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[ Kaiserslautern ]

Haften bleiben

Eine Führung durch Kaiserslautern mit gemütlichen Gefängniszellen, einem Hochhaus mit Liebe zum Detail und kulinarischer Vielfalt.

Nils Hille

Hinter Gittern zu sitzen wirkt! Es macht viel Lust, die Umgebung nicht nur durch Stäbe aus der Ferne zu sehen, sondern sie ohne Sicht- und Bewegungsblockade zu erleben. Geschickt haben Gerold Reker, Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, und Michael Burghaus, Sprecher der Architektenkammergruppe Kaiserslautern, die ehemalige Justizvollzugsanstalt als Ausgangspunkt für ihre Städtetour gewählt und stehen nun in einer der kleinen Zellen.

„Seit fast zwei Jahren müssen Sie hier für die Nacht hinter Schloss und Riegel sogar Geld bezahlen“, erklärt Reker, während er sich in dem begrenzten Raum umschaut. Ab 45 Euro erleben die Gäste des „Hotels Alcatraz“ das Gefängnisgefühl – da, wo früher die verurteilten Verbrecher saßen. Durch einen Umbau ist aber einiges an Komfort hinzugekommen. Moderne Sanitäranlagen, Flachbildfernseher und die eigene Schlüsselgewalt der Besucher machen die Übernachtung in den Originalhaftraumbetten zu einem mehr als erträglichen Erlebnis. Daneben bietet das Alcatraz auch Zimmer mit großen Fenstern ohne Gitterstäbe und mit separaten Bädern (siehe „Entspannend“).

Hinter Gittern: Der Eingang zum Hotel Alcatraz

Die beiden Architekten führen aus dem trotzdem einschüchternden Gebäude heraus. Der ehemalige Gefangenentransporter, der vor dem Eingang steht, verstärkt diesen Eindruck noch einmal. „Auf Wunsch können Sie sich damit vom Frankfurter Flughafen abholen lassen“, erklärt Burghaus. Reker verlässt den Ort mit gemischten Gefühlen, aber aus anderen Gründen.

Für die gegenüberliegende Kreisverwaltung hat sein Büro den Wettbewerb um die Erweiterung gewonnen. Die Umsetzung der Pläne war schon vereinbart, als zwei Insassen aus dem damals noch nicht stillgelegten Gefängnis fliehen konnten. „Das Sicherheitsrisiko wurde neu bewertet und die Erweiterung der Kreisverwaltung war gestorben“, erzählt der Architekt, während er eine Ecke weiter zur Pfalzgalerie führt.

Aus zwei mach vier

Der Museumsbau von Karl Spatz im Stil der italienischen Renaissance lässt von außen eine andere Aufteilung vermuten, als sich im Inneren zeigt. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade von 1875 nach den ursprünglichen Plänen wiederaufgebaut. Zwischen der ersten und zweiten Ebene wurde jedoch ein niedriges Geschoss eingezogen.

Oben drauf kam eine vierte Etage hinzu. Das frühere Gewerbemuseum, heute Pfalzgalerie, zeigt Malereien und Plastiken aus dem 19. bis 21. Jahrhundert. „Besonders sehenswert sind die Originalzeichnungen von Peter Behrens“, empfiehlt Burghaus bei einem kurzen Blick in die Ausstellung. Behrens’ Tochter Petra hat der Pfalzgalerie die Werke zur Verfügung gestellt (siehe „Kulturell“).Reker und Burghaus ziehen weiter hinunter auf einen Übergang über die kreuzende, stark befahrene Straße. Eine Horde Pennäler kommt ihnen entgegen. „Kaiserslautern ist ein großer Schulstandort.

Wir haben 36 Einrichtungen, in die rund 20 000 Schüler gehen“, sagt Burghaus. Für unter 100 000 Einwohner eine wirklich beeindruckende Zahl, die auch durch Eliteschulen, Internate und berufsbildende Schulen zustande kommt. An dieser Stelle zeigt die Stadt auch einen Teil ihrer alten Mauer. Informationstafeln am Rande der Ausgrabung geben Auskunft über die bedeutendsten Funde der Siedlungsgeschichte, die in den Jahren 1990 bis 1992 entdeckt und in Ausschnitten freigelegt wurden.

Das Pfalztheater wurde 1995 eröffnet.

Die Fußgängerbrücke schließt seitlich an das Pfalztheater an. Beisert, Wilkens und Grossmann-Hensel bauten die Kulturstätte, die 1995 eröffnet wurde. Seitdem hat Kaiserslautern ein Dreispartentheater und darin durch einen eigenen Chor und ein eigenes Orchester über 300 Beschäftigte. „Vor allem die kleinere Spielstätte, Werkstattbühne genannt, bietet ein sehr experimentelles Programm. Für mich der beste Bereich“, sagt Burghaus. Reker nickt.

