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[ Linz ]

Linzer Orte

Ein Streifzug durch Europas Kulturhauptstadt 2009 mit Annäherung an die Donau, einem überdimensionalen Tischtuch und gut beschäftigten Architekten.

Der Hauptplatz in der Altstadt bietet mit zahlreichen Cafés und dem Informationszentrum zum Kulturhauptstadtjahr den besten Ausgangspunkt für eine Stadtbesichtigung. Die Donau und das höher gelegene Linzer Schloss sind fußläufig erreichbar.

Nils Hille
Nah am Wasser gebaut – dies ist eine neue Erfahrung für die Architekten in Linz. Jahrzehntelang passierte nicht viel am Ufer der Donau. Die meisten Gebäude und Grundstücke sind im Privatbesitz, doch nicht jeder pflegt sein Haus. So steht eine herausgeputzte zitronengelbe Villa neben einem heruntergekommenen graubraunen Schuppen. Doch langsam wandelt sich das Bild. Genau aus diesem Grund hat Architekt Christof Weidinger das Ufer als Start für die Führung durch seine Stadt gewählt.

Eines der neuen Gebäude ist die mit Glas verkleidete Betonbrückenkonstruktion von Weber und Hofer aus Zürich, die den Ausstellungsräumen des Lentos Kunstmuseums Platz bietet. Wie ein großer Fensterrahmen wirkt der sehr reduzierte Baukörper. Doch wer durch ihn hindurchblickt, sieht nicht aufs Wasser (dafür ist er zu hoch gebaut), sondern auf die andere Uferseite der Donau. „Außer der Reflexion in den Scheiben gibt es keinen direkten Bezug zum Fluss“, sagt Christoph Weidinger, dem das Gebäude dennoch gut gefällt. Genauso wie das Museumsrestaurant im Erdgeschoss, das er gerne empfiehlt (siehe „Kulinarisch“).

Die Flussbebauung schreitet auch am anderen Ufer voran, zu dem der Architekt nun hinüberzeigt. Er schaut zum Ars Electronica Center, auch „Museum der Zukunft“ genannt – das Neubauprojekt der Stadt, mit dem die meisten Hoffnungen der Linzer Architekten verknüpft sind. „Das Wiener Büro Treusch integriert in seinem Um- und Erweiterungsbau eine große Freitreppe am Fluss“, erklärt Weidinger. Die soll die Linzer ans Wasser ziehen. Eine Verdreifachung der Ausstellungsfläche ist mit der Veränderung ebenfalls verbunden (siehe „Kulturell“). Und passend zum Titel „Museum der Zukunft“ haben die Architekten an dieses Symbol für den IT-Standort Linz eine Medienfassade gesetzt. „Sie bietet dem nachts beleuchteten Lentos einen Gegenspieler am anderen Ufer.“

Stadtgeschichten

Von dem Duo führt Weidingers Weg den innerstädtischen Berg hinauf zu einem dritten Museum: dem Linzer Schloss. Es thront über der Stadt und wird in wenigen Minuten über einen steilen Aufgang erreicht. In der aktuellen Ausstellung des Museums „Kulturhauptstadt des Führers“ setzt sich die Stadt selbstkritisch mit ihrer NS-Vergangenheit und Hitlers Bauplänen auseinander (siehe „Erlebenswert“).

Sehenswert ist auch die Museumserweiterung durch den Südflügel. 1800 brannte er ab, nun baut HoG Architektur bis Mitte des Jahres an gleicher Stelle neu. Als „eine gläserne, schwebend wirkende Brücke, mit der Rund- anstatt Endgänge in dem Ausstellungsbereich entstehen“, beschreibt Weidinger begeistert die Veränderung. Sie bringt dem Museum 6 000 Quadratmeter Platz für zwei neue Dauerausstellungen zur Natur- wie zur Technik- und Wirtschaftsgeschichte von Ober­österreich.

Über Treppenstufen geht es an der anderen Seite vom Schlossberg hinunter in die Altstadt. Nach und nach werden deren Häuser renoviert und umgenutzt. Viele junge Architekturbüros haben dabei in dem Viertel ihren Standort gefunden. Auf dem Hauptplatz wurde vor einem Gebäude ein überdimensionales Tischtuch aufs Pflaster gemalt. „Es ist angerichtet“ ist die einladende Botschaft für die Kulturhauptstadtgäste in diesem Jahr. Wer dieses Tischtuch überquert, gelangt in das Informationszentrum zum Festjahr. Christof Weidinger führt uns aber daran vorbei, weiter Richtung Graben 3, einer Adresse des Projekts „Pixelhotel“. Gemeinsam mit drei Kollegen hat er zum Kulturjahr Zimmer in leer stehenden Gebäuden eingerichtet, immer individuell passend zur Geschichte des Standorts. Dabei ergänzen sie nur Einrichtungen, die für den Übernachtungskomfort nötig sind. „Wir wollen damit Orte erlebbar machen, an die man sonst nicht gelangen könnte“, erklärt er (siehe „Entspannend“).

