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[ Erfolgreiches Kleinbüro ]

Dranbleiben

Wettbewerbe, Zähigkeit und Netzwerke: Wie ein junges und kleines Büro den Aufstieg schafft.

Realisierungswettbewerb 2007: Entgegen aller Skepsis den Aufstieg geschafft.

Fred Wagner

Wer Erfahrungen machen will, muss einen Umweg gehen, sagt ein Sprichwort. Für die Berliner Architekten Sandra Töpfer und Dirk Bertuleit führte er bis nach Spanien. Die beiden hatten zwar in Weimar, Leipzig, London und Berlin Architektur studiert, aber in Deutschland durften sie nicht an Architekturwettbewerben teilnehmen. „Weil wir nicht in der Kammer waren“, sagt Töpfer knapp und muss heute darüber lächeln.

In Spanien bekam das junge Duo aus Deutschland trotzdem eine Chance. Auslöser war die Teilnahme an EUROPAN5, dem einzigen Wettbewerbssystem ohne Zugangsbeschränkungen für junge, europäische Architekten. Mit ihrem Entwurf eines städtebaulichen Konzepts für eine Industriebrache in Barakaldo in der Nähe von Bilbao hatten Töpfer und Bertuleit auf Anhieb Erfolg. Sie erhielten nicht nur einen Preis, sondern kamen auf diese Weise auch zu ihrem ersten Auftrag.

„Das war ein gutes Gefühl“, erinnert sich Bertuleit und erklärt: „Der Wille, etwas Eigenes zu machen, war von Anfang an unser Ziel.“ Dieses Ziel haben die 33-jährige Sandra Töpfer und der 38-jährige Dirk Bertuleit inzwischen erreicht. Heute haben sie als gleichberechtigte Büroinhaber mit ihren Entwürfen Erfolg, und das gute Gefühl gehört quasi zur Büroausstattung. Neben einigen realisierten Projekten hat das Büro in den vergangenen Jahren an rund fünfzig Wettbewerben teilgenommen, viele davon wurden prämiert oder angekauft. Ihren bisher größten Erfolg feierten sie im vergangenen Jahr: Töpfer und Bertuleit gewannen den Wettbewerb für den Neubau des Stadtmuseums Wiesbaden. 40 ausgewählte Architektenbüros aus mehreren Ländern hatten an diesem beschränkten Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren teilgenommen.

Realisierungswett­bewerb 2007, 1. Preis: Entwurf für den Neubau des Stadtmuseums in Wiesbaden.

Keine halben Sachen

Jetzt schmücken die verschiedenen Ansichten des Entwurfs die Wände ihres Büros im Stadtteil Prenzlauer Berg. Das Büro liegt im Erdgeschoss eines sanierten Jugendstilhauses mit großen, hellen Arbeitsräumen und freiem Blick auf den Volkspark Friedrichshain.

„Meist arbeiten wir hier zu dritt an den Projekten, bei größeren Aufgaben oder Aufträgen kommen freie Mitarbeiter hinzu“, erklärt Bertuleit die Bürostruktur. Vier CAD-Arbeitsplätze sowie PCs mit Ausschreibungs-, Office-, Grafik- und Präsentationssoftware stehen dafür zur Verfügung. Als planendes und ausführendes Büro werden Aufgaben aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Freiraumgestaltung übernommen. Arbeitsschwerpunkt jedoch ist die Teilnahme an Wettbewerben, was sich nicht zufällig so ergeben hat.

„Als wir 2000 das Büro gründeten, war die Lage für Berufsanfänger extrem schlecht. Alle Prognosen für Architekten zeigten nach unten“, berichtet Töpfer. Die Skepsis kam von allen Seiten. Selbst Kollegen, Freunde und Familie rieten ihnen von ihrem Vorhaben ab. In diesem ­negativen Umfeld suchten Töpfer und Bertuleit trotzdem nach Arbeit. Töpfer: „Nicht irgendwie, sondern für uns war der klassische, altmodische Weg zur Architektur der einzig richtige.“ Da die beiden über keinerlei finanzkräftige Bauherrenkontakte verfügten, blieben nur die Wettbewerbe. „Wir haben Wettbewerbe immer als demokratisches ­System der Chancengleichheit angesehen“, sagt Töpfer und Bertuleit ergänzt: „Wenn man Architektur machen will, dann muss man sie zu 100 Prozent machen. Ich halte nichts davon, nebenbei ein zweites Standbein zu entwickeln, um damit dann die Architektur zu finanzieren.“

„Architektur muss man zu 100 Prozent machen“ – Sandra Töpfer (33) und Dirk Bertuleit (38) in ihrem Berliner Büro.

