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[ Passivhäuser ]

Immer profitabler

Lange galten Passivhäuser als unwirtschaftlich. Jetzt aber sparen sie mehr Aufwand für Energie, als sie an Baukosten erfordern.

Prof. Ludwig Rongen

Sprachlich ist der Begriff „passiv“ negativ besetzt, suggeriert er doch menschliches Leid oder Hilflosigkeit. Ebenso werden Passivhäuser mitunter bis heute belächelt. Auch von Architekten, die noch wie vor zwanzig Jahren glauben, Passivbauten könnten nur schlecht aussehen. Diese Kollegen waren der Ansicht, es seien nur gesichts- und proportionslose Kisten minderer Gestaltqualität möglich. Inzwischen haben die Vordenker unter ihnen anhand zahlreicher hervorragend gestalteter Passivhäuser das Gegenteil bewiesen.

In Österreich und der Schweiz verstehen es ­Architekten schon seit ­Jahren, den Passivhausstandard und zeitgenössische Architektur miteinander zu verbinden. Architekten: Poppe*Prehal, Steyr in Österreich

Passivhäuser sind Gebäude, deren auf maximal 15 kWh/m²a begrenzter Heizenergieverbrauch so verschwindend gering ist, dass sie keine „aktive“ Heizung benötigen. Den Mut, auf Heizkörper ganz zu verzichten, hatten die Erbauer des im Oktober 1991 fertig gestellten ersten deutschen Passivhauses in Darmstadt-Kranichstein allerdings noch nicht. Dennoch erfüllten sich die Erwartungen. Selbst in dem kalten Winter 1996/1997, der zahlreichen konventionell beheizten Häusern damals Probleme bereitete, lag der Heizenergieverbrauch unter 11 kWh/m²a.

Darmstadt-Kranichstein war auch für den Mitbegründer des Passivhausstandards Wolfgang Feist ein Meilenstein. Bei einem Forschungsaufenthalt an der Universität Lund in Schweden hatte er im Mai 1988 gemeinsam mit dem Gastgeber Bo Adamson den Begriff „PassiveHouse“ geprägt. In Schweden und Dänemark war schon Mitte der 1980er-Jahre der Niedrigenergiehaus-Standard für Neubauten gesetzlich vorgeschrieben. Die konsequente Weiterentwicklung dieser Bauweise hin zu einem noch besseren Wärmeschutz mit möglichst wenigen Wärmebrücken und einer äußerst luftdichten Gebäudehülle, Fenstern mit hervorragenden Dämmwerten und schließlich einer kontrollierten Lüftung mit Wärmerückgewinnung führte schließlich zu einer höheren Bauqualität: dem Passivhaus. Bo Adamson und Wolfgang Feist, Leiter des von ihm gegründeten Passivhaus Institutes in Darmstadt, haben viel dazu beigetragen, dass es inzwischen ein weltweit anerkannter Qualitätsstandard ist.

Eine Rechnung, die aufgeht

Obwohl es in Europa inzwischen über 10 000 Passivhäuser gibt, erreichen uns hierzulande immer noch Fragen wie: Ist das Passivhaus nicht zu teuer? Die Mehrkosten haben sich doch erst nach Jahrzehnten amortisiert. Anfang der 1990er-Jahre war das sicher der Fall. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus musste man damals etwa 100 000 D-Mark mehr investieren. Heute sind das nach unseren Erfahrungen nur noch etwa sieben Prozent der Bausumme. Das Passivhaus­institut Darmstadt geht sogar von nur fünf Prozent Mehrkos­ten aus. Bei größeren Objekten liegt der Anteil noch weiter darunter. So waren für das 2003 fertig ­gestellte Caritas-Haus Neuwerk nur 2,8 Prozent der Herstellungskosten notwendig. Das Altenpflegeheim in Mön­chen­gladbach war das europaweit erste in Passivhausbauweise errichtete Objekt seiner Art.

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung für dieses Haus prognostizierte seinerzeit einen jährlichen Liquiditätsvorteil – und zwar vom ersten Tag an – gegenüber dem Niedrigenergiehaus-Standard von 8 420 Euro. In dieser Berechnung wurden die jährlichen Kapitalkosten (Zinsen + Tilgung) für die gesamten investiven Mehrkosten den zu erwartenden Energieeinsparkosten gegenübergestellt. Tatsächlich lag dieser Liquiditätsvorteil im Januar 2008 schon bei über 20 800 Euro.