Wechselnde Akustik

Wenige Meter weiter in der belebten Straße namens Graben zeigt Weidinger zum Café Stern, das er als den „Treffpunkt der Linzer Kunst- und Kulturszene“ empfiehlt (siehe „Kulinarisch“). Doch auch hier hinein zieht es ihn nicht, sondern weiter in die Seitenstraße. Und plötzlich ist es still. „Das ist oft in Linz so, dass hier Ruhe und Lärm nahe beieinander liegen“, erklärt er. Die passende Aktion „Hörstadt“ wird sich das ganze Jahr über mit den Geräuschen der Stadt auseinandersetzen (siehe „Erlebenswert“).

Versteckt hinter Bäumen und einer Baustelle liegt Weidingers nächstes Ziel: die Synagoge in der Betlehemstraße. Der Bau von Friedrich Goffitzer für die Israelitische Kultusgemeinde ist Ende der 60er-Jahre an dem Ort neu entstanden, an dem bis zum Zweiten Weltkrieg eine Synagoge stand. Auf einem mit Granitsteinen gepflasterten Plateau wirkt sie viel höher, als sie eigentlich ist. Um die abgerundeten Ecken des früher einmal weißen und jetzt leicht ergrauten Kubus streicht das Sonnenlicht. „Man merkt die Spuren der Zeit, was aber nicht stört. Besonders sehenswert ist der klassische Zentralraum, den Fritz Fröhlich mit Wandmalereien gestaltet hat“, sagt Weidinger. Wer ihn sehen will, muss sich vorher anmelden.

Einen Block weiter in der Gruberstraße geht der Architekt schnurstracks auf ein Gebäude zu und bleibt davor stehen. „Die meisten nehmen das Bürogebäude der Oberösterreichischen Versicherung gar nicht wahr, doch ein genaue­rer Blick lohnt sich.“ Interessant findet Weidinger vor allem die Aluminiumfassade, mit der die Arbeitsgruppe aus acht Linzer Architekten ihr Gebäude ausgestattet hat. Sie verleiht dem über 30 Jahre alten Bau immer noch „etwas Frisches und Fortschrittliches“, wie Weidinger findet: „Statt eine Tiefgarage zu bauen, wurde das Gebäude für Parkplätze auf Stelzen gesetzt. Es wirkt deutlich neuer als das Nebengebäude, das erst über zehn Jahre später folgte.“ Nur für die große Klimaanlage haben die Betreiber keinen unauffälligen Platz gefunden. Sie steht deutlich sichtbar hinter dem offenen Parkplatz.

Paradies für Architekten

Linz hat mehr Arbeitsplätze als Einwohner – darauf weisen die Bewohner immer wieder stolz hin. Oberösterreich und seiner Hauptstadt geht es wirtschaftlich gut. Viele kleine Firmen, die auch international tätig sind, haben sich hier niedergelassen. Die Banken machen gute Geschäfte und haben große, fast schon überdimensionale Gebäude errichtet. „Wir Architekten haben genug zu tun und wenig zu klagen“, sagt auch Weidinger, als er an einer Großbaustelle für neue Wohn- und Geschäftshäuser vorbeiführt. Er und seine beiden Kollegen, die gemeinsam das Büro „any time“ bilden, sind zufrieden mit der Auftragslage. „Auch als junges, neues Team sind wir schnell beschäftigt gewesen.“ Und die positive Situation hält auch nach Abschluss der Arbeiten für das Kulturhauptstadtjahr an.

Die Linzer Stadtentwicklung wird in diesem und den nächsten Jahren ein großes Thema sein. Weitere Lebens- und Arbeitsräume müssen geschaffen werden. Weidinger geht zu einer großen, im Touristenstadtplan rein weiß eingezeichneten Fläche. Sie symbolisiert ein Gebiet, auf dem gerade eine solche Nutzung neu entsteht. „Das ist hier eine typische Vorgehensweise. Zuerst wird alles plattgemacht und dann gezielt neu geplant“, erklärt er.

Reinhard Drexel und Gerhard Zweier aus Hohenems haben in diesem Fall die Entwürfe übernommen. Die Wohnungsgesellschaft und die Landeswohnungsgenossenschaft bauen nun nach den Plänen auf dem rund 35 000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Landesfrauenklinik 415 Wohneinheiten – in mehreren Punktbauten und einem Wohnriegel. „Solche Projekte sind gut für die Stadt. Ich finde es nur schade, dass ein langes Gebäude entstehen muss. Auf der Seite des Grundstücks gibt es jetzt schon einen guten Blick auf Begrenzendes“, kommentiert Weidinger.

