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[ Wie Farben wirken ]

Kindgerecht statt kunterbunt

Farbgestaltung im Kindergarten soll nicht nur das Umfeld der Kleinen dekorieren.

Kindergarten „Sonnenschein“ in Leinefelde/Thüringen (Architektur und ­Farbentwurf: Ottmar Stadermann, Hausen/Thüringen): Farbenfrohe Fassaden sind kombiniert mit Baukasten-Formen.

Marco Bock

Wonach greift ein Kind spontan, wenn es die Wahl zwischen einem Vollkornbrot und einem Bonbon hat? Und wie sieht es aus, wenn es sich zwischen einem knallroten und einem dezent grauen Ball zu entscheiden hat? Aus der Sicht von Erwachsenen ist die Sache schnell klar: Die Süßigkeit und die rote Kugel machen das Rennen.Weniger klar ist dagegen den meisten, dass von der Vorliebe für kräftige Signalfarben bei kleinen Gegenständen nicht auf die kindgerechte Farbigkeit von ganzen Räumen geschlossen werden kann. Auch die kindliche Begeisterung für Muster, Blümchen oder Märchenfiguren heißt nicht, dass sie für ein förderliches Umfeld sorgen.

Kinder sehen anders

Die meisten Jungen und Mädchen werden in der Tagesstätte zum ersten Mal in ihrem Leben mit fremder Umgebung konfrontiert und wollen sich deshalb aufgehoben und beschützt wissen, sich in den Räumen schnell orientieren ­können, Anregung erfahren, ohne in ihrer Kreativität ein­geschränkt zu werden. Neben diesen psychologischen ­Aspekten sind auch die Blickperspektive und Besonderheiten bei der Sehleistung zu beachten. Drei- bis Sechsjährige sind zwischen 95 und 120 Zentimeter groß. Aus diesem Blickwinkel sind nur ein Teil der Wand sowie der Boden von Bedeutung; gleichzeitig wird der Raum viel weitläufiger und höher wahrgenommen als von Erwachsenen.

Eine deutliche Farb­kodierung verstärkt die Tiefenwahrnehmung der Kinder, deren dreidimensionales ­Sehen unter sechs Jahren noch unterentwickelt ist.

Zudem entwickelt sich das räumliche Sehen mit zuverlässiger Tiefenwahrnehmung erst bis zum sechsten Lebensjahr vollständig, was die Orientierung erschwert. Farbdesignerin Andrea Schmidt vom Brillux Farbstudio Münster: „Das fordert ­Architektur und Farbgestaltung heraus, übersichtliche und schnell erfassbare Räume aus der Kinderperspektive zu schaffen.“ Diese Anforderung erfüllen etwa beim Neubau der Kindertagesstätte „Sonnenschein“ in Leinefelde lukenartige Fensteröffnungen, die sich im Eingangsbereich auf Augenhöhe der Kinder befinden. Zusätzlich wurden Boden und Wände farbig gegliedert. Um die empfundene Raumhöhe auf ein für Kinder erträgliches Maß zu reduzieren und erfassbar zu machen, empfiehlt es sich, die Wände in der Horizontalen farblich zu gliedern.

Kindgerechte Farben

Altersspezifisch sind bestimmte Vorzugs- und Ablehnungsfarben bekannt, die der österreichische Farbpsychologe Heinrich Frieling bereits vor über 50 Jahren anhand von Tests mit kleinen farbigen Gegenständen ermittelte. Ein- bis Dreijährige haben keine besonderen Präferenzen, da sich das Farbsehen erst entwickelt.

Allerdings lehnt gerade diese Altersgruppe Rot, Blau und Grün als flächige Vollfarben an Decke, Wänden und Fußboden ab. Im Alter von drei bis fünf Jahren sind Signalrot, Violettrot, Chromgelb und Orange beliebt; Schwarz, Weiß, Grau und Dunkelbraun sind dieser Kindergarten-Kernzielgruppe meist zuwider. Im Alter von fünf bis sieben Jahren nimmt die Violettvorliebe zugunsten von Pink und Rosa ab – zumindest bei Mädchen. Zu Rot, Gelb und Orange gesellen sich Grün und Blau als Vorzugsfarben. Diese intensiven Farbtöne eignen sich zwar für die Fassadengestaltung von Kindergärten; bei der Innenraumgestaltung sollten sie auf großen Flächen aber nur abgewandelt und entsättigt zum Einsatz kommen, um nicht zu dominant oder gar bedrohlich zu wirken.

Raumfarben auf Nutzungen abstimmen

Aus den Vorzugsfarben lässt sich ein Farbkanon für das gesamte Kitagebäude ableiten. Generell sollte sich ein reines oder leicht abgetöntes Weiß auf die Decke beschränken, um die Beleuchtung im Raum zu optimieren. In Aufenthalts- und Gruppenräumen ist es im Sinne von Erzieherinnen und Kindern, eine ausbalancierte Atmosphäre aus dezenter Anregung und Ruhe zu schaffen. Es wird ein Hellbezugswert von 70 bis 90 für die Decke, 50 bis 70 für Wandflächen und 30 bis 50 für Fußböden und Dekostoffe empfohlen. Eingangsbereiche und Flure können dagegen auffälliger und kontrastreicher in gesättigteren, reineren Nuancen angelegt werden. Auch ist Farbgestaltung in diesen Bereichen ideal geeignet, um die Orientierung der Kinder zu unterstützen und den Durchgangsverkehr zu lenken. In Ruhe- und Schlafräumen gilt es, starke Kontraste zwischen Wand-, Decken- und Fußbodenflächen zu vermeiden. Beruhigende, gedeckte Farbtöne tragen hier zur Entspannung bei.

Warme und tiefe Farbtöne im Eingangs­bereich gliedern den Raum und laden zum Hineingehen ein.

Mit dem Wissen um die Vorzugs- und Ablehnungsfarben kann den Kindern auch der Gang zum Waschbecken und den Toiletten erleichtert werden. Da Weiß und Grau von den Kindern abgelehnt werden, sollten sie bei Sanitärräumen weder an Türen noch Wänden zum Einsatz kommen, sondern freundliche Farben bevorzugt werden. Doch auch die Erwachsenen im Kindergarten wollen berücksichtigt sein. In Zimmern, die allein den Erzieherinnen vorbehalten sind, darf sich das Auge an einer zurückhaltenden, Ruhe ausstrahlenden Farbigkeit erfreuen.

Marco Bock ist Projektmanager der Brillux Farbstudios.


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