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[ Vogelfalle Licht ]

Nicht zum Piepen

Beleuchtete Glasfassaden sind tödliche Vogelfallen – weshalb Tierschützer die ersten dimmen.

Michael Schmid
Er schimmert derzeit ganz in Blau, der knapp 163 Meter hohe Post-Tower in Bonn von Helmut Jahn. Bisher illuminierten ihn seine mehr als 2 000 computergesteuerten Fassadenleuchten und 112 Strahler mit wechselnden, oft spektakulären Farbszenarien. Jetzt lässt die Beleuchtungsanlage vor dem einfarbigen Hintergrund schwarze Vogelsilhouetten über die Fassade wandern. Der Grund für die Wandlung: Das herabgedimmte Lichtspiel soll den durch künstliches Licht verursachten Vogelschlag minimieren.

„Helle Beleuchtung raubt den Vögeln die Orientierung und lockt sie an“, sagt Heiko Haupt, Bonner Biologe und Ornithologe, der das Problem am Post-Tower beobachtet hat. „Von Laborversuchen wissen wir, dass es im Licht die Spektralfarben Rot und Gelb sind, die die Vögel besonders irritieren.“ Wie Nachtfalter steuern die Tiere die Lichtquellen an und umkreisen sie bis zur völligen Erschöpfung. Dem soll in Bonn jetzt der Einsatz von Blau entgegenwirken.

Der Post-Tower steht exemplarisch für ein weitverbreitetes Problem: Die großflächigen Fassaden hoher Gebäude werden zunehmend transparenter, dazu kommt innen wie außen üppige und helle Beleuchtung. „Besonders exponierte Lichtquellen an der Außenseite, die als gestalterisches Element oder zu Werbezwecken in den freien Luftraum strahlen, sind für Vögel verhängnisvoll“, so Haupt.

Doch nicht nur das. Die Anlockwirkung des Lichts ver­stärkt ein zweites, schon lange bekanntes Phänomen: Die ­Vögel prallen gegen die Scheiben von Fenstern und Glasfassaden, die sie als Hindernis schlicht nicht wahrnehmen. Die üblichen Greifvogelaufkleber sind selbst tags­über nutzlos, da Vögel in starren Silhouetten keine Feinde erkennen und daneben ans Glas fliegen. Um das zu verhindern, müsste die gesamte Glasfläche für die Tiere sichtbar gemacht werden.

Weltweit holen stark verglaste und hell erleuchtete Gebäude Millionen Vögel vom Himmel. Nordamerikanische Städte wie Toronto, Chicago oder New York starteten bereits medienwirksame „Licht aus“-Kampagnen, um die Verluste besonders zu Zeiten des Vogelzugs zu verringern. Am Bonner Post-Tower waren es 200 tote Tiere in einem Jahr, die den Hausherrn Deutsche Post jetzt veranlassten, Maßnahmen zu ergreifen. In der Kernzeit des Vogelzugs vom 1. März bis 1. Mai und vom 1. August bis 1. November wird der Turm nur in besagtem Blau beleuchtet. Die Fenster werden mithilfe der Sonnenschutzlamellen abgedunkelt, um Irritationen durch die Notbeleuchtung auszuschließen. Und die Lichtkrone des Turms ebenso wie die hellen Wandfluter des Foyers bleiben ausgeschaltet. Eine Ausnahme macht nur das Logo auf dem Dach.

Wie diese Maßnahmen tatsächlich wirken, soll jetzt eine Diplomarbeit ermitteln, die in diesem Herbst erstellt wird. Denn noch sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse besonders über die Auswirkungen verschiedener Lichtfarben auf Vögel nicht eindeutig. „Neuere Untersuchungen aus den USA stufen mittlerweile auch Blau und Grün als problematisch ein“, sagt Haupt. Die Deutsche Post jedenfalls will bei neuen Ergebnissen entsprechend nachbessern.

Eine Lösung für die Vogelfalle wird also noch auf sich warten lassen. „Die für Zugvögel beste Beleuchtung von Gebäuden ist immer noch diejenige, die nachts gar nicht eingeschaltet wird“, resümiert Haupt die Situation. So geschieht es etwa seit den 80er-Jahren mit dem Bayer-Kreuz in Leverkusen, das für einige Wochen im Jahr dunkel bleibt. Doch auch Haupt weiß, dass der Konflikt zwischen Architektur und Vogelschutz nicht gänzlich entschärft werden kann. Umso mehr hofft er auf bewussteren Umgang mit Lichtquellen bei der Planung und Gestaltung von Gebäuden und Stadträumen.

Konkrete Maßnahmen, um ohne störenden Lichtüberschuss zu beleuchten, beschreiben die vom Schweizer Bundesamt für Umwelt herausgegebenen „Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen“ (www.bafu.admin.ch). Für den Vogelschutz hat sich Heiko Haupt drei davon herausgepickt: Licht sollte nur dort leuchten, wo es wirklich gebraucht wird; Licht sollte nicht in den freien Luftraum abstrahlen, was bedeutet, Effektbeleuchtung an Glasfassaden oder das Anstrahlen hoher Gebäude zu vermeiden. Und sein letzter Rat: möglichst überall Rollos und Jalousien einsetzen.

Ultraviolettes Spinnennetz

Vögel erkennen Glas gar nicht oder zu spät als Hindernis. Es gibt zahlreiche Methoden, Fenster und Glasflächen für Vögel sichtbarer zu machen, oft leiden jedoch Transparenz und Ästhetik darunter. Einen möglichen Kompromiss eröffnet die Tatsache, dass die meisten Vögel in der Lage sind, ultraviolettes Licht wahrzunehmen. Ein UV-aktives Muster, das für Menschen wiederum ­unsichtbar und damit weniger bis gar nicht störend ist, sollte den Vogel vom Flug gegen die Scheibe abhalten können.

Das erforschten der Biologe Friedrich Buer und der Sozialwissenschaftler Martin Regner aus Neustadt/Aisch anhand des sogenannten „Spinnennetzeffekts“. Die Fäden von Radnetzspinnen reflektieren UV-Licht, was ihr Netz vor Zerstörung durch Vögel schützt. Da die Umgebung hinter dem Netz UV-Licht absorbiert, nimmt der Vogel die UV-reflektierenden Spinnenfäden als Hindernis wahr und meidet den klebrigen Kontakt. Nun reflektiert auch Fensterglas UV-Licht, wenn auch nur schwach.

Doch die Reflexion ist flächig und steht in keinem Kontrast zu UV-absorbierenden Bereichen – die Vögel können sie nicht erkennen. Erst ein UV-absorbierendes Muster auf der Scheibe lässt die Tiere auf die Reflexion reagieren. Die Erkenntnisse des Spinnenetzeffekts mündeten bereits in ein konkretes Produkt – den Birdpen, eine Art Textmarker, um Scheiben mit fast gänzlich transparenten, UV-aktiven Streifen zu versehen. Versuche im Max-Planck-Institut für Ornithologie, Vogelwarte Radolfzell, ergaben, dass 66 Prozent der anfliegenden Vögel den so behandelten Fenstern auswichen. Was sich bei kleinen Scheiben bis Wintergartengröße bewährte, soll jetzt in Feldversuchen auf große Glasflächen übertragen werden.

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