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[ Spezialisierung ]

Phase 6 kann sexy sein

Die Leistungsbeschreibung in Phase 6 der HOAI gilt eher als dröge. Doch ein Berliner Büro hat sich darauf mit Erfolg spezialisiert – auch als Dienstleister für Kollegen.

Gut kalkuliert: Das Spektrum der drei plus Planungs­gruppe reicht vom Forum Duisburg (Entwurf: Ortner & Ortner, Berlin) bis zum Stadion in Han­nover (Umbau­entwurf: Schulitz + Partner, Braunschweig).

Irmelin Ehrig
Großstadien und Arenen in Berlin, Hannover und Mannheim, Eishallen in Düsseldorf und Stuttgart, große Einkaufszentren von Duisburg bis Berlin, Bürohäuser zwischen München und Rostock, Luxus-Schloss- und Wellness-Hotels – das steht auf der Referenzliste der drei plus Planungsgruppe in Berlin. Das Büro von Arne Schumny und Uwe Morell hat zwar nichts davon selbst gebaut, aber zu jedem Projekt einen entscheidenden Beitrag geleistet: die präzise Kalkulation, die Kostenschätzung und Kostenberechnung, den Kos­tenanschlag und das Nachtragsmanagement.

Ihre Spezialität sind ungewöhnliche und komplexe Vorhaben ab einer Bausumme von fünf Millionen Euro. Auftraggeber waren lange Zeit Generalunternehmer. Das hat sich in den vergangenen drei Jahren geändert, berichtet Schumny: „Zu ungefähr 60 Prozent arbeiten wir heute für Inves­toren und große Architekturbüros.“ Investoren schätzen Planungssicherheit und Kostenersparnis; andere Büros behalten den Kopf frei für das Entwerfen, Planen und Bauen.

Morell und Schumny verbindet ein paralleler Lebensweg: Beide lernten zunächst ein Handwerk – Schumny Maurer, Morell Tischler, beide studierten an der FH Hildesheim. Als sie sich 1993 selbstständig machten, war die Spezialisierung nicht abzusehen; sie boten die üblichen Planungsleistungen an. Schumny: „Das Büro lief, aber wir fanden, der Erfolg wäre steigerungsfähig.“ Sie reflektierten ihre Stärken und entdeckten sie an der Schnittstelle zwischen Planung und Realisierung. Uwe Morell: „Jeder Strich einer Planung steht für eine Bauleistung oder für ein Bauprodukt.“

Bei der Bewertung „besonderer“ oder „nicht alltäglicher“ Bauleistungen verlieren weniger routinierte Architekturbüros oft viel Zeit. Was kostet eine T90-Glastür mit Oberlicht und Bodentürschließer? Für die Architekten von drei plus ist diese Frage alltäglich. Sie haben mit den Jahren detaillierte Produktkenntnis und ein Gespür für Baupreise entwickelt.

Ebenso für spezielle Aufgaben. Welche „besonderen Bauleistungen“ erfordert etwa ein Fußballstadion? „Anspruchsvoll ist generell deren Geometrie“, erklärt Morell. „Runden und Schrägen erschweren die Mengenermittlung. Durch die Fertigteilbauweise entstehen zahlreiche Fugen, deren Abdichtungen und Anschlüsse zu kalkulieren sind.“ Am Stichwort „Fugen“ hängt eine besondere Herausforderung: Bis zu vier Zentimeter muss die Stahlbetontribüne sich heben und senken können, wenn die La-Ola-Welle durch die Zuschauermassen schwappt. „Sicherheitsanforderungen sind ein wesentlicher Aspekt zur Kalkulation eines Stadions. Vor allem wegen Brandschutz und Fluchtwegen“, ergänzt Schumny. Bei schwierigen Projekten übernehmen die Architekten auch die Planungskoordination, etwa bei der AWD-Arena Hannover, die bei laufendem Spielbetrieb umgebaut wurde. „Mehrere Mitarbeiter waren ständig vor Ort. Bei solchen Projekten sind wir oft die Ersten, die kommen und die Letzten, die das Licht ausmachen.“

