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[ Einkaufszentrum Dresden ]

Mall anders

Center und Baukultur – geht das zusammen? Peter Kulka beweist in Dresden: Es geht – außen wie innen.

Jürgen Tietz

Einkaufszentren sind legitime Enkel der Moderne: Mitte des vergangenen Jahrhunderts haben sie sich als Import aus den Vereinigten Staaten an den Rändern der Städte etabliert, als späte Kinder der großen Warenhäuser. Die hatten ihrerseits ein gutes halbes Jahrhundert zuvor die architektonische Bühne der Großstädte betreten. Doch während neue Malls heute in zahlreichen deutschen Innenstädten die Kaufkraft an sich ziehen wie gigantische Magneten, sind die angejahrten Warenhäuser in stürmische See geraten und erleiden nicht nur aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise Schiffbruch. Dies auch, weil es manche Betreiber und Architekten der Einkaufszentren durchaus verstehen, mit überbordendem Dekor und kleinteiligen Schnörkeln einen kitschigen Abglanz der vergangenen Warenhauseleganz zu erzeugen. Für eine klare Architektursprache gibt es in ­diesen gebauten Peinlichkeiten weder den Willen noch
den Platz.

Klarheit und Größe: Das Einkaufszentrum präsentiert sich im Inneren aufgeräumt und mit seinen vom Dresdner Schloss inspirierten Ornamenten beinahe festlich.

Umso bemerkenswerter ist die neue Dresdner Centrum Galerie, die nach dem Entwurf von Peter Kulka entstand. ­Eine ansprechend-moderne Architektursprache durfte man bei Kulka ­allemal erwarten. Doch für die überraschende Weite und Luftigkeit ­dieses Einkaufszentrums bedurfte es auch eines Investors, der diesen Weg mitgeht – des niederländischen Unternehmens Multi Development, das schon in anderen Städten relativ stadtverträgliche Center plante, ­etwa in Duisburg (siehe Ausgabe 12/2008, Seite 16). In Dresden ist der Hauptkonkurrent ECE bereits seit sieben Jahren mit der Altmarkt-Galerie 200 Meter weiter nördlich vertreten. Ihr setzt Multi Development mit der Centrum Galerie nun gewaltige 52 000 Quadratmeter Fläche ­entgegen.

Fassadenmemorial

Natürlich muss auch Kulkas Einkaufszentrum den Gesetzen des Marktes gehorchen. Und doch ist der riesige Baukörper anders. So sucht er mit den polygonalen Aluminiumwaben an der Fassade den Rückbezug zu seinem Vorgängerbau: dem 1978 eröffneten Centrum-Warenhaus der ungarischen Architekten Ferenc Simon und Ivan Fokvari, das mit dem erhalten gebliebenen Rundkino von Manfred Fasold und Winfried ­Sziegoleit zu den baulichen Höhepunkten der Prager Straße zählte. Trotz massiver Proteste musste das Warenhaus weichen – nicht zuletzt, damit sich die Prager Straße auch an dieser Stelle auf ihre Vorkriegsenge ­zusammenschnüren ließ.Wie eine kantige Welle strukturieren nun die Waben die ansonsten weitgehend gläserne Fassade, die jedoch nur an wenigen Stellen Einblicke in die Innenarchitektur gewährt. So unterstreicht auch diese Mall einmal mehr den hermetischen Charakter der aktuellen Einkaufsarchitektur, die sich nur unwillig zur Stadt hin öffnet – übrigens ganz im Gegensatz zu ihren Warenhausvorläufern aus der Zeit um 1900. Doch immerhin hat Kulka den Waben zu einer unvermuteten Renaissance verholfen und lässt so seinen Neubau den Geist des Ortes weiteratmen, auch wenn die neuen Waben bei Kulka dunkle Fugen erhalten haben, während diese zuvor beim Original kaum zu sehen waren.

Muster von früher: Draußen ist die Fassade der des abgerissenen 1970er-Jahre-Kaufhauses nachempfunden.