Er spielt damit auf die nebenstehenden Austria-Tabakwerke an, den wohl mächtigsten Bau der Stadt von Peter Behrens und Alexander Popp. Nur noch bis Ende des Jahres wird das Gebäude für den eigentlichen Zweck genutzt. Über das Danach wird diskutiert und spekuliert, auch von unserem Stadtführer: „Eine Mischung aus Wohnungen und Kultur wäre hier gut.“

Rein- und rausgeschaut

Bevor Weidinger einmal halb um das Areal läuft, biegt er in der Lederergasse kurz zur Pfarrkirche St. Severin von Franz Wiesmayr ab. „Im elliptischen Zentralraum hat der Architekt durch ein an Höhe gewinnendes Band von bunten Glasfenstern gelungen mit unterschiedlichen Lichteinfällen gespielt“, sagt Weidinger. Als stimmig sieht er auch das Parkbad mit Eishalle zwischen Tabakwerken und Donauufer an. Curt Kühne errichtete 1930 den Bau, den die Arbeitsgemeinschaft aus den Büros Riepl Riepl und Johannes Kaufmann nun verändert und erweitert hat.

Das Gebäude erhielt einen veränderten Eingangsbereich und modernisierte Garderobenräume. Die Eishalle und ein Parkhaus kamen neu hinzu. Mit der Umgestaltung der Saunalandschaft werden gerade die letzten Schritte vorgenommen. „Attraktiv, einladend und eine grüne Oase der Erholung in der urbanen Hektik soll es werden“, wünscht sich die Stadt auf ihrer Homepage. Weidinger gefällt die Öffnung des Gebäudes durch große Scheiben zur stark befahrenen Straße hin, über die die Bürger viel diskutieren. „Wenn es draußen dunkel ist, wirkt es, als führen die Besucher direkt neben der Straße Schlittschuh.“

Bald dahinter steht das Brucknerhaus, benannt nach Oberösterreichs bedeutendstem Komponisten Anton Bruckner. „Auch dieser Bau war erst umstritten, jetzt liebt ihn jeder“, erklärt Weidinger zu dem von Kaija und Heikki Siren 1974 errichteten und von Roland Ertl im Jahr 2000 sanierten Gebäude. Rund 200 Konzerte und andere Veranstaltungen finden jedes Jahr in dem Haus direkt an der Donau statt, das für seine akustischen Qualitäten bekannt ist (siehe „Kulturell“). Und seine gebogene Glasfront zeigt, wie auch in Linz schon seit Jahrzehnten Architektur wirken kann, die nah am Wasser gebaut ist.

Kulinarisch

Restaurant Lentos Gelungene Kombination aus Gastronomie und Innenarchitektur im Kunstmuseum. Auch zur Mittagszeit ist eine Reservierung empfehlenswert.

Stern Café Bar Zentral im Linzer Citykino gelegen. Auf der Speisekarte stehen italienische Kaffeespezialitäten, Pastagerichte, Antipasti und Süßspeisen.

Herberstein Mehrfach ausgezeichnetes Restaurant in der Innenstadt. Europäische und asiatische Elemente in der Architektur und in den Speisen.

Stieglbräu zum Klosterhof Das Traditionshaus in Linz. In einem denkmalgeschützten Herrenhaus gelegen. Mit 1 500 Plätzen Oberösterreichs größter Biergarten.

Kulturell

Ars Electronic Center Das „Museum der Zukunft“ bietet Einblicke in digitale Welten. Interaktive Experimente mit den neusten Medien und Technologien sind möglich.

Brucknerhaus Drei Säle mit bis zu über 1 500 Plätzen bieten kleinen wie großen Veranstaltungen des abwechslungsreichen Programms einen passenden Rahmen. Spezielle Konzerte zum Kulturhauptstadtjahr.

Landestheater 1670 als ständische Reitschule errichtet, heute Großes Haus und Kammerspiele. 2011 soll das neue Gebäude „Blumauerplatz“ am neuen Musiktheater eröffnen.

Entspannend

Pixelhotel Die Zimmer und Suiten sind im Linzer Stadtraum verteilt, zum Beispiel in einem Geschäftslokal, in einer Hinterhofwerkstatt oder auf einem Schiff.

Landgraf Hotel & Loft Zentrales Viersternehotel neben dem Ars Electronic-Center und somit nahe der Donau. Sehr stilvoll eingerichtete Zimmer, Suiten und Lofts.

Spitz Hotel Neues Lifestylehotel am Ufer der Donau. Moderne, helle Räume mit Designeinrichtung und individueller künstlerischer Gestaltung.

Erlebenswert

Kulturhauptstadt des Führers</strong Geplante und realisierte Projekte der NS-Kulturpolitik. Das Schlossmuseum zeigt die Ausstellung zu Hitlers Plänen.| bis 13. April

Crossing Europe Festival Jung und eigenwillig – rund 150 Spiel- und Dokumentarfilme des zeitgenössischen Autorenkinos werden innerhalb einer Woche gezeigt.| 20. bis 26. April

Hörstadt Bewusstes Hören ist das Motto der Kampagne gegen Zwangsbeschallung. Verschiedene Maßnahmen sollen das Gehör entspannen und schärfen.| ganzjährig

Good Night Stuff Linzer Künstler spielen gemeinsam mit internationalen Musikern an bisher unmusikalischen Orten. Die elektronische Musik ist zum Beispiel unter Autobahnrampen und im Container­hafen zu hören.| ganzjährig

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