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[ Berufsperspektiven ]

Motor von Entwicklungen

Treibende Kraft statt Zuarbeiter von Investoren und Bauherren – ein neues Buch sucht nach Wegen zur Stärkung von Architekten.

Nach- und Vordenker: Frank Peter Jäger sucht Wege, auf denen Architekten „vom Glied am Ende der wirtschaftlichen Verwertungskette wieder zum Initiator“ werden können.

Frank Peter Jäger

Ob es jetzt wohl immer so weitergeht …? Das werden sich die Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil manches Mal gefragt haben, wenn sie von einer ihrer Baustellen in der Berliner Peripherie zurück in die Stadt fuhren. Auf großen Grundstücken an sandigen Stichstraßen planten sie für junge Familien Häuser. Mal ein steiler Giebel, mal ein Pultdach, mal ein netter Bauherr und mal ein kleinlicher. Das waren die Konstanten. Es lief gut, die beiden waren nicht unzufrieden. Allerdings entwickelte Tom Kaden mit der Zeit ein selbstironisches Verhältnis zu seiner suburbanen Architekturproduktion.

Er dachte: Ist es das, was wir am besten können– oder können wir auch ganz andere Sachen? Die Antwort hätte vielleicht lange auf sich warten lassen, aber im März 2006 wurden die Mitglieder einer Baugruppe im Architekturbüro vorstellig. Er sei doch Experte für Holzhäuser; ob er für die Baugruppe ein städtisches Holzhaus planen wolle, eingepasst in eine Baulücke. Die Berliner Bauordnung war da eindeutig: Geht nicht. Die Architekten sagten „sehr gern“. Anderthalb Jahre später konnten die Architekten und weitere sechs Bauherren Richtfest feiern.

Die Architekten verhandelten mit Baubehörden, konferierten mit Holzbauexperten, wurden zu Brandschutz­experten, gaben Gutachten in Auftrag, schrieben Förderexposés an Stiftungen, schickten E-Mails durch halb ­Europa. Mit den beteiligten Baufirmen und der Holzwirtschaft vereinbarten sie eine Marketingpartnerschaft. Ein Jahr, in dem man lauter Dinge macht, die man noch nie gemacht hat.

Eine Erfolgsgeschichte – und als Beispiel exemplarisch für die Chance von Architekten, aus dem umgrenzten Aufgabenfeld der Bauplanung wieder ins Zentrum des Geschehens zu rücken und an der wirtschaftlichen Verwertung der eigenen Arbeit teilzuhaben. Zugleich zeigt sich hier eine neue Weise, als Architekt tätig zu sein: Kaden und Klingbeil suchten sich gezielt externe Partner. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen Kommunikation, Kalkulation und ­Management. Sie koordinieren Bauherren und Planungspartner. Sie verhandeln und leisten Lobbyarbeit. Sie kaufen Grundstücke, kalkulieren ihre Rendite und bebauen sie. Auf diese Weise füllen sie die im Architektenberuf ­angelegte Rolle als Projektmanager und Kaufmann von Neuem mit Leben.

Vielleicht kann man das zukunftsträchtige Moment einer solchen Herangehensweise auf eine einfache Formel bringen: Sie lautet Architektur + X – der neue Architekt vernetzt seine planerische Kompetenz mit dem Input ­anderer Disziplinen und überträgt sie dadurch in einen erweiterten Kontext. Dabei bleibt seine Arbeit eine Leistung, die so nur ein Architekt erbringen kann.

Der neue Architekt wächst über die Planung und ihre Ausführung hinaus und stellt seine Kreativität in den Kontext von Menschen, Markt und Innovationen. Er wird vom Glied am Ende der wirtschaftlichen Verwertungskette ­wieder zum Initiator und zum Motor von Entwicklungen.

Mut zur Interdisziplinarität

Abgesehen von der Sekretärin am Empfang, Bauzeichnern und vereinzelten Bauingenieuren sind auch in großen Büros nahezu alle Mitarbeiter ausgebildete Architekten. Selbst Tätigkeiten mit kaufmännischer Ausrichtung, im Marketing oder in der Öffentlichkeitsarbeit besetzen Architekten am liebsten mit Kollegen. Fremde Disziplinen mit Dienstleistungen zu beauftragen oder entsprechend qualifizierte Mitarbeiter einzustellen, ist in anderen Branchen selbstverständlich. Architekten tun sich schwer, fremde Expertise in ihre Büros zu integrieren. Die Gründe dafür mögen Vorbehalte sein oder auch ein überstrapaziertes generalistisches Selbstbild. Modernes Generalistentum bedeutet, aufgabenabhängig zu entscheiden, welche Dinge die Kollegen aus dem Büro leisten können und für welche man externe Hilfe in Anspruch nimmt.

Das Ziel sind funktionierende Schnittstellen zwischen fremden und ­eigenen Kompetenzen.

Handel mit Ideen

Der Anteil nicht HOAI-geregelter, frei verhandelbarer Leistungen wächst stetig. Damit werden für Architekten ganz ähnliche Wissensreservoirse, Netzwerk- und Überlebenskünste bedeutsam wie für Designer, Werber oder Autoren. Die mit einer geistigen Leistung verbundene freie Preisfindung, die (bauwerkunabhängige) Ideenpräsentationen („Pitch“) und das Verfassen von Konzeptpapieren sind eine Welt, in der Architekten erst heimisch werden müssen. Einige, vor allem Absolventen der Kunsthochschulen, ­betätigen sich hier schon erfolgreich.

