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[ Entwicklungshilfe ]

Anstoß mit Steinen

Wie Architekten und Studenten Entwicklungsprojekte in Afrika und Asien unterstützen

Wuchernde Städte: ­Quartiere wie die Favelas von Rio de Janeiro fordern auch deutsche Architekten und Planer heraus.

Von Rosa Grewe

Hat Daphne Frank einen Traumjob? Die 41-jährige Architektin und Stadtplanerin berät Länder in Südosteuropa und Asien wie Serbien, Syrien und Sri Lanka zu Regionalisierung, Dezentralisierung, Kommunal- und Stadtentwicklung. Franks Arbeitgeberin ist die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn bei Frankfurt; immer wieder reist sie für einige Wochen in die Ferne.

Doch das ist weder Tourismus noch entspannte Wohlfühl-Wohltat. Die bundeseigene GTZ überprüft Projektanträge von Partnerländern, begutachtet die Situation vor Ort und berät die Bundesregierung zum Antrag sowie später die Partnerländer bei der Organisation und Realisierung. Fachfragen der Stadtentwicklung reichen dabei von der ­Infrastruktur über das Abwassersystem, den Transport, die Wirtschaftsförderung und die Wohnungsversorgung bis zur ­Zentrenentwicklung. „Die Probleme sind unterschiedlich“, erklärt Daphne Frank. „In Asien und Afrika gibt es eine rasante Urbanisierung mit Slumbildung, Wohnungsnot und Umweltschäden. In Südosteuropa und dem Kaukasus stellt sich das Problem des Landmanagements in einer ehemals durch Sozialismus geprägten Verwaltungs- und Bewirtschaftungsstruktur.“

Arbeitet für die GTZ: Daphne Frank

Daphne Frank ist in Ecuador geboren und in Deutschland aufgewachsen. Schon während ihres Studiums hat sie für staatliche und private Institutionen in Ecuador und Bolivien gearbeitet und war dann an der TU Stuttgart Assistentin drittweltorientierter Institute in Stuttgart und Darmstadt. Über eigene Projekte kam sie mit der GTZ in Kontakt und landete schließlich dort.

Sie versteht sich auch als Moderatorin zwischen Stadt, Kommune, dem Privatsektor, den Bürgern und Bewohnern eines Landes und den Nichtregierungs-Organisationen, den NGOs. Eine schwierige Aufgabe: „Besonders in fragilen Staaten, die demokratisch nicht gefestigt sind, muss man genau schauen, wie viel Beteiligung der Bevölkerung möglich ist.“

Frank sieht viel von der Welt, die Touristen verschlossen bleibt. Das bedeutet aber auch, dann zu reisen, wenn andere ins Wochenende fahren, auch dann eine flexible Arbeitsbereitschaft, wenn Freunde und Familie warten. Die größte Schwierigkeit aber sieht Daphne Frank in der Kommunikation. Alle Mitarbeiter der GTZ sind mindestens zweisprachig. Dennoch läuft die Kommunikation in Ländern mit exotischeren Sprachen oft über einen Dolmetscher. „Das ist ein sehr unterschwelliger Stress, denn wichtige Informationen können dabei verloren gehen.“ Sie erinnert sich: „In der Ukraine hatten wir von Stadterneuerung der Altstadt gesprochen und merkten dann anhand der Reaktionen, in der ukrainischen Übersetzung heißt das Abriss und Neubau. Was wir aber meinten, heißt dort Revitalisierung der Stadt. Wir haben das Missverständnis schnell geklärt, aber es zeigt: Die Kommunikation über einen Dolmetscher macht es kompliziert. Diplomatisches Geschick und Feinfühligkeit für die jeweilige Mentalität und Denkweise sind absolut notwendig.“

Außerdem braucht man Geduld, auch bei dringendem Handlungsbedarf. Abstimmungsprozesse brauchen Zeit: „Man muss akzeptieren, dass politisch wichtige Entscheidungen meist hinter geschlossenen Türen getroffen werden.“ Hier findet die eigentliche Charakterprobe der Mitarbeiter statt: Diplomatie und Argumente statt spontanem Aktionismus. Es dauert oft Jahre, bis die Ergebnisse von Verhandlungen Wirkung zeigen. Auch mit Auswertungen, Gutachten und Strategiepapieren verbringt Daphne Frank viel Zeit – am heimischen Schreibtisch, nicht an exotischen Stränden. „Projekte in der Entwicklungsarbeit sind komplexer geworden. Von kleinen überschaubaren Projekten hat sich die Arbeit zu großen Programmen mit vielen Beteiligten und unterschiedlichen Aspekten entwickelt.“

Von Berlin nach Ghana: Christian Nörtemann

Effizienz in Ghana

Sicherheitstechnisch streng abgeschottet, arbeitete Christian Nörtemann an der Technik- und Logistikzentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin. Da kam ein Kontrastprojekt seines Arbeitgebers Henn Architekten gerade recht: Büroinhaber Gunter Henn wollte seinen weltweiten Gewerbe-, Verwaltungs- und Forschungsbauten ein Wohlfahrtsprojekt für Bildung in einem armen Land hinzufügen und stieß auf einen Schulbau in Ghana. Der war von heimischen Kräften vor Jahren begonnen worden, doch aus Mangel an Geld wie Organisation kaum übers Fundament hinausgekommen.

