtebaufördermitteln zu unterstützen. Doch dann müsste die Stadt ein Drittel der Ausgaben beisteuern. Also können die Wohnungsunternehmen nur sehr begrenzt in die Altbausanierung investieren.

Entsprechend schwierig…

…gestaltete sich der konkrete Stadtumbau. Der Bau des Konkordiaparks erforderte den umfangreichen Erwerb bisher privater Grundstücke nach teils langwierigen Verhandlungen. So zog sich der Kauf von 2000 bis 2006 hin. Nach Abrissen entstand ein 14 000 Quadratmeter großer Park mit Halfpipes, Streetballplätzen, Kletterfelsen, BMX-Bahnen, Skaterflächen, einem Pavillon und der Holzplastik „Liebesnest“ des Chemnitzer Bildhauers Christoph Roßner. Gefördert wurden die Arbeiten durch die Programme „FR-Regio“ und „Soziale Stadt“. Den Konkordiapark nehmen die Jugendlichen sehr gut an.

Graubraun: Häuser in der Hartmannstraße.

Mit Schwierigkeiten hatte auch das Brückenparkprojekt zu kämpfen. Das benötigte Gelände gehörte zum Teil der Stadt und zum Teil Privateigentümern. Da deren Grundstücke nicht sofort erworben werden konnten, begann der Bau des Parks auf städtischen Grundstücken an der Schloßstraße. Ab 2006 entstand eine Parklandschaft mit Baumgruppen, Wild- und Spielwiesen, Rasenterrassen am Chemnitzufer und einem Holzdeck am Wasser. Gefördert wurden die Arbeiten durch EFRE-Mittel der EU und das Programm „Soziale Stadt“. Der erste Bauabschnitt war im Herbst 2006 beendet und wird seitdem von der Bevölkerung rege frequentiert. Die Fertigstellung des gesamten ­Brückenparks dürfte jedoch länger dauern, da für die anderen Bauabschnitte erneut Verhandlungen mit privaten Grundstückseigentümern ­nötig sind.

Als besonders heikel erwies sich die Umgestaltung der Leipziger Straße zum „Grünen Stadteingang“ – auch dafür wurden private Grundstücke benötigt. Nach langen Verhandlungen folgte 2006 der Abriss von vier Häusern der GGG und eines Privateigentümers. Die Flächen wurden mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Derzeit wird über weitere Häuser verhandelt, deren Eigentümer noch nicht zum Stadtumbau bereit sind. Die Stadtverwaltung hatte zwar versucht, die Blockade durch einen Häusertausch aufzubrechen. Doch gleichwertige Objekte fanden sich kaum. An der Leipziger Straße geht der Verfall also weiter.

Grün: Konkordiapark mit Holzplastik „Liebesnest“.

Die Gebäudesanierung stieß ebenfalls auf Probleme. Zwar hat die GGG auch in Schloßchemnitz einige Häuser saniert. Doch wegen der ungünstigen Förderbedingungen sind noch heute ganze Straßenzüge fast völlig außen vor. Zu zusätzlichen Querelen führte eine Kampagne privater Hauseigentümer gegen den Stadtumbau. Initiator war der aus Baden-Württemberg stammende Bauunternehmer Hartmut Wahl, der 2006 den Verein „Stadtforum Chemnitz“ gründete. Dieser Verein machte durch Angriffe auf Stadtverwaltung und GGG von sich reden und warf der Stadt den Abriss wertvoller Baudenkmäler vor; Wahl sagte Sätze wie „In Chemnitz herrscht Krieg. Tod den alten Häusern!“ und sprach gar von einem „Holocaust“ an Gebäuden. Der Stadtumbau wurde durch seine Kampagne erschwert. Im September hat Wahls Phalanx Immobilien AG Insolvenz angemeldet, weil der Wohnungsverkauf an Anleger stockte.

Die Zwischenbilanz…

…des Stadtumbaus in Schloßchemnitz ist zwiespältig. Zwar haben sich unansehnliche Bereiche in reizvolle Parkanlagen verwandelt, die die Bevölkerung gerne nutzt. Zudem ging der Wohnungs­leer­stand seit 2001 leicht von 28 auf 23 Prozent zurück. Doch für die anderen Missstände zeichnen sich noch keine Lösungen ab. Gleichzeitig offenbart der Stadtumbau in Schloßchemnitz auch politischen Handlungsbedarf. Bleibt es bei inadäquaten Förderprogrammen und Eigentümerstrukturen, scheitert die viel beschworene Aufwertung der Altbauquartiere.

Matthias Grünzig ist freier Journalist in Berlin.

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