Das Caritas-Haus Neuwerk war Europas erstes Altenpflegeheim im Passivhausstandard. Architekten: Rongen Architekten, Wassenberg

Daneben zeichnet sich das Altenpflegeheim durch eine besonders gute Luftqualität aus. Den meist typischen Uringeruch gibt es aufgrund des ununterbrochenen Luft­austausches hier nicht. Das Haus verfügt über ein dezentrales Lüftungssystem, das in der Übergangszeit die der Sonne abgewandten Gebäudeteile erwärmt und zeitgleich die der Sonne zugewandten Bereiche kühlt.

Die guten Erfahrungen mit Passivhäusern haben dazu geführt, dass mittlerweile Kommunen dazu übergehen, eigene Neubaumaßnahmen grundsätzlich nur noch so auszuführen. Zum Beispiel fordert das die Stadt Frankfurt für alle neuen städtischen Gebäude. Im österreichischen Bundesland Vorarlberg gilt der Passivhausstandard bereits seit Januar 2007 für alle öffentlich geförderten Wohnungsbauprojekte. All das zeigt, wie sich der Passivhausstandard immer mehr und schneller zu etablieren scheint.

Einst Sonderanfertigung, jetzt Massenprodukt

Die hohe Nachfrage hat mittlerweile einen großen Schub bei der Entwicklung entsprechender Bauteilkomponenten ausgelöst. Das führte nicht nur zu einer Steigerung der Qualität, sondern auch zu niedrigeren Preisen

Fenster: Prägten die ersten Passivhausfenster noch besonders breite Blend- und auch Flügelrahmen, weil sie starke Dämmpakete (thermische Trennung zur Vermeidung von Wärmebrücken) aufzunehmen hatten, so sind heute Produkte verschiedenster Anbieter mit sehr schlanken Profilen erhältlich. Sie unterscheiden sich in ihrer Dimensionierung kaum mehr von herkömmlichen zweifach verglasten Fens­tern. Standard sind heute dreifach verglaste Fenster mit Argon- oder der kostenintensiveren Kryptonfüllung.

Zu den beachtlichsten Innovationen gehören Vakuumverglasungen, die schon als zweifach verglaste Fenster Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,8 W/m2K für das gesamte Fenster und 0,5 W/m2K für den Scheibenbereich erreichen. Die Gesamtscheibendicke solcher Fenster liegt bei nur noch zehn Millimetern. Damit sind diese Konstruktionen sogar schlanker als die herkömmlichen Zweifachverglasungen. Ein Problem ist derzeit noch der hohe atmosphärische Druck, der durch das Vakuum auf die Scheiben einwirkt.

Dadurch werden Stützkörper im Scheibenzwischenraum erforderlich, die wegen des gestalterischen Anspruchs möglichst klein und damit optisch kaum wahrnehmbar sein sollen. Dem stehen die hohen mechanischen Anforderungen an die Stützkörper entgegen. Hinzu kommt, dass ihre Größe, ihr Abstand untereinander und ihre Wärmeleitfähigkeit die Wärmedämm-qualität der Isolierglasscheibe mindern können. Bislang haben sich Abstandhalter von 0,5 Millimetern Durchmesser in einem Abstand von 40 Millimetern bewährt. Bei dieser Ausführung sind sie nur noch vor einem kontrastarmen Hintergrund bei einem Abstand unter einem Meter vom Fenster sichtbar.

Weitere Probleme bereitet derzeit noch die Wärme­brücke „Randverbund“, und die Rahmenkonstruktionen sind ebenfalls weiter zu optimieren. Eine Rahmenkonstruktion mit einem U-Wert von 0,8 W/m2K, wie er bei Passivhausfenstern heute Standard ist, wurde bereits im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojekts entwickelt. Die 90 Millimeter breiten Rahmenprofilen sind wesentlich schlanker als bei derzeit üblichen Passivhausfenstern mit Profilbreiten von 110 bis 130 Millimetern.

Wärmedämmung: Die hohe Wärmedämmung der Gebäudehüllflächen von Passivhäusern ist durchaus auf einem gestalterisch ansprechenden Niveau zu bewältigen. Eine Reihe innovativer Produkte, wie Hochleistungsdämmstoffe aus FCKW- und H-FCKW-freiem Resol-Hartschaum mit einem Wärmeleitwert von 0,22 W/mK, wird in Zukunft diese Aufgabe weiter erleichtern.