Doch jetzt trat Henn auf den Plan und spendete das Beste, was sein weltweit präsentes 200-Menschen-Büro hat: architektonisches Know-how und Engagement – in Ghana personifiziert durch Christian Nörtemann. Der hatte schon einmal an einem Schulprojekt in Tansania gearbeitet. Jetzt ging er von der Umschlossenheit des Geheimdienstes in die Offenheit des Dorfes Akbakope, von Henn weiterhin bezahlt. Neun Monate hat Nörtemann bisher dort gearbeitet und das Schulprojekt mit der Henn-üblichen Effizienz umgesetzt: Aus der Grundplatte mit einsam herausguckenden Betonstümpfen ist ein solider Internatsbau geworden. Ab Januar, pünktlich zum neuen ghanaischen Schuljahr, beherbergt er 160 Oberschülerinnen.

Geplant in München und Berlin, gebaut in Akbakope: Im Internatswohnhaus des ghanaischen Dorfes leben jetzt 160 Schülerinnen.

„Präsenz vor Ort ist alles“ heißt Nörtemanns Erfolgs­rezept für den raschen Aufbau. Er tat und tut in Ghana Dinge, die mit dem deutschen Architektenalltag wenig zu tun haben: Er holte seine Bauarbeiter morgens in ihren Heimatdörfern ab und kümmerte sich um ihre Wasserversorgung – die beanspruchte sonst lange erste Tagesstunden. Er verordnete ihnen für die Baustelle Schuhe und besorgte bei Unfällen selbst Tetanusmittel. Baufirmen und Arbeiter zahlte er mit Bargeld direkt aus, was sehr motivierte. Mit Notebook und DIN-A4-Drucker saß er abends in seinem Zimmer beim kirchlichen Schulbauherrn und entwickelte die übernommene Planung weiter. Dem verdanken die Schülerinnen jetzt Schlafräume mit nur noch 16 Betten. Nach den ghanaischen Plänen hatten es zunächst 50 sein sollen.

Mit der Einweihung im Januar endet das Projekt nicht: Ein ganzer Campus für 600 Schülerinnen soll hier in den nächsten Jahren entstehen. Der von Henn gegründete Verein AddYouCation sammelt weitere Mittel; der Erfolg mit dem Wohnbau hat jetzt eine holländische Stiftung zum Bau eines Speisesaals ermutigt. Und Nörtemann weiß: „Wenn wir weiterbauen, will ich sofort wieder nach Ghana.“

Lernen in Südafrika

Der Schulneubau in Südafrika entstand unter Mitwirkung von Studierenden der Aachener RWTH.

Der Wiener Verein S²arch (Social Sustainable Architecture) baut seit 2004 mit dem ehrenamtlichen Engagement von europäischen Architekturstudenten und Spendengeldern Bildungseinrichtungen in Südafrika. Der Initiator Christoph Chorherr ist selbst kein Architekt, sondern Politiker – er war unter anderem erster grüner Stadtrat in Wien. Seit 1995 bereist er regelmäßig Südafrika und knüpft Kontakte mit lokalen Akteuren. Für den Bau eines Kindergartens gewann er eine Gruppe von Architekturstudenten der TU Wien, die sich die Lage vor Ort anschauten und darauf zugeschnitten ein Gebäude entwarfen und selbst bauten. Dem Kindergarten folgten weitere Gebäude für südafrikanische Bildungseinrichtungen. „Dann haben wir beschlossen, nicht mehr für Dritte zu bauen, sondern eine eigene Schule zu gründen und zu errichten. Ein in Südafrika ansässiges, österreichisches Unternehmen schenkte uns dafür 2008 ein Grundstück im Umland von Johannesburg, in der Township Ithuba.“

Das zurzeit der Rassentrennung geschaffene Gebiet nahe der Hauptstadt Johannesburg ist noch immer weitgehend ein Slum. Jetzt erhalten im neu gebauten Ithuba Skilla College Kinder und Jugendliche eine Schulbildung und ergänzend dazu eine Ausbildung in handwerklichen Berufen. Sukzessive wurde die Schule – Klassenzimmer um Klassenzimmer – von Architekturstudenten verschiedener europäischer Hochschulen geplant und vor Ort errichtet, zusammen mit Schülern aus Ithuba. Chorherr meint: „Bei unseren Projekten geht es auch um die Bildung der Architekturstudenten.“ Mitmachen kann jeder, der an einer seiner Partner-Unis eingeschrieben ist: der TU Wien, Kunstuni Linz, TU Graz, Fachhochschule Kuchl, RWTH Aachen, TU Innsbruck oder TU München. Dort gibt es vorbereitende Seminare und Entwurfsklassen. Studenten müssen den Flug selbst bezahlen. Sechs bis acht Wochen sind sie vor Ort, wohnen auf dem Schulgelände, leben und arbeiten gemeinsam mit den Schülern von Ithuba.

