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[ Insolvenz ]

Raus aus der Schuldenfalle

Nicht zahlende Kunden, aber auch andere Unglücksfälle können zur Insolvenz führen. Jetzt gibt es neue Möglichkeiten für einen zweiten Start.

Hoffnungsschimmer: Eine Änderung der Insolvenzordnung ermöglicht es, weiterzuarbeiten und bis auf einen Festbetrag das verdiente Geld zu behalten.

André Dobiey
Die kurzzeitig verbesserte Baukonjunktur ist an vielen Architekten spurlos vorübergezogen. So bleibt für wirtschaftlich angeschlagene Architekten die drohende Insolvenz leider häufig ein ernst zu nehmendes Problem. Ob ausbleibende Zahlungen von Kunden, unzureichend versicherte Haftungsfälle, allgemein schlechte Auftragslage oder fehlgeschlagene „Steuersparmodelle“ – die Wege in die Schuldenfalle sind vielfältig. Die Vorbehalte gegen eine Insolvenz, sei sie geplant oder ungewollt durch den Antrag eines Gläubigers, sind es auch. Das Damoklesschwert der drohenden Streichung aus der Architektenliste wegen fehlender „Zuverlässigkeit“ ist dabei ebenso Thema wie die Frage nach der weiteren Fortführung des Architekturbüros in der Insolvenz.

Schon seit einigen Jahren besteht für Privatpersonen und Selbstständige die Möglichkeit, sich im Rahmen des so genannten Restschuld-Befreiungsverfahrens nach Ablauf von sechs Jahren vollständig zu entschulden. Voraussetzung dafür ist unter anderem ein eigener Antrag auf ­Eröffnung des Insolvenzverfahrens und gleichzeitig die ­Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Auch zahlreiche Architekten haben sich in der Vergangenheit zu diesem Schritt entschlossen. Der Preis dafür war bislang aber fast immer zwangsläufig die Aufgabe des eigenen Architekturbüros. Mit Eröffnung des Verfahrens tritt automatisch der Insolvenzverwalter an die Stelle des bisherigen Inhabers.

Kraft Gesetzes fällt der sogenannte Neuerwerb und damit die laufende selbstständige Tätigkeit in die Insolvenzmasse. Dem Insolvenzverwalter droht dabei eine Haftung für neu begründete Verbindlichkeiten nicht nur mit der – meist überschaubaren – Insolvenzmasse, sondern schlimmstenfalls sogar persönlich mit seinem Privatvermögen. Angesichts dieser für ihn unabsehbaren Risiken kam eine Fortführung des Architekturbüros in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen in Betracht. Als Ausweg blieb für den Architekten daher nur der Umweg über eine „Strohmannlösung“, das heißt die Gründung eines Nachfolgebüros durch nahestehende Personen, zumeist Ehepartner oder Kind.

In diesem wurde dann der bisherige Inhaber als „Berater“ oder Angestellter beschäftigt. Nachteile dieser Praxis waren insbesondere die oft fehlende Abgrenzung der Vermögenssphären zum alten Büro und damit zur Insolvenzmasse und das Risiko, dass auch das Vermögen des nahen Verwandten bei schlechtem Geschäftsverlauf in Mitleidenschaft gezogen werden konnte.

Wieder Herr im Haus

Nunmehr kann man auf derartige Umgehungsgeschäfte verzichten. Die neu eingeführte Regelung in § 35 der Insolvenzordnung gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die laufende selbstständige Tätigkeit aus der Insolvenzmasse einfach freizugeben, wenn er die ­damit verbundenen Risiken scheut. Mit Abgabe dieser Erklärung, die über das Internet veröffentlicht wird (www.insolvenzbekanntmachungen.de), erlangt der betroffene Architekt unmittelbar die volle Verfügungshoheit über seinen Betrieb zurück. Er kann diesen wieder als „sein eigener Herr“ weiterführen, ohne Rücksprache mit dem Insolvenzverwalter oder gar Gläubigern nehmen zu müssen, und trägt so allein die Chancen und Risiken.

Der Vorteil: Sämtliche Altschulden verbleiben im Insolvenzverfahren und dürfen nicht mehr anderweitig durch die Gläubiger geltend gemacht werden. Alle ­neuen Einnahmen können für den laufenden Lebensunterhalt oder zukünftige Projekte verwendet werden. Weder Altgläubiger noch Insolvenzverwalter dürfen auf die neu erarbeiteten Honorare und Einnahmen zugreifen.

Natürlich wirft dies Fragen auf: Wenn schon alle Einnahmen beim selbstständigen Architekten in Insolvenz verbleiben dürfen, muss er eine Gegenleistung für die zurückerlangte Selbstbestimmung erbringen? Klare Antwort: Ja – denn er muss während des über sechs Jahre andauernden Verfahrens bis zur Restschuldbefreiung sein „fiktives“ pfändbares Einkommen an den Insolvenzverwalter auskehren. Die Höhe der Zahlungen ist dabei unabhängig vom tatsächlichen Verdienst aus der laufenden Tätigkeit.

