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[ Richtlinien für Planungswettbewerbe ]

Offen für Veränderungen

Erste Erfahrungen mit den neuen Wettbewerbsregeln

Erfolg im dritten Anlauf: Die im Mai eröffnete „Topografie des Terrors“ erinnert an die Zentralen dreier Gewaltapparate: der Geheimen Staatspolizei, der SS und des Reichssicherheitshauptamts

Roland Stimpel

Ende gut, alles gut: Gleich drei Wettbewerbe gafb es seit 1983 um die Berliner „Topografie des Terrors“, eine einstige Zentrale der Nazibrutalität. Im dritten Wettbewerb von 2006 siegten Ursula Wilms, verantwortliche Partnerin von Heinle, Wischer und Partner, und der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann. Nach ihrem Entwurf wurde das Dokumentationszentrum nunmehr verwirklicht. Direktor Andreas Nachama gesteht: „Nach dem zweiten Wettbewerb wollte ich eigentlich keinen weiteren.“ Er ließ sich dann aber auch durch die Berliner Kammer von einem offenen Wettbewerb überzeugen und meint heute angesichts des Ergebnisses: „Darüber bin ich glücklich.“

Das war drei Wochen nach der Eröffnung im Mai der richtige Ort für Architekten, Auslober und Berater, um auf Einladung der Berliner Kammer aktuelle und immerwährende Wettbewerbsfragen zu diskutieren – die Menge der Wettbewerbe, ihre Fairness und Qualität und nicht zuletzt die Regeln, die beides sichern sollen. Solche Regeln gibt es seit anderthalb Jahren in neuer Form. Anfang 2009 setzte der Bund für sich die „Richtlinien für Planungswettbewerbe“ mit dem Kürzel RPW in Kraft. Zwölf der 16 Länder taten es dem Bund nach und empfahlen das ihren Kommunen. Die RPW sollten doppelt aufräumen: Statt regional unterschiedlicher Regeln sollte es möglichst überall gleiche geben. Und an die Stelle der ausgereiften, aber komplizierten Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe (Kürzel: „GRW 95“) sollte ein schlankes, übersichtliches und einfaches System treten.

Beides sind Ziele, die in der Theorie erst einmal jeder billigt. In der Praxis will es dann aber mancher doch nicht zu einheitlich und einfach haben. Zum Beispiel bei der Verfahrensart: Da sehen die RPW nur noch offene und nicht offene Wettbewerbe vor, aber für öffentliche Auslober keine kooperativen Verfahren mehr. Dabei bestehe „bei der öffentlichen Hand großer Bedarf nach solchen Verfahren“, meint etwa der Münchener Wettbewerbskoordinator Walter Landherr. „Gerade bei stadtplanerischen Fragen müssen sich Auslober und Teilnehmer offen austauschen können, um zu Feinjustierungen zu kommen.“ Oft versprechen sich auch Kommunen von solchen Verfahren mehr Möglichkeiten zu Bürgerdialog und -beteiligung und damit am Ende einen leichteren Gang der Dinge, als wenn sie eine fertige Juryentscheidung gegen widerwillige, sich übergangen fühlende Bürger durchkämpfen sollen.

Präzise Vorgaben: Hilfe oder Handfesseln?

Andererseits weist Günther Hoffmann, Abteilungsleiter im Bundesbauministerium, auf das europäische Vergaberecht hin. „Dieses sieht Anonymität vor, bis das Preisgericht ­entschieden hat.“ Also darf niemand mitten im Wettbewerbsverfahren ­seinen Entwurf zur mehr oder minder öffentlichen Diskussion präsentieren. Und auf die Anonymität legen ja auch Teilnehmer wert, gerade wenn undsie nicht mit einem prominenten Namen gesegnet sind. Hoffmann setzt statt auf offene Diskussionen im laufenden Verfahren auf „mehr Sorgfalt bei der Aufgabenstellung“  und auf das Kolloquium. „Hier kann der Auslober im Gespräch und direkt danach nochmals über seine Aufgabe nachdenken und sie präzisieren.“