Spitzengenuss

Das Haus der Kultur wird durch das der Stadtpolitik deutlich übertrumpft – in der Größe. Neben dem Theater steht das Rathaus in Wolkenkratzerformat. Roland Ostertag hatte das Gebäude eigentlich für den Paradeplatz in Mannheim geplant, doch die Stadt hatte Finanzierungsschwierigkeiten.

Schließlich wurden die 22 oberirdischen Stockwerke leicht verändert in Kaiserslautern aufeinandergesetzt. Von außen  ist der graue Turm für manchen gewöhnungsbedürftig, doch den beiden Stadtführern gefällt er, wie Reker auf dem Weg ins Innere erklärt: „Eine saubere Ausführung und Details, die bestechen, aber heute leider nicht mehr finanzierbar sind.“ Diese Feinheiten kann sich jeder schon bei der aufwendigen Verarbeitung der Treppe in dem öffentlichen Gebäude anschauen. Am besten ist ein Besuch abends, wenn auch der Blick über die Stadt bei Speis und Trank möglich ist.

„Das Bistro ‚Twenty One‘ im 21. Obergeschoss bietet mit einer sehr modernen Einrichtung die Möglichkeit dazu“, so Burghaus (siehe „Kulinarisch“).

Wieder draußen wählen die Architekten den Weg erneut vorbei am Pfalztheater und über die Martin-Luther-Straße in die Altstadt. „Man hat sie lange Zeit verfallen lassen. Doch durch einen großen Wettbewerb kehrte nach und nach wieder Leben ein“, sagt Reker, während er auf die Kleine Kirche zugeht. Das beschauliche rechteckige Gotteshaus ohne Seitenschiff und Chor war als einziges protestantisches von den Bomben im Zweiten Weltkrieg verschont geblieben. Trotz der dadurch entstandenen Verbundenheit der Christen mit ihr feierten sie von 1978 an keine Gottesdienste mehr darin – so lange, bis die Kirche Anfang der 90er-Jahre renoviert wurde.

Unter einem Gebäude hindurch führen Reker und Burghaus zum St. Martinsplatz, den Gräf Architekten umgebaut haben. Das „Tor zur Altstadt“ beantwortet mit zahlreichen Cafés und Restaurants jede kulinarische Frage. Vor allem wegen der amerikanischen Soldaten kann sich die Stadt über eine reichhaltige Gastronomieszene freuen. „Hier setzt sich der Lauterer einfach hin und trinkt einen Kaffee. Im Sommer ist der Platz voller Menschen“, erzählen die beiden Planer. Auch die Spoliensäule wollen sie nicht unerwähnt lassen. Sie zeigt Architekturteile aus sechs Jahrhunderten Stadtgeschichte. Bildhauer Richard Menges und Architekt Heinz Loch gestalteten das Symbol 1976.

38 Jahre zuvor, im Jahr 1938, wurde ein besonderer Teil der Kaiserslauterner Architektur zerstört: die Synagoge, zu deren Denkmal die beiden Stadtführer nun gehen. Das orientalisch-romanische Gebäude von Ludwig Levy passte den Nationalsozialisten nicht und wurde schon am 31. August 1938 abgerissen, Monate vor den Pogromen in ganz Deutschland. „Ein Stück Orient verschwindet“, schrieb die gleichgeschaltete Presse. Nun steht hier ein zweiteiliges Fragment, das damals der Sprengung des Gebäudes widerstand, per Hand abgerissen wurde und seit 2002 als Symbol maßstabsgerecht wiederaufgebaut ist. „Mit den Sichtgeräten, die hier stehen, können Sie eine virtuelle Rekonstruktion der Synagoge betrachten“, erklärt Burghaus.

Das Hussong-Gebäude in der Fischerstraße

Gerne mehr davon

Reker und er wollen aber lieber ein Stück weiter etwas Reelles ansehen. Hier heißt die Straße Fischerstraße und steht mit ihrem Namen für eine mehrflügelig repräsentative Anlage von Hermann Hussong. Der Architekt und Stadtplaner hat von 1909 bis 1933 das Bild Kaiserslauterns geprägt. Erst durch den Waldfriedhof, der später als Muster für andere Anlagen in Deutschland diente. Dann, auf Anfrage der französischen Besatzung, durch Planung des symmetrischen Baukörpers entlang der Fischerstraße. „Hier sind sehr schöne, große Wohnungen drin, in denen noch heute vor allem Ärzte und Anwälte leben“, schwärmt Reker. Und Burghaus ergänzt: „Noch an mehreren anderen Stellen in unserer Stadt sieht man die guten Ergebnisse von Hussongs Arbeit. Sehr schade, dass er nicht länger wirken konnte.“

Am Stiftsplatz stand an einer Seite der 2000 renovierten Fläche lange Zeit ein verlassener Rohbau. Eigentlich sollte dort ein Hotel eröffnen, doch der Investor ging pleite. Jetzt ist dort das ansehnliche „Saks Urban Design Hotel“ eröffnet, entworfen vom bereits genannten Büro Gräf .  Auf dem Platz davor ist samstagmorgens immer viel los. „Die Stadt trifft sich auf dem Markt, dessen Auswahl nach der des Münchener Viktualienmarkts eine der besten Deutschlands ist“, erklärt Reker. Auf einer anderen Seite des Platzes gibt es auch eine architektonisch positive Entwicklung. Der Umbau der Stadtsparkasse – eben falls vom Büro Gräf mit einer Fassade aus gelbem Sandstein sticht leuchtend hervor.