Vielmehr heißt die entscheidende Frage: „Wie hoch ist das angemessene Einkommen eines angestellten Architekten mit denselben beruflichen Erfahrungen und Qualifikationen unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktsituation?“ Hat man eine vertretbare Antwort darauf gefunden, hängt die Höhe der zu leistenden Zahlungen insbesondere von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen ab. Die exakte Höhe richtet sich nach der all­gemein verbindlichen Pfändungstabelle der ­Zivilprozessordnung. Neben dem ohnehin unpfändbaren Existenzminimum sind bei der Berechnung noch der pflichtgemäße Unterhalt und die Ausgaben für die eigene Krankenversicherung mit zu berücksichtigen. Einziger Wermutstropfen: Bleibt das Einkommen des Architekten nach der Freigabe hinter den Erwartungen zurück, muss er trotzdem den angemessenen „fiktiven“ Beitrag zahlen und kann sich nicht auf die schlechte Geschäftsentwicklung berufen. Leistet er keine ausreichenden Zahlungen, riskiert er die Versagung der Restschuldbefreiung.

Das Verfahren eignet sich daher vor allem für Architekten mit grundsätzlich guter Auftragslage, die aber beispielsweise durch Ausfall einer Honorarforderung oder einen nicht versicherten Haftungsfall zahlungsunfähig geworden sind. Sie können weiterarbeiten und alles, was sie über die pflichtgemäße Zahlung an den Insolvenzverwalter hinaus verdienen, für sich vereinnahmen. Zudem ist im Gesetz kein zwingender Zeitpunkt vorgesehen, bis zu dem die Zahlungen zu leisten sind. Denkbar wäre insoweit, dass gerade in den schwierigen Anfangsmonaten nach dem „Neustart“ nur geringe Zahlungen geleistet werden und später Nachzahlungen erfolgen. Spätester Zeitpunkt für die Nachzahlungen sollte dann aber der Schlusstermin im Insolvenzverfahren sein.

Wenig zweckmäßig erscheint das Verfahren dagegen, wenn die Zahlungsprobleme durch chronischen und mutmaßlich anhaltenden Auftragsmangel entstanden sind. Das ­angemessene „fiktive“ Einkommen eines Angestellten liegt möglicherweise deutlich über den tatsächlichen Einnahmen. Im schlimmsten Fall müssten die Büroinhaber womöglich mehr an den Insolvenzverwalter abführen, als sie selbst verdienen. Notgedrungen wird dann außer der Aufgabe der Tätigkeit wohl nur die in der Vergangenheit praktizierte „Strohmannlösung“ mit all ihren Nachteilen bleiben.

Zu erwähnen ist, dass die Altgläubiger im Rahmen der ersten Gläubigerversammlung nach Insolvenzeröffnung einmalig die theoretische Möglichkeit haben, die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters zu widerrufen. Praktisch wird dies allerdings nur selten vorkommen. Üblicherweise hält sich das Interesse an diesen Versammlungen sehr in Grenzen. Wenn überhaupt Gläubiger erscheinen, folgen sie in der Regel den Vorschlägen des Insolvenzverwalters und bestätigen die Freigabe.

Verbleib in der Kammer

Die Freigabe hat aber nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus berufsrechtlicher Sicht Vorteile: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder dessen Abweisung mangels Masse können zur Löschung aus der Architektenliste bei der zuständigen Architektenkammer führen. Befindet sich der Architekt in ungeordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, gilt er als „unzuverlässig“ im Sinne der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen, so zum Beispiel § 5 Abs. 1 Baukammerngesetz NRW. Bei einer Abweisung der Insolvenz mangels Masse dürfte eine Löschung unausweichlich sein. Die Kammer wird in diesem Fall feststellen, dass der Architekt keine Gewähr dafür bietet, seine Tätigkeit nur an den auf eine sichere und wirtschaftliche Bauweise ausgerichteten Interessen seiner Auftraggeber statt nur an eigenen finanziellen Interessen zu orientieren.

Anders stellt sich die Lage dagegen bei einer Freigabe der Tätigkeit im Insolvenzverfahren dar – jedenfalls bei angestrebter Restschuldbefreiung. Nunmehr befindet sich der Architekt wieder in weitgehend geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Die  Altschulden und das pfändbare Altvermögen fallen in die Insolvenz. Der Neuerwerb steht nach der erfolgten Freigabe wieder zur freien Verfügung des Architekten. Der für die Prüfung der Löschung aus der Architektenliste zuständige Eintragungsausschuss wird daher in solchen Fällen das Merkmal der Zuverlässigkeit kaum infrage stellen können. Es sei denn, es ergeben sich gravierende anderweitige Bedenken, die dem Architekten unabhängig von der laufenden Insolvenz vorzuwerfen sind.

Eine Insolvenz bedeutet also nicht mehr zwangsläufig das Ende der eigenen Selbständigkeit. Vielmehr eröffnet sie durch Instrumente, wie etwa der neu eingeführten Freigabe, verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung, die Chance auf einen wirklichen wirtschaftlichen Neuanfang. Selbstverständlich ist die Insolvenz kein Selbstläufer und sollte – wenn möglich – mit fachlicher Unterstützung durch anwaltliche Sanierungsexperten, wie insbesondere Fachanwälte für Insolvenzrecht, gut vorbereitet und begleitet werden. Gegenüber dem zumeist aussichtslosen Kampf gegen einen unübersehbaren Schuldenberg ist sie aber sicher die bessere Alternative.

André Dobiey ist Rechtsanwalt bei Niering Insolvenzverwaltungen in Köln und Bonn.

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