Präzision hilft einerseits den Teilnehmern, andererseits engt sie sie ein. Immer wieder einmal gehen deshalb Entwerfer über die Vorgaben hinweg. Wenn dann auch die Jury das Sprengen des Rahmens goutieren will, dann setzt ihr auch hier die neue Wettbewerbsordnung Schranken: Den früher zulässigen Sonderpreis für solche Entwürfe gibt es nicht mehr. „Eine Arbeit, die gegen bindende Vorgaben der Auslobung verstößt, darf nicht zur Beurteilung zugelassen werden“, erläutert Peter Kever, Referent für Wettbewerb und Vergabe der Berliner Architektenkammer – was von regen Wettbewerbsteilnehmern einerseits begrüßt wird, etwa von der Berlinerin Karin Kusus: „Für mich war es immer ein Ärgernis, wenn man sich selbst an die Vorgaben gehalten hat und dann ein anderer den Zuschlag bekam, der es nicht tat. Ich befürworte, dass solche Teilnehmer ausgeschlossen werden.“

Keine Regel macht es allen recht

Dagegen ist es für die Wettbewerbsveteranin Luise King „ein Verlust, dass der Sonderpreis wegfällt. Gerade die kreativen Seitensprünge ­können am Ende besonders qualitätsfördernd sein.“ Und Peter Kever fürchtet: „Da wird es noch die eine oder andere schmerzhafte Erfahrung geben.“ Zur Vermeldung empfiehlt er, bindende Vorgaben auf das Notwendige zu reduzieren und sie ausdrücklich unter den Verfahrensbedingungen zu benennen. Auch hier weist jedoch Günter Hoffmann auf das Vergaberecht hin, das für jede Auslobung einen festen Rahmen vorschreibt. Halten Teilnehmer jedoch die Regel ein, hat der Bauherr eine relativ breite Wahlmöglichkeit zwischen den besten Vorschlägen, wie Kever erläutert. „Er kann den Auftrag an jeden Preisträger vergeben – eine Erfahrung, die man hoffentlich nicht zu häufig machen muss.“

Auch bei weiteren Themen gibt es Spannungen und Kompromissbedarf. Etwa zwischen dem Wunsch, jungen und kleinen Büros mehr Chancen zu bieten, und dem Gebot, alle gleich zu behandeln – also niemanden zu bevorzugen. Die GRW 95 sahen noch Sonderwege für diese Gruppen vor, die RPW nicht mehr. Für die Berliner Kammervizepräsidentin Christine Edmaier ist daher ein noch stärkeres Engagement nötig – für offene Wettbewerbe und bei nicht offenen wenigstens für einfachere Zugangsbedingungen. Oder bei den Preisrichtern: Jeder will die im Architektururteil sichersten, aber auch die in Verhafahrensfragen qualifiziertesten. Doppelbegabungen in Wettbewerbsrecht und Entwurfsprüfung sind allerdings relativ selten – also sind qualifizierte Betreuung durch Wettbewerbsbetreuer und Experten der Kammern unerlässlich und deshalb in den RPW festgeschrieben. Zudem bieten Kammern Schulungen für Betreuer wie für Preisrichter, aber gerade besonders gefragte Wunschjuroren nehmen solche Angebote nicht unbedingt an.

Wie auf der Veranstaltung der Berliner Kammer deutlich wurde, kann es keine Wettbewerbsordnung allen recht machen; mit der Zeit wandeln sich auch Anforderungen. Daher sieht Günter Hoffmann die RPW auch „nicht als statisch, sondern als Living Document. Wir werden neue Erfahrungen einarbeiten, um die bestmöglichen Regeln zu erhalten.“ So will er nicht zuletzt zur angestrebten Rechtseinheit kommen. Noch gelten die RPW in vier Bundesländern nicht und in vielen anderen mit Modifikationen gegenüber den Bundesregeln.

Und Bayern geht einen ganz eigenen Weg: Es hat die neuen Regeln in Kraft gesetzt und für Wettbewerbe mit dem Freistaat als Auslober für verbindlich erklärt. Zugleich sind in Bayern aber die alten GRW nicht abgeschafft. Kom­munen und private Auslober können zwischen beidem wählen – je nachdem, welche Regeln ihnen in einem Wettbewerb besser passen. Da setzt Hoffmann auf RPW-Optimierung und will dann „durch Überzeugung zu einheitlichen Verfahrensregeln kommen“.

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