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[ Wettbewerb ]

Oszillierender Turm

München schickt sich an, ein Hochhaus am Rand der Altstadt zu dulden – nach einem bürgernahen Wettbewerbsverfahren.

1. Preis: Léon Wohlhage Wernik aus Berlin gewannen mit einem klaren, zurückhaltenden Konzept für das frühere Heizkraftwerk nahe dem Gärtnerplatz.

Cordula Rau

Nur 600 Meter vom Marienplatz entfernt liegt das frühere Münchener Heizkraftwerk Müllerstraße. Es ist ein 1956 entstandenes Spätwerk von Werner Issel, einem der wichtigsten Industriearchitekten des 20. Jahrhunderts.Und sein 56 Meter hoher Maschinenturm mit Flugdach und Schornsteinaufsätzen ist das einzige moderne Hochhaus in der Münchener Kernstadt, das in die Silhouette von Rathaus, Frauenkirche und Altem Peter hineinragt. Aus Postkarten wird es gelegentlich wegretuschiert. Seit 2002 ist es stillgelegt – und steht jetzt trotz der verbreiteten Münchener Hochhausphobie vor seiner Wiederbelebung. Die Ikone soll für Wohnen und Gewerbe genutzt werden und geschickt verpackt in neuem Glanz erstrahlen. Es zeichnet sich sogar ein breiter Konsens für den ­Erhalt des Turms ab. Dies ist nicht zuletzt einem Verfahren zu verdanken, in das auch die Münchener Öffentlichkeit ­einbezogen wurde.

Zwei Phasen

Die Investoren alpha invest Projekt aus Oberhaching und LBBW Immobilien Capital aus Stuttgart verständigten sich mit den Stadtwerken und der Stadt München darauf, einen Architektenwettbewerb in zwei Phasen auszuloben. Im Oktober 2007 wählte das Preisgericht von 20 Arbeiten acht für die nächste Stufe aus, von denen sechs den Turm einbezogen. Bevor die Teilnehmer ihre Entwürfe in der nächsten Stufe optimierten, wurden diese der Öffentlichkeit in eben jenem Turm vorgestellt. Zu diesem für mehrstufige Architektenwettbewerbe eher ungewöhnli­chen bürgernahen Verfahren hatten sich die Projektpartner entschlossen, um die Öffentlichkeit bereits im Vorfeld in den Gestaltungsprozess einzubinden. Eine Besucherbefragung ergab Wünsche nach mehr Grün und dem Erhalt des Turmes.

Das frühere Heizkraftwerk wurde aus Postkarten gelegentlich wegretuschiert, inzwischen soll die Ikone in neuem Glanz erstrahlen und für Wohnen und Gewerbe genutzt werden.

Die zweite Preisgerichtssitzung im Dezember bestätigte die Wertschätzung des Turms. Die Jury behandelte die Frage von Identität und Identifikation beim Verlust einer Form, die seit 50 Jahren prägend ist. Schließlich kristallisierten sich drei preiswürdige Entwürfe mit unterschiedlichen Ansätzen heraus. Eine Blockrandbebauung mit Turm und Hof schlugen die Berliner Léon Wohlhage Wernik vor, eine Bebauung aus fünf einzelnen Baukörpern entwarf 03 München; Terrassengebäude mit daraus wachsendem Turm kennzeichneten den Entwurf von Hild und K aus München. Der kraftvollste Ausdruck im Städtebau und damit der erste Preis wurde schließlich dem Büro Léon Wohlhage Wernik zugesprochen. Laut Jury handelt es sich um eine Arbeit, die durch ihre Zurückhaltung und klare Setzung ein hohes Potenzial verspricht. Die Trennung von privatem und öffentlichem Raum und dessen Durchwegung überzeugen.

2. Preis: Die Büros 03 München und ver.de Landschaftsarchitektur aus Freising sahen Einzelblöcke mit einer stärker gegliederten Baukörperstruktur vor.

Die Nutzung im obersten Geschoss ist allerdings im Verlauf der Planung noch zu diskutieren. Es wäre schön, wenn sich in den Geschossen hinter der Fassadenrasterung ein wenig Loftcharakter abzeichnete. Zusätzlich zu den drei Preisen kauft der Auslober zwei Varianten ohne Turm von Hild und K sowie Léon Wohlhage Wernik an.
The Seven

Bis zum Frühjahr soll die Stadtratsentscheidung über das Bebauungskonzept fallen. Die Investoren Jörg Scheufele von alpha invest und Ralf Nisar von LBBW zeigen sich optimistisch und freuen sich auf die Aussicht versprechende Perspektive. Scheufele hat für das Projekt bereits einen Marketing-Namen: In Anlehnung an die sieben Tage der Woche, an denen man hier beruflich wie privat ein Zuhause finden soll, nennt er es „The Seven“.

3. Preis: Hild und K aus München wollten den Turm in einen mehrfach terrassierten Gebäudekomplex einbinden.

Mut zur Moderne beweist Münchens vielversprechende Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Sie wollte die Münchner Werkbundsiedlung mit ihren bunt gemischten Wohntürmen und damit Altes mit Neuem verbinden. Die Rathauskoalition ließ es nicht zu. Nun ist es ein einzelner Turm, der zum Symbol für die Münchner Wohnraumentwicklung wird. Als oszillierendes Instrument ist er gleichzeitig Barometer für die Stimmung in der Stadt und er zeigt an, wie viel Veränderung in Zukunft möglich ist.

Dipl.-Ing. Cordula Rau ist Architektin und Journalistin in München.

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