Hinter den von außen sichtbaren zwei Geschossen stehen dem Museum Pfalzgalerie seit dem Wiederaufbau vier Etagen zur Verfügung.

Burghaus treibt der Hunger weiter. Gezielt geht er in die Schillerstraße, zum Pflichtlokal für Besucher der Stadt. Eine alte Holztür führt die Architekten in das „Spinnrädl“, das einzige Fachwerkhaus Kaiserslauterns (siehe „Kulinarisch“). Die Kellner servieren in der Wein- und Bierstube Pfälzer Spezialitäten. Der junge und der ältere Architekt sind sich einig: „Die heimelige Atmosphäre können wir einfach genießen. Wie schon vor Jahrzehnten treffen sich hier alle Generationen.“ Auch hier zu sitzen wirkt – ganz ohne Gitter an den Fenstern.

Entspannend

Hotel Altes Zollamt Am Rande der Innenstadt, in ruhiger, zentraler Lage. 33 modern eingerichtete Zimmer im Viersternekomfort.

Wartenberger Mühle Viersternehaus, zwölf Kilometer nördlich von Kaiserslautern. Individuell eingerichtete Zimmer mit Objekten von Künstlern aus der Region.

Hotel Alcatraz Gefängnishotel am Japanischen Garten mit Zellen und normalen Zimmern. In wenigen Minuten zu Fuß in die Altstadt.

Erlebenswert

Japanischer Garten Zur ersten Landesgartenschau in Rheinland-Pfalz im Jahr 2000 eröffnet. Aus einem verwilderten Park ist eine Anlage nach bildkompositorischen Gesetzen entstanden.

Kammgarn Zahlreiche Konzerte und Festivals auf dem Gelände einer früheren Spinnerei.

Fritz-Walter-Stadion Nach dem Umbau zur Fußballweltmeisterschaft 2006 durch Fiebiger Architekten finden fast 50 000 Zuschauer im Stadion des 1. FC Kaiserslautern auf dem Betzenberg Platz.

Das Restaurant Spinnrädl mitten in der Fußgängerzone bietet Pfälzer Spezialitäten.

Kulinarisch

Twenty One Bar Lounge und Café im 21. Stockwerk des Rathausturms. Speisen undGetränke beim Blick über Kaiserslautern.

www.21-lounge.de

Spinnrädl Das Traditionslokal der Stadt als Treffpunkt aller Generationen. Im Angebot sind unter anderem auch zahlreiche Pfälzer Weine und Speisen.
www.spinnraedl.de

Julien Eigenwillig eingerichtetes Restaurant im Pariser Bistro Stil. Gute französische Küche und freundlicher Service.
www.restaurant-julien.de

Kulturell

Museum Pfalzgalerie Malerei und Plastiken des 19. bis 21. Jahrhunderts, ergänzt durch kunsthandwerkliche Exponate aus verschiedenen Epochen und Kulturkreisen. www.pfalzgalerie.de

Pfalztheater Dreispartenhaus mit Musik­theater, Schauspiel und Ballett. Vorstellungen im Großen Haus und auf der Werkstattbühne. www.pfalztheater.de

Fruchthalle Vielfältiges Musikangebot mit Kammer-, Sinfonie- und Familienkonzerten. August von Voit baute die frühere Markthalle nach dem Vorbild des Palazzo Medici in Florenz. www.kaiserslautern.de/fruchthalle

Twenty One Bar Lounge und Café im 21. Stockwerk des Rathausturms. Speisen und Getränke beim Blick über Kaiserslautern.
www.21-lounge.de

Spinnrädl Das Traditionslokal der Stadt als Treffpunkt aller Generationen. Im Angebot sind unter anderem auch zahlreiche Pfälzer Weine und Speisen.
www.spinnraedl.de

Julien Eigenwillig eingerichtetes Restaurant im Pariser Bistro Stil. Gute französische Küche und freundlicher Service.
www.restaurant-julien.de

Kulturell

Museum Pfalzgalerie Malerei und Plastiken des 19. bis 21. Jahrhunderts, ergänzt durch kunsthandwerkliche Exponate aus verschiedenen Epochen und Kulturkreisen. www.pfalzgalerie.de

Pfalztheater Dreispartenhaus mit Musik­theater, Schauspiel und Ballett. Vorstellungen im Großen Haus und auf der Werkstattbühne. www.pfalztheater.de

Fruchthalle Vielfältiges Musikangebot mit Kammer-, Sinfonie- und Familienkonzerten. August von Voit baute die frühere Markthalle nach dem Vorbild des Palazzo Medici in Florenz. www.kaiserslautern.de/fruchthalle

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