Die Sandwich-Fassaden­paneele des CapricornHauses in Düsseldorf wurden mit Vakuum­Isolationspaneelen von Vaku-Isotherm ausgestattet. Architekten: Gatermann + Schossig

Während sich bei Neubauten die starken Dämmstoffdicken vergleichsweise gut planen lassen, ist die Situation beim Bauen im Bestand eine andere. Hier sind dicke Dämmpakete oft nicht möglich – häufig auch nicht zu empfehlen. Vakuumisolationspaneele (VIP) mit durchschnittlichen λ-Rechenwerten von 0,004 W/mK, die bei gleichen Dämm­eigenschaften wie herkömmliche Dämmstoffe dadurch wesentlich geringere Materialstärken benötigen, eröffnen hier neue Möglichkeiten, auch wenn sie zurzeit noch recht teuer sind. Darüber hinaus besteht nach wie vor das Risiko der mechanischen Beschädigung. Wird die Außenhaut der Paneele verletzt und der Dämmkern belüftet, verringert sich die Dämmeffektivität erheblich. Durch Integration der VIP, beispielsweise in werkseitig vorgefertigte Wandelemente, lässt sich diese Gefahr minimieren. An der Fassade werden die Platten in ein vorgerüstetes Befestigungssystem einfach eingehängt, wobei die Fenster bereits passgenau und luftdicht eingebaut sein können.

Der lichtdurchlässige Hochleistungsdämmstoff Nanogel mit einem Wärmeleitwert von 0,018 W/mK wird ebenfalls immer häufiger eingesetzt. Nanogel ist ein Aerogel auf der Basis von Kieselsäure und mit 60 bis 80 g/m³ äußerst leicht. Trotz des geringen Gewichts ist die Schalldämmung sehr gut.

Aerogele zählen zu den leichtesten und effektivsten derzeit verfügbaren Isoliermaterialien, sie sind hydrophob und somit feuchtebeständig und schimmelpilzresistent. Aerogel wurde im Jahr 2006 vom Sustainable Industries Journal als eines der zehn besten „grünen“ Gebäudeprodukte ausgezeichnet.

Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung: Bei den kontrollierten Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung hat es in den letzten Jahren beachtliche Weiterentwicklungen gegeben. Üblich sind heute Anlagen mit deutlich über 90 Prozent Wärmerückgewinnung. Außerdem erleichtern so genannte „steckerfertige“ Installations- und bedienerfreundliche Kompaktgeräte die Montage erheblich. Ventilator, Wärmetauscher und Filterbox sind hier wie in einem Baukastensystem bereits fix und fertig zusammengebaut.

Mit der Zertifizierung durch das Passivhaus Institut Darmstadt wird dem Lüftungsgerät TVZ 100 hohe technologische Reife für den Einsatz in Passivhäusern bescheinigt.

Mittlerweile gehören auch die störenden Anlagengeräusche der Vergangenheit an. Moderne Geräte sind nicht nur zwischen Gehäuse und Wärmedämmbauteilen schallgedämmt, sondern auch um die Ventilatorbox. Zusätzlich können in der Regel an den Luftauslässen Schalldämpfer angebracht werden, was einen nahezu geräuschlosen Betrieb ermöglicht. Bei hochwertigen Geräten sind die wärmegedämmten Lüftungskanäle aus Kunststoff und im Schachbrettmuster angeordnet. Dadurch ergibt sich eine Verdopplung der Wärmetauscherfläche gegenüber Plattenwärmetauschern. Die Überwachung der Filterzustände erfolgt über elektronische Kontrollen und der Filterwechsel wird über ein optisches Signal am Bedienteil angezeigt. Die Steuerung der Anlagen erfolgt wahlweise vollautomatisch mit Wochenzeituhr oder manuell.

Auch die bei den ersten Passivhäusern oft beklagte zu trockene Luft gehört der Vergangenheit an. Moderne Lüftungsgeräte sind heute mit automatischen Feuchteregulatoren ausgestattet, bei denen die gewünschte Luftfeuchte vorgegeben werden kann.

Zudem wird im Sommerbetrieb immer häufiger die adiabate Kühlung eingesetzt. Dabei wird vor dem Abluftanschluss Wasser in den Abluftkanal eingesprüht und die Abluft dadurch abgekühlt (Verdunstungskühlung). Im Wärmetauscher entzieht die abgekühlte Abluft der wärmeren Außenluft die Wärme und kühlt diese um zwei bis sechs Kelvin ab.

Die Frischluft bleibt dabei trocken. Bei hohen Temperaturen wird über einen Temperatursensor das Magnetventil für die Wassereinsprühung geöffnet. Zwar stehen die adiabaten Kühlsysteme noch am Anfang ihrer Entwicklung, sie gelten aber schon heute als weiterer Meilenstein der kontrollierten Lüftungsanlagen, mit denen schon heute nicht nur „passiv“ geheizt, sondern in gewissen Grenzen auch „passiv gekühlt“ werden kann. Gleichzeitig verbirgt sich dahinter ein enormes Potenzial besonders für Passivhäuser in Klimazonen, wo die primäre Energieeinsparung bei der Gebäudekühlung liegt.

Professor Dipl.-Ing. Ludwig Rongen, Architekt und Stadtplaner BDA, lehrt Architektur in Erfurt und Chengdu, China.

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