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Brüche bewahren

Demokratische Städtebau-Regimes sind das Letzte, wie Berlin beweist. Kriege, Diktaturen und Besetzungen waren viel innovativer.

Das Spreedreieck: frei von Traufhöhen, Lochfassaden und Blockrand

Von Roland Stimpel

Sture Städtebauregeln ersticken jede Architektur. Man sieht das ja an Berlin: Loch-an-Loch-Fassaden, des Blockwarts Blockränder, die Stadt geriet vom Mauerregen in die Traufhöhe. Ab 1990 hat sich hier die Kriegs- und Revolutionsgeschichte von 1918 wiederholt, diesmal an der Baufront: Wie einst Kaiser Wilhelms Armee, so stand nach dem Mauerfall ein Heer kühner Architekten und opferwilliger Investoren bereit, um an seinem Wesen die Stadt genesen zu lassen. Im Entwurfsfelde blieb es unbesiegt, doch von hinten streckte es Stimmanns Dolchstoß nieder. Wieder ein SPDler, wie damals Friedrich Ebert. Den Verrat kann man nicht oft und heftig genug geißeln; Rem Koolhaas’ bestimmte den Ton 1991 mit seinem Erguss gegen das „kleinbürgerliche, altmodische, reaktionäre, unrealistische, banale, provinzielle und dilettantische Bild der Stadt“. Das ist seitdem tausendmal nachgesungen, wenn auch meist nur in Auszügen.

Aber jetzt ein Trost: das neue „Spreedreieck“ am Bahnhof Friedrichstraße – amtlich genehmigt, als Stimmann mal nicht da war. Es ist doppelt so hoch wie die Trieftraufe, steinfrei aus Glas und Aluminium und schlägt dem Blockrand ein Schnippchen in Wellenform. Es ist also das Werk eines freien Investors und konnte nur genial werden. Und was sagt die Fachwelt? Sie ist sich bemerkenswert einig; selbst das „Baunetz“ zitiert zustimmend Dieter Bartetzko von der FAZ: Das Spreedreieck sei eine „dominante, solitäre und ignorante Gemeinheit“.

Wie schön war das 20.Jahrhundert mit all seinen Brüchen und Kontrasten

Bleiben die Zeugnisse aus älterer Zeit: die Brüche und Kontraste, denen Berlin seinen Ruhm verdankt. In den lebhaften Epochen vor 1990 verpasste die Politik auch dem Städtebau alle paar Jahre neue Visionen. Mal gab es Luftig-Solides wie den Tempelhofer Gröhaz, den größten Hangar aller Zeiten, mal Brandwände und Einschusslöcher, mal die Stadtautobahn West und die Parade-Magistralen Ost. Heute dagegen: nichts als konsensdemokratische Ödnis. Weg damit und her mit der totalen Bau­freiheit. Und wenn schon Städtebauregeln, dann nur bitte solche zum Schutz bedrohter Brüche und Kontraste. Das bauliche Erbe von Kriegen, Diktaturen, Besetzung und Teilung möge Berlin ewig prägen. Das ist kein bisschen altmodisch, reaktionär und banal.

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