Studenten aus den vorangegangenen Projekten helfen, vermitteln und erklären, damit Erfahrungen und Wissen von Projekt zu Projekt und Gruppe zu Gruppe wachsen. Technisch ist die nach Wochen bemessene Bauzeit die größte Herausforderung. Außerdem müssen die Studenten mit ­anderen Rahmenbedingungen klarkommen: lokalen Bau­materialien, einfachen und schnell gefertigten Details.

Gut vernetzt: Christoph Chorherr aus Wien

S²arch versteht sich nicht als Hilfsorganisation, sagt Chorherr: „Wenn Sie mich jetzt fragen: Ist es sinnvoll, dass europäische Studenten selbst vor Ort reisen, mit anpacken und dafür Geld und Kraft investiert werden, dann kann ich dazu nur sagen: Sarum geht es nicht. Auf die gesamte ­Situation in Südafrika hat das Projekt kaum Auswirkungen. Es geht aber darum, diese Erfahrung zu ermöglichen und weiterzubilden. Ithuba heißt auf Zulu Möglichkeit oder Chance – darum geht es uns.“ Unbedarfte mit naivem Hilfswillen werden auch hier nicht gesucht. Fachkenntnisse sind Voraussetzung, zudem ­Neugier, der Wille zu lernen und sich anzupassen und ein Sinn für die Arbeit, die Lebenssituation und die Möglich­keiten vor Ort.

Idealismus im Sudan

Der Architekt Martin Grütters aus Westfalen baut seit 2005 im Südsudan Schulen im Auftrag der Deutschen Jesuitenmission. Mit 42 Jahren startete er als Quereinsteiger ehrenamtlich in der Entwicklungshilfe in dem Dorf Rumbek.

Gibt nicht auf: Martin Grütters ist seit fünf Jahren in Afrika

Seine Pläne entstehen schnell, doch seine Arbeit umfasst mehr: Er besorgt Werkzeug und Material, organisiert Materialtransporte und leitet Handwerker und Fahrer an. Er baut selbst mit und sucht immer wieder in Deutschland nach Sponsoren. Seinen Kulturschock, sein Bemühen, die Dinge zu lenken, und schließlich die ersten Ergebnisse seiner Arbeit hält er in einem Blog fest – eine Berg- und Talfahrt aus Frust und Freude. Es liest sich wie die Geschichte von David gegen Goliath: Ein Einzelner kämpft gegen riesenhafte kulturelle, soziale und finanzielle Widerstände. Er schreibt im November 2006, im, wie er sagt, schwersten Jahr seines Lebens: „Ständig Rückschläge, Enttäuschungen und Frust! Was immer ich mit bester Absicht zum Wohl der Menschen hier begann, fiel als Problem auf mich zurück!“ Und: „Meine größte Schwierigkeit ist es, dass die Leute kaum zu motivieren sind, sich selbst zu engagieren!

Mit himmelblauem Dach : Die neu errichtete Dorfschule in Rumbek

Nur schwer ist aus der Ferne nachvollziehbar, was ihn vorantreibt, wenn Handwerker wochenlang nicht arbeiten, wenn die Nachbarn und Dorfbewohner nicht helfen, wenn Zement von der Baustelle gestohlen wird, wenn Geld ausbleibt und Finanzierungslöcher klaffen. Schwierig sind vor allem die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede, die zwischenmenschlichen Probleme. Große Hilfsorganisationen arbeiten mit Psychologen und Prozessmoderatoren, immer im Team und mit dem Ziel, die Bürger zur Selbsthilfe zu animieren. Grütters dagegen arbeitet als Ein-Mann-Unternehmen, temporär unterstützt durch Freiwillige der Mission. Er hofft, dass sein Handeln die Einheimischen zum Mitmachen animiert. Bestätigung und Motivation findet er im Kleinen, wenn sich zeigt, dass Engagement und Vertrauen wachsen, so zum Beispiel, als die Schüler und Lehrer plötzlich auf eigene Initiative Baumaterial für einen Schulzaun besorgten. In fünf Jahren hat er zwei Schulen und eine Bibliothek fertiggestellt, ist nun hauptberuflich bei der Diakonie-Katastrophenhilfe beschäftigt und widmet sich neuen Entwicklungsaufgaben vor Ort. Inzwischen spricht er die Sprache der Einheimischen, hat sich an Malaria gewöhnt und fühlt sich in Rumbek heimisch. Seine Motivation bleibt.

Rosa Grewe hat Architektur studiert und betreibt das Fachpressebüro quer-streifen in Darmstadt.


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