Unternehmerisches Selbstverständnis

Es gibt unter Architekten Vollblutunternehmer, die sich überaus erfolgreich im Baubusiness bewegen. Die Mehrheit der Architekten würde für sich selbst nur stirnrunzelnd die Bezeichnung „Unternehmer“ akzeptieren. Hier trifft man auf den Kern eines allzu defensiven Selbstverständnisses: Man versteht sich selbst nicht als Akteur, sondern arbeitet den Akteuren zu. Man denkt, man sei abhängig von ihnen. In Wirklichkeit ist jedoch der Architekt die Verkörperung des Unternehmers schlechthin: Er produziert fortwährend Ideen, sie sind sein wichtigstes Kapital. Er agiert souverän als Ein- und Verkäufer von Leistungen, er managt, und er geht mit jedem Projekt ein hohes wirtschaftliches Risiko ein.

Wer bei so viel unternehmerischem Risiko darauf verzichtet, sein Büro auch intern nach unternehmerischen Gesichtspunkten zu organisieren, macht sich das Leben unnötig schwer. Dazu gehört, die eigenen Arbeitskosten zu kennen und bei den verhandelbaren Teilen des Honorars Konditionen auszuhandeln, die es erlauben, rentabel zu arbeiten. Rentabilität bedeutet in diesem Fall, dass Architekten Überschüsse erwirtschaften, die es ihnen auch ohne dauerhafte 55-Stunden-Woche erlauben, in Wohlstand zu leben.

Gute Arbeit hat ihren Preis

Diese Ermunterung zu mehr Gewinnorientierung steht nicht in Einklang mit den Erfahrungen vieler Architekten. Mancher wird einwenden: Wie soll ich denn ein ­höheres Honorar aushandeln, wenn der Bauherr die Auftrags­vergabe von möglichst niedrigen Honoraren abhängig macht?

Eine mögliche Antwort lautet: Für niemanden macht es Sinn, seine Leistung dauerhaft unterhalb eines auskömmlichen Honorars anzubieten. Zwar lässt sich mit Preis­dumping der ein oder andere Auftrag ergattern. Besteht aber dauerhaft ein Missverhältnis zwischen eingesetzter Arbeit auf der einen und Ertrag auf der anderen Seite, wird das wirtschaftliche Überleben durch Selbstaus­beutung, Dauerstress und Vernachlässigung des Familienlebens ­erkauft.

Sendungsbewusstsein ohne Strahlkraft

Architekten haben ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, was zu ihren sympathischsten Eigenschaften gehört. Jedoch erinnert die Beziehung zwischen Architekten und der Öffentlichkeit heute, bildhaft gesprochen, an einen Radiosender, der ein ganz ausgezeichnetes Programm aus einem Haus mit Bleiwänden sendet. Zweifellos hörenswert, was da drinnen produziert wird – es kommt nur draußen nichts davon an. Ein zugespitztes Bild, das aber kongruent ist zu der Diskrepanz zwischen den potenziellen Wirkungsmöglichkeiten von Architekten und der tatsächlichen ­öffentlichen Präsenz ihrer Arbeit. Oft heißt es, dass sich Architekten mit der Kommunikation schwertun und aus der Teilöffentlichkeit der Architekturszene ausbrechen müssen. Aber ist dies der Kern des Problems? Die wirklichen Ursachen für die geringe Beachtung, die Architektur und Architekt finden, liegen tiefer.

Zaungast oder Mitspieler?

Zu Reichtum gekommene Maurermeister waren die Hauptprofiteure des gründerzeitlichen Baubooms Ende des 19. Jahrhunderts. Auf diese Weise entstand der gesamte Mietshausgürtel von Berlin. Ohne Architekten, ohne Detailpläne, die Grundrisse der entstehenden Gebäude steckte man am Bauplatz nur mit Schnüren im Sand ab. Dann gingen die Maurer an die Arbeit. Diese Maurermeister waren Handwerker, Bauunternehmer, Projektentwickler und Immobilienhändler in einem.

Der „Baumeister“ alten Zuschnitts war eine in seinem Umfeld geachtete und bekannte Gestalt. Die städtische Baugruppe, mit deren Kapital Architekten Bauprojekte initiieren, ist nur eine Gestalt, die Baumeister heute annehmen können. Einen anderen Weg schlagen Architekten in Österreich ein. Einige sind bei Großprojekten an der Schnittstelle zwischen planendem Architekten, Bauherren und Fachplanern als Bauherrenberater tätig. Andere beraten als „Architektur-Consultants“ Bürgermeister kleiner Gemeinden bei Bauentscheidungen. Die Kompetenz dieser ins Metier des Beraters gewechselten Architekten wird nachgefragt und respektiert. Ob Management, Immobilien oder Corporate Architecture – hier verfügen Architekten als technisch-gestalterische Universalisten über ­einen natürlichen Vorsprung.

Buchtipp:

Dipl.Ing. Frank Peter Jäger (Hg.)

„Der neue Architekt“ über innovative ­Arbeitsfelder
für Architekten, Marketing und Management
176 Seiten, Detail Verlag München, 29,80 €

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