Spezialisten fürs Große: Uwe Morell und Arne Schumny. Rechts die geplante Polaris-Freizeithalle in Berlin (Entwurf: SEHW Architekten, Berlin)

Qualitätsmanagement

Aufträge für Kostenberechnungen werden oft schon wenige Stunden nach der ersten Anfrage erteilt. Deshalb müssen Morell und Schumny zügig reagieren. Ob fünf oder 50 Millionen Euro Bausumme: Zwei bis drei Wochen, mehr Zeit haben die Teams meist nicht. Die Arbeit erleichtert das Kalkulationsprogramm ORCA, das im Büro hauptsächlich verwendete Programm neben MS Office. „Unsere Auftraggeber sind selbst terminabhängig. Aufschübe – auch nur um einen Tag – gibt es nicht“, erklärt Morell. Um Fehler auszuschließen, braucht es ein lückenloses Qualitätsmanagement.

„Alle Leistungsverzeichnisse und Kosten werden intern gegengeprüft.“ Manche Auftraggeber verlangen dennoch Überarbeitungen, um die Kosten zu senken. „Das kommt öfter vor und ist auch sinnvoll“, meint Schumny. „Aber ein Sonderbau, der bestimmte Funktionen nachhaltig erfüllen soll, ist letztlich nur begrenzt optimierbar.“

Wer bei drei plus anfängt, verzichtet auf das Entwerfen und hat idealerweise ein Bauhandwerk erlernt. Außerdem verfügt er oder sie über ein gutes technisches Verständnis. Die Qualifikationen sind breit – vom Architekten über den Ökonom bis zur Wirtschaftsingenieurin. Doch alle Mitarbeiter sind letztlich Quereinsteiger, denn anders als etwa in Großbritannien gibt es in Deutschland keinen Studiengang für Baukalkulation. Vierzehn fest angestellte Mitarbeiter sind in wechselnden Teams beschäftigt.

Hierarchien innerhalb der Teams gibt es nicht, weil alle gleichartige Tätigkeiten ausüben. Um auf dem Laufenden zu bleiben, nehmen die Mitarbeiter regelmäßig an Fortbildungen teil. Für gutes Arbeitsklima sorgen die Partner auch mit Betriebsausflügen. Im Winter laden sie Kollegen und Auftraggeber mit eigenen After-Work-Veranstaltungen zur Fachdiskussion ein.

Das Geschäft mit der Leistungsphase 6 läuft bestens; die Ertragskraft ist hoch. Architekten, die ohne Spezialisierung auf Baukosten bei Schumny und Morell anfangen, verdoppeln nach wenigen Monaten ihre Produktivität. „Das ist eine der Voraussetzungen, dass unser Büro sich trägt“, so Schumny. „Wir müssen vorab auch die eigenen Kosten ­exakt kalkulieren, damit der Auftrag sich für uns rechnet.“

Ihre Marktnischen freilich sind nicht ohne Risiko. „Gewerbliche Bauvorhaben sind lukrativ“, erklärt Morell. „Aber falls wir uns verrechnen, haftet – unter Umständen – unser Büro.“ Wachsen soll es derzeit nicht, sondern Qualität und Kundennähe halten. Allerdings möchten Morell und Schumny auch internationale Märkte erobern. Zur Kalkulation der Sonderbauten kommt damit auch der Architekturexport. Eine Marktlücke – schon allein deshalb, weil im Ausland die deutschen Normen und Regelwerke nicht bekannt sind. Der deutsche Architekt als Generalist? Dieses Bild scheint zu bröckeln. „Der Markt für besondere Leistungen wächst“, meint Morell. „Die Leute wollen einfach Spezialisten.“

Irmelin Ehrig ist Journalistin und Kommunikationsberaterin für Architekten in Berlin.

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