Abstrakter Barock

Ganz anders präsentiert sich Kulkas Mall im Inneren. Es ist ein einziger weiter Raum, der trotz seiner erstaunlichen Größe mit einem Blick erfasst werden kann. Radikal verweigert er sich dem tüddeligen Chichi anderer Malls. Stattdessen ist eine ruhige Kathedrale des Konsums entstanden, die tagsüber durch die gläserne Decke mit natürlichem Licht versehen wird. Nahezu verschwenderisch ist der Luxus des Raumes. Das mögen wohl auch die Besucher so empfinden, die an den Brüstungen stehen und ihre Blicke von Stockwerk zu Stockwerk wandern lassen, die mit langen Fahrtreppen untereinander verbunden sind. Und natürlich richtet sich ihre Aufmerksamkeit auch auf die Wandverkleidung der Obergeschosse: Dort zeigt sich der andere Kulka, der als Schlossbaumeister in Dresden und Potsdam agiert.

Das Innere ist dem sächsischen Barock nachempfunden. Die Pavillons (l.) haben eine transparente Nierenform bekommen.

Vom Dresdner Schloss hat er sich ein Ornament entliehen und es am Computer bearbeitet und verfremdet, sodass sich die Verschlingungen und Rocailles in ein belebtes, doch zugleich beruhigtes Dekor verwandelten. Die einzelnen Paneele aus Aluminium fügen sich zu einem seriellen Gitterwerk, das sich als Fläche vor die eigentliche Fassade schiebt. Dahinter schließen sich Büros sowie Park- und Lagerflächen an. Mit ihren wechselnden Farben sorgen LED-Leuchten hinter den Ornamentplatten für unterschiedliche Lichtstimmungen. Doch dieses verfremdete Barockornament bleibt das einzige kleinteilige Element in der Mall. Ansonsten hat sich Kulka für eine beruhigte Farb-, Formen- und Materialauswahl entschieden. Dabei herrscht ein Dualismus aus Schwarz (Bodenplatten der Obergeschosse, Brüstungen) und Weiß (Wände und Decken) vor.

Gestern und morgen: Peter Kulka verknüpft Altes und Neues – zuletzt am Dresdner Center, zuvor am Residenzschloss in derselben Stadt und demnächst am Landtagsschloss in Potsdam.

Die drei Verkaufsebenen sind durch weite Lufträume miteinander verbunden. Eingefasst werden sie durch seitliche Galerien mit dunklen Metallbrüstungen. Auch die Wegeführung unterscheidet sich von der sonstiger Malls, die gerne darauf abheben, die Kunden durch möglichst weite Laufstrecken zu zusätzlichem Konsum zu verlocken. Stattdessen führt bei der Centrum Galerie gleich hinter dem Eingang an der Prager Straße eine Treppe ins Kellergeschoss mit den Fast-Food-Läden für (fast) jeden Geschmack. Ungewohnte Wege geht Kulka auch auf der obersten Verkaufsebene: Nierenförmig geschwungene Pavillons gruppieren sich dort in dem seitlich aufgeweiteten, doppelgeschossigen Raum zu einer ansprechend organischen Stadtlandschaft innerhalb der Mall. Auf ihre transparent-schwarze Glasarchitektur antworten an der Decke des Raumes ebenfalls nierenförmig geschwungene Felder mit spiegelnder Folie, die jeweils leicht versetzt zu den Pavillons darunter angebracht wurden. Dadurch verleihen sie diesem Teil der Mall auf ebenso spielerische wie effektvolle Weise zusätzliche Struktur. Z­ugleich schafft Kulka so eine hohe Aufenthaltsqualität, die man gerne annimmt, um von erhöhter Position aus auf das geschäftige Einkaufstreiben zu schauen. Hier kann man ­darüber nachsinnen, wie nachhaltig diese Giganten der ­Innenstädte wohl sind. Und was wird einmal mit ihnen ­geschehen, wenn sich das Konsumverhalten verändert und sie wie die Warenhäuser aus der Mode geraten? Ihre ­Umnutzung wäre aufgrund der Größe und Introvertiertheit kaum möglich.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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