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Auch wir sind jetzt Papst

Der Vatikan der Moderne hat einen neuen Oberhirten.

Roland Stimpel

Weißer Rauch quillt aus dem Fernheizwerk Dessau-West. Ein neuer Stellvertreter Gropii auf Erden ist gekürt; schon thront Philipp Kardinal Oswalt auf dem Heiligen Stahlrohrstuhl und droht allen Ketzern: „Das Label Bauhaus hat eine ungeheure Macht.“ Zwar war die große Zeit der Weißen Kirche schon vor 80 Jahren, doch gerade drum bläst sie Weihrauch in Wolkengröße um den von ihr verkörperten Fortschritt von vorgestern.

184mal fand Google auf der Bauhaus-Website das Wort „Avantgarde“. Eine der ersten Enzykliken ihres frischen Oberhaupts preist die „klassische Avantgarde“ – ein dialektisch-raffinierter Blick zurück nach vorn, von dem der Kollege in Rom noch was lernen kann. Von dort hat wiederum der Neue in Dessau gelernt, dass es auf Spiritualität und Transzendierung ankommt: „Wir brauchen zuerst Analyse, Reflexion. Das ist es, was das Bauhaus heute leisten kann.“ Kein Bodenkontakt wird den Mythos beschmutzen: „Wir sind heute nicht mehr entwerferisch tätig, wir bauen keine neuen Siedlungen.“

Doch er meditiert nicht nur, er exorziert seit Jahren auch. In der Seele Berlins wütet der schlüterschwänzige, ornamenthufige, barockbocksbeinige Boddien. Hat der Dessauer Papst recht (und er ist ja jetzt unfehlbar), dann frisst der Stadtschloss-Satan die Scherflein selbst, die ihm arme Witwen in den schwarzen Opferstock tun. Im Fassaden-Harmageddon hilft ihm die anwaltliche Offenbarung des Johannes Eisenberg, eines Apokalyptischen Paragrafenreiters in Sachen Presserecht.

Und wahrlich gewann er vor dem Jüngsten Landgericht gegen den Ungeist, der stets mehrfach verneint. Wenn wir den verschachtelten Streit nicht falsch verstanden haben, war Oswalts Behauptung nicht falsch, dass Boddiens Behauptung falsch sei, dass Oswalts Behauptung, dass diese und jene Behauptung Boddiens über sein Finanzgebaren falsch sei, falsch sei. Eine Kernfrage der Architekturdiskussion – endlich ist sie entschieden.

Aber das Böse weicht nicht, sondern unterwandert gar das Reich des Gerechten. Dessau schien von der Sünde der Rekonstruktion so fern wie der Petersplatz von der Reeperbahn. Doch die Mephistos sind auch hier: Ausgerechnet Gropius’ kriegszerstörtes Wohnhaus wollen sie neu aufbauen. Walter im Himmel, hilf!

Leserkommentar zu diesem Artikel:  1

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