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[ Welterbe und Denkmalschutz ]

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Für den Schutz von Welterbestätten und ganzen Stadtlandschaften ist der Denkmalschutz oft zu schwach. Doch er kann von dort neue Impulse erhalten.

Die Landschaft droht durch die Waldschlösschenbrücke ihren Welterbestatus zu verlieren (Visualisierung und Entwurf Henry Ripke Architekten Berlin)

Heike Oevermann
Wenn der Bau der Waldschlösschenbrücke fortschreitet, wird das Elbtal Dresden von der Welterbeliste gestrichen. Das wäre ein einmaliger Vorgang. Schon seit 2006 steht das Elbtal auf die Roten Liste des gefährdeten Welterbes – neben Weltkultur- und Naturstätten etwa aus Afghanistan, dem Kongo, Iran und Jemen. Aus Europa sind dort neben Dresden nur Monumente im Kosovo enthalten. Die Spannung zwischen der Bewahrung historischer Substanz und urbaner Veränderung besteht aber auch anderswo auf unserem Kontinent: In Köln, Wien und Prag drohten und drohen Hochhausplanungen den Wert des Kulturerbes zu beeinträchtigen.

Massive Probleme gibt es auch in Budapest, wo Investoren im alten jüdischen Viertel Bürobauten errichten und dafür historische Bausubstanz abreißen. Die Liste lässt sich fortsetzen, betrachtet man auch noch im Maßstab kleinere und größere Fälle wie die angestrebte Erweiterung der Uffizien in Florenz und den Stadtentwicklungsdruck in Paris oder den geplanten Havelausbau in der Potsdamer Kulturlandschaft.

Bislang galt gerade in Europa der Denkmalschutz als Instanz, die Gefährdungen historischer Bausubstanz zumindest minimieren konnte. Doch heute kann er trotz großer Verdienste nicht mehr das einzige Instrument zur Erhaltung von historischer Substanz sein. Dafür gibt es drei ineinandergreifende Gründe: Erstens versagen die meisten Denkmalschutzgesetze, wenn der zu schützende Ort eine ganze Kultur- und Stadtlandschaft ist und nicht ein Einzelbauwerk oder Bautenensemble. Allerdings gibt es hier Ausnahmen: So hat Sachsen-Anhalt historische ­Kultur- und Stadtlandschaften schon 1991 explizit in sein Denkmalschutzgesetz aufgenommen.

Zweitens wächst der ökonomische Druck auf alle Städte, sodass über den Erhalt historischer Substanz vielerorts nicht Kriterien der Einzigartigkeit und Authentizität bestimmen, sondern wirtschaftliche. Und drittens erfährt der Denkmalschutz wenig gesellschaftliche Rückendeckung. Stellen werden massiv gekürzt, Bauherren diffamieren die angebliche Einmischung in private Angelegenheiten. Und die Überzeugungskraft des Denkmalschutzes schwindet weiter, wenn aufwendige Rekonstruktionen auch in seinem Namen vorgenommen werden – etwa im aktuellen Fall der Rekonstruktion zweier wilhelminischer, im Krieg zerstörter Kandelaber an der Charlottenburger Brücke durch die Stiftung Denkmalschutz Berlin.

Beflügelt Welterbe den Denkmalschutz?

Doch vielleicht wird umgekehrt ein Schuh daraus: Wenn der heutige Denkmalschutz als einziges Instrument zum Schutz des Welterbes womöglich nicht ausreicht, dann kann die Auszeichnung „Welterbe“ den Denkmalschutz hier im Land und anderswo neu beflügeln. So haben die Vorgänge in Dresden und die vielen Medienberichte darüber zahlreiche Denkanstöße gebracht. In der breiten Öffentlichkeit sollten sie um Positivbeispiele des Umgangs mit Welt- und anderem Kulturerbe bereichert werden; ein Muster bietet die Öffentlichkeitsarbeit rund um die „Himmelsscheibe in Nebra“. Für Fachleute ist dagegen eine wichtige Frage mit einer neuen Dringlichkeit aufgeworfen worden: Wie können wir unser historisches städtisches Gewebe erhalten und entwickeln, ohne entweder Stagnation oder Musealisierungen zu riskieren oder aber den Verlust von Tradiertem, Vertrautem, Bewährtem, kurz von Identität hinnehmen zu müssen?

Die gleiche Frage stellt auch die Weltkulturorgansiation Unesco seit ihrem Wiener Memorandum von 2005 einer breiten Fachöffentlichkeit. Es ist dem Management von historischen Städten gewidmet und stellt das Konzept der „historic urban landscape“ vor, das explizit die komplexen Prozesse der Stadtentwicklung und Urbanisierung einbezieht. Darin wird ein integrierender Weg gefordert, der zeitgenössische Architektur und eine nachhaltige Stadtentwicklung verbindet – unter Einbeziehung der Integrität der Stadtlandschaft auf Grundlage der historischen Strukturen, Bausubstanz und des Kontextes. Zeitgenössischer Architektur wird eine bedeutende Rolle für die kulturelle Produktion der Stadt zugestanden.