Mit halben Sachen geben sich die beiden nicht zufrieden. Sie haben sich immer auf die Arbeit an ihren Entwürfen konzentriert, selbst in schlechten Zeiten. Das habe viel Kraft gekostet, sagen sie, so manche Krise eingebracht und nicht selten haben sie auch ans Aufgeben gedacht. Töpfer: „Es gab Zeiten, das mussten wir uns entscheiden, ob wir unser Geld für das Porto der nächsten Wettbewerbsbewerbung ausgeben oder davon Lebensmittel kaufen.“ Sie haben sich im Zweifel für das Porto entschieden. Die Teilnahme an den ersten Wettbewerben funktionierte zunächst nur über die reine Selbstausbeutung, sagt Bertuleit. Mit 18-Stunden-Arbeitstagen und durchgearbeiteten Nächten. Zusätzliche Mitarbeiter konnten sie sich nicht leisten. Auch heute sehen sich die beiden wirtschaftlich noch nicht da, wo sie einmal hinwollen, trotz der gewonnenen Wettbewerbe, größer werdender Projekte und der zunehmenden Anfragen von potenziellen Bauherren. „Wir sind aber mit dem, was wir erreicht haben, zufrieden und haben ein gutes Gefühl, was die Zukunft betrifft“, sagt Bertuleit bescheiden.

Dazu trägt auch das breite Netzwerk von Fachleuten und freien Mitarbeitern bei, das sich die beiden in den vergangenen Jahren in Berlin aufgebaut haben. Töpfer: „Wenn wir einen guten Landschaftsarchitekten, einen Fachplaner oder freien Kollegen brauchen, dann wissen wir jetzt, wo wir ihn finden.“ Das sei auch das Wichtige an Berlin. Viele Architekten seien in der gleichen Situation und würden dann auf das kreative Potenzial der Stadt zurückgreifen.

Wenig Chancen für junge Architekten

Nur eine Sache stört sie an Berlin gewaltig: In den vergangenen Jahren gab es in der Hauptstadt gerade einmal drei offene Architekturwettbewerbe, an denen sich auch junge, namenlose Architekten beteiligen konnten. Alle anderen Verfahren waren beschränkt und hatten Auflagen, die junge Büros nicht annähernd erfüllen können. Bundesweit sehe das ganz anders aus. Töpfer: „Es gibt inzwischen eine Reihe von Städten und Gemeinden in Deutschland, die junge Architekten an Wettbewerben ganz bewusst beteiligen.“ Und auch im Ausland, speziell in Spanien, traue man jungen Planern sehr viel mehr zu und übergibt ihnen Verantwortung. Töpfer sieht ein typisch deutsches Problem: „In Deutschland kann man erst mit dem Bauen beginnen, wenn man 50 ist“, sagt sie. Schuld daran seien unter anderem Sicherheitsdenken und die Entscheidungsträger in den Ämtern, die fast ohne Ausnahme zur älteren Generation gehören.

Detail des Landschaftsparks Lasesarre in Barakaldo bei Bilbao. Der Entwurf stammt aus der Teilnahme bei EUROPAN5.

Doch davon lassen sich die beiden nicht beirren und betrachten ihre Diplomausbildung als einen weiteren wichtigen Erfolgsfaktor. „Wir haben zwar an keiner renommierten Hochschule studiert, hatten aber das Glück, dass der Studiengang Architektur an der HTWK Leipzig neu gegründet wurde“, erzählt Töpfer. Die Professoren kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und es herrschte eine sehr motivierende Aufbruchstimmung. Bertuleit: „Weil es nichts Fertiges gab, mussten wir von Anfang an die Dinge selbst in die Hand nehmen. Diese Erfahrung hilft uns bis heute.“ Ein Professor hat die beiden in Sachen Architektur besonders geprägt: Ingo Andreas Wolf. „Er hatte ein großes Interesse, jeden Studenten nach seinen besonderen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu fördern“, schwärmt Töpfer.

Ihren Rat an junge Kollegen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht, haben sie unlängst in einer Ausstellung von Tom Sachs im Deutschen Guggenheim gefunden. Dass dieser vom McDonalds-Gründer stammt, stört sie nicht. Ray Kroc sagt: „Dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben: Nichts auf der Welt kann Ausdauer ersetzen. Talent? Talentierte Versager gibt es wie Sand am Meer. Genialität? Genialität wird selten belohnt. Ausbildung? Studierte Leuchten stehen vor dem Arbeitsamt Schlange. Nur Ausdauer und Unternehmungsgeist bringen dich ans Ziel.“

Gesamtansicht des Landschaftsparks Lasesarre, der 2000 fertiggestellt wurde (LP 1 bis 6).

Nicht aufgeben und beharrlich der Sache dienen, lautet auch ihr Erfolgsrezept. Töpfer: „Uns liegt es fern, mit aggressiver Akquise für unsere Architektur zu werben.“ Vielmehr sei ihr Credo, als Architekten auch die kleinsten Aufgaben mit dem höchsten Anspruch zu bearbeiten. Diese Motivation spreche sich bei den Auftraggebern herum. Töpfer: „Die Leute merken sehr schnell, ob jemand voll und ganz hinter seiner Arbeit steht oder nicht.“

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