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[ Brandschutz: Fluchtweg ]

Brillanter Ausstieg

Damit ein Dachgeschossausbau nicht am zweiten Fluchtweg scheitert, hat Architekt Tassilo Soltkahn eine Fluchtgaube entwickelt, die jetzt patentiert wurde.

Im Ernstfall wird die Dachfläche einfach nach außen geklappt. Dahinter befinden sich Trittstufen sowie die vorschriftsmäßige Fluchtwegöffnung.

Marion Goldmann
Von der Straße aus sind die kleinen Fledermausgauben auf dem Dach des sanierten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes in der Potsdamer Spornstraße kaum zu sehen. Trotz ihrer geringen Größe wurden sie dank einer speziellen Lösung als Fluchtweg anerkannt. Im Not- oder Brandfall lässt sich die Dachfläche unmittelbar vor der Gaube (auch als Gaupe geläufig) einfach nach außen klappen. Dabei werden auf der Innenseite gleichzeitig zwei Stufen für die zu rettenden Personen in Trittstellung gebracht.

Zuvor hatte das Mehrfamilienhaus schon viele Jahre leer gestanden. Die Bausubstanz war derart schadhaft, dass die Instandsetzung nur noch durch die Schaffung zusätzlicher Nutzfläche im Dachgeschoss wirtschaftlich wurde. Genau dieser Ausbau erwies sich jedoch als Problem, denn die Denkmalschutzbehörde forderte den Erhalt der Dachfläche in ihrer ursprünglichen Form. Der Knackpunkt dabei: Der üblicherweise entweder über große Dachflächenfenster oder Gauben realisierbare zweite Fluchtweg ließ sich aufgrund der kleinen originalen Fledermausgauben bei diesem Objekt nicht realisieren.

Das Baurecht fordert pro Wohnung eine Öffnung von mindestens 0,9 mal 1,2 Metern zur Straße hin, um der Feuerwehr das Anleitern zu ermöglichen. Aufgrund der besonderen historischen Bedeutung des Objekts hatte die Denkmalschutzbehörde die sonst häufig angewandte Alternative von giebelseitig angebrachten Feuerleitern ebenfalls abgelehnt. Damit war die Planungsaufgabe klar umrissen: Es galt, für den zweiten Fluchtweg eine individuelle L­ösung zu schaffen. Tassilo Soltkahn: „Ich hatte schon zu Beginn die Idee, mit der Fledermausgaube zu arbeiten.“ ­Etwa 15 Jahre ist das Architekturbüro im Denkmalschutz tätig und gehört in Potsdam inzwischen zu den besonders anerkannten auf diesem Gebiet.

Der Notausstieg: Schnitt durch das bewegliche Dachelement im Normalzustand (l.), im Brandfall (r.)

Öffnen wie von Zauberhand

Nachdem die Idee der ausklappbaren Dachfläche technisch realisierungsreif war und gemeinsam mit der Schlosserei Willi Ludwig aus Geltow ein Modell erstellt worden war, demonstrierte man den Beteiligten das Vorhaben. Unter Vorbehalt des Nachweises der Funktionstüchtigkeit im eingebauten Zustand stimmten Behörden und Feuerwehr dieser Möglichkeit mit folgenden Auflagen zu:

  • Im geschlossenen Zustand muss der Fluchtweg in der Dachlandschaft unsichtbar bleiben und
  • die „ausklappbare“ Dachfläche darf sich nicht nur ausklappen, sondern muss sich über die Traufe hinwegheben lassen.

Gleich zwei der Fluchtweggauben wurden schließlich in dem Gebäude realisiert. Kostenpunkt pro Stück: circa 4 500 Euro. Das Patent dafür hat Soltkahn vor Kurzem erhalten. Der Preis sei deutlich geringer als Alternativen wie Feuerleitern, die die Fassade zudem optisch beeinträchtigen.

Bautechnisch wurde der Austritt wie ein Balkon hergestellt. Der klappbare Teil der Dachfläche stellt demnach lediglich einen Sichtschutz dar, der die 0,9 x 1,2 Meter große Fensteröffnung in der Gaube nach außen hin völlig verdeckt. Je nach Größe der Fluchtgaube ist dieses Öffnungsmaß in bestimmten Grenzen variabel. Alle konstruktiven und bauphysikalischen Anforderungen, wie der Wärme- und Feuchteschutz, werden von der Dachkonstruktion übernommen. Gemäß Landesbauordnung ist für diese Art des Fluchtweges keine Bauartzulassung erforderlich. Prinzipiell lässt sich der klappbare Teil der Dachfläche Dachneigungen von etwa 25 bis 50 Grad in Schritten von wenigen Zentimetern anpassen.

Wesentlich für die Funktionstüchtigkeit war außerdem, dass den ausklappbaren Teil auch schwächere Personen leicht öffnen können. Diesen leichtgängigen Hebelmechanismus ermöglichen Gasdruckfedern. Gleichzeitig hat der Architekt damit sichergestellt, dass das System netz­unabhängig und weitestgehend wartungsfrei funktioniert. Tassilo Soltkahn: „Wir hatten die Behörden zwar im Vorfeld von der Lösung überzeugt. Aber erst die Schlussabnahme zeigt, ob die Funktionstauglichkeit bestätigt wird.“ Davon jedoch war selbst die Feuerwehr positiv überrascht. Von unten sei die Rettungsstelle gut zu sehen, was die Arbeit der Feuerwehrleute sehr erleichtere. Auch befänden sich die gefährdeten Personen außerhalb des Brandherdes im Freien und können dem Brandrauch damit schnell entkommen. Allein dadurch bietet die Fledermaus-Fluchtweggaube Vorteile gegenüber anderen Lösungen.

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