Dieser explizite Stellenwert ist neu in den offiziellen Dokumenten der Unesco – erfreulich für bauende Architekten, Stadtplaner und Landschaftsgestalter. Und er bleibt bei der bis 2010 geplanten Überarbeitung des Wiener Memorandums hoffentlich erhalten. Das Wiener Memorandum zeigt vor allem, dass sich die Aufgaben beim Umgang mit historischer Substanz verändert haben. Gegenwärtig setzt sich nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in der kommunalen Öffentlichkeit und Politik mehr und mehr die Auffassung durch, dass nicht nur der Erhalt einzelner Monumente wichtig ist, sondern auch der eines Stadtbilds, einer historisch gewachsenen Morphologie, eines von anderen Städten unterscheidbaren Raums.

Regensburg plant ein Besucherzentrum – womöglich etwas zu populär

Standortwerbung mit Unesco-Siegel

Aus solcher Einmaligkeit heraus kann nicht zuletzt ein Image kreiert werden, das die Städte im internationalen Wettbewerb benötigen. So werben Firmen im bayerischen Regensburg in Stellenanzeigen um die rar gewordenen Ingenieure mit dem Welterbestatus als weichem Standortfaktor von internationaler Bedeutung. Damit eröffnen sich Denkmalschützern neue Argumente und Aufmerksamkeiten. Dieses Potenzial zu erschließen, verlangt aber auch neue Prozesse und Instrumente für die vielerorts getrennt agierenden Bereiche Denkmalschutz, Stadtplanung und -entwicklung, Wirtschaftsförderung, Tourismus und Forschung. Ein solches Instrument ist „Hero“ – Heritage as Opportunity. So heißt ein europäisches Förderprogramm im Rahmen des Programms „Urbact II“ für nachhaltige Stadtentwicklung.

Hier wurde auch Regensburg mit seinem Konzept „Nachhaltige Managementstrategien für lebendige historische Stadtlandschaften“ aufgenommen. Auch andere Städte haben zum Teil Welterbestatus: Graz, Neapel, Vilnius, Sighisoara, Liverpool, Lublin, Poitiers, Valencia und Valletta. Für Ende November steht bei Urbact die finale Entscheidung über das Programm an; die zehn Partnerstädte planen für Anfang Dezember eine Startkonferenz in Poitiers.

Welterbe will vermittelt sein

Ein Projekt in Regensburg ist schon weit gediehen: Im Februar 2009 soll im alten Salzstadel aus dem 17. Jahrhundert ein Welterbezentrum entstehen, das vor allem Öffentlichkeitsarbeit leisten will. Zielgruppen sind Touristen und Bürger, Kinder und Jugendliche, Fachleute und Flaneure – eigentlich alle. Dies ist einerseits folgerichtig, da auch die Stadt als Welterbe ja für alle da sein soll. Andererseits lässt der Entwurf des Büros Bertron. Schwarz. Frey aus Ulm und Berlin Bedenken aufkommen, ob auch der Fachwelt etwas geboten wird. Nicht nur ist die Wortwahl „white cube“ für die Sonderausstellungen eher unglücklich – man denkt an Berliner Gegenwartskunst und nicht an Regensburger Welterbe.
Mehr Bedenken wecken aber die geplanten Angebote, etwa „Urbanoscopes“, mediale Fernrohre für eine visuelle Zeitreise durch die Stadt, Wunderkis­ten, Sitzecken und Aktionsstationen für Kinder. Das zielt auf Touristen. Ob aber die Regensburger oder gar die Fachleute öfter als einmal kommen? Ob sie nicht mehr Information, Austausch und Diskussion vermissen werden? Sollte es jedoch gelingen, das Thema Welterbe in seiner Komplexität zu vermitteln, wäre ein erster Schritt gegen Polemiken und Blockaden getan, wie sie in Dresden an der Tagesordnung sind.

Trotz einzelner Schwächen stehen die Chancen dafür gut: Die Akteure in Regensburg zeigen Energie, Mut und Kompetenz. Wenn sie mit ihren europäischen Partnern Wege finden, aus dem städtischen Erbe heraus Neues zu generieren, dabei Vitalität und Kontinuität der historischen Stadt zu verbinden – dann ist der Name „Hero“ berechtigt. Und der Denkmalschutz könnte neuen Aufwind erfahren, indem er die Interessen der unterschiedlichen Gruppen für sich nutzt.

Heike Oevermann ist Architektin und M.A. für World Heritage Studies.

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