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[ Alternativen zum Prozess ]

Handreichung zum Händereichen

Prozesse wegen Haftungsstreitigkeiten sind oft vermeidbar – durch kluge Vertragsgestaltung, offene Kommunikation und Alternativen zum Gerichtsverfahren: Adjudikation, Mediation, Schlichtung und Schiedsgericht

Mediation: Auch wenn die Parteien sich anfangs fern­stehen, sollten sie mithilfe von Media­toren gemeinsame ­Interessen definieren.

Von Roland Stimpel
In einem alten Juristenwitz treffen sich zwei Anwälte. „Wie geht’s, Herr Kollege?“ Antwort: „Schlecht. Ich kann nicht klagen.“ Tillman Prinz ist Jurist, sieht aber die Sache anders: Als Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer und ausgebildeter Mediator (Streitvermittler) zieht er es vor, wenn Streitigkeiten zwischen Bauherren und Architekten ohne Klage enden. „Eine außergerichtliche Einigung bringt oft ein besseres Ergebnis für alle Beteiligten als ein Urteil.“ Denn wenn ein Richter entschieden hat, gibt es nicht nur einen offensichtlichen Verlierer, sondern oft auch einen geschädigten Sieger: Er hatte Kosten, Risiken, Nerven- und Zeitaufwand, gilt als streitlustig und hat einen Feind mehr.

„Der Hebel zur friedlichen Konfliktlösung kann und sollte an mehreren Stellen angesetzt werden“, meint Prinz. „Es braucht ein umfassendes und stimmiges System der Streitbehandlung. Architekten und Bauherren müssen mehr über die Verfahren wissen und an die Option schon denken, bevor es überhaupt zum Streit kommt. Es braucht mehr qualifizierte Mediatoren und Schlichter sowie einen hohen Standard für die Verfahren. Und auch die Haftpflichtversicherungen müssen sich bewegen – wozu es erfreulicherweise bereits Ansätze gibt.“

Wertvolle Hinweise, Regelungsmöglichkeiten und Vertragsmuster bietet die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau). Sie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Baurecht sowie vom Beton- und Bautechnikverband erarbeitet; ihre Anwendung empfehlen zahlreiche Verbände und Organisationen – auch die Bundesarchitektenkammer. Sie kann unter www.baurecht-ges.de heruntergeladen werden.

Vertrag: friedlich vorsorgen

Wer Prozesse vermeiden will, sollte nicht erst ansetzen, wenn der Streitfall da ist. „Prozess-Vermeidung beginnt schon im Vertrag“, sagt Tillman Prinz. „Hier sollten Architekt und Bauherr vereinbaren, dass sie bei späteren Konflikten nicht gleich vor Gericht ziehen, sondern zuerst andere Lösungswege gehen.“ Die vier Verfahren Adjudikation, Mediation, Schlichtung und Schiedsgerichte (mehr dazu weiter unten) können jedes für sich vor einem Prozess durchlaufen werden; Architekt und Bauherr können aber auch vereinbaren, dass mehrere dieser Schritte nacheinander unternommen werden, bevor es bei Erfolglosigkeit zu einer Klage kommt.

„Allerdings braucht der Architekt Mut, das Thema in den Verhandlungen anzusprechen. Schließlich ist hier die Stimmung regelmäßig noch friedlich und hoffnungsvoll. Niemand mag die Harmonie stören, indem er mögliche Konflikte ­anspricht.“ Doch Prinz verweist darauf, dass es auch auf einem noch viel emotionaleren Lebensfeld nüchterne Vereinbarungen geben kann: „Kluge Brautpaare schließen Ehe­verträge, auch wenn sie sich noch nicht im Geringsten vorstellen können, dass sie sie einmal brauchen werden.“

Planungs- und Bauphase: offen reden

Einen selbst gemachten Fehler versucht man zunächst zu verbergen – in der Hoffnung, dass er sich diskret beheben lässt oder gar nicht erst bemerkt wird. Das kann gut gehen, wenn sich die Sache schnell und leise beheben lässt. Doch wenn nicht, schafft es zumindest Misstrauen. „Auch wenn etwas schiefgelaufen ist, sollte man besser offen und transparent kommunizieren“, empfiehlt Prinz. „Der Bauherr darf ohnehin nicht das Gefühl bekommen, die Architektenarbeit sei eine Blackbox. Bei kritischen Themen sollte er das schon gar nicht.“ Ist etwas schiefgelaufen, stärkt ein rasch und voll informierender Architekt sogar seine Position: „Er holt bei der Problemlösung den Bauherrn mit ins Boot – sodass dieser von nun an auch für die Lösung mitverantwortlich ist und nicht alles auf den Architekten abwälzen kann.“

Schadensfall: ohne Gericht regeln

Ist eine Panne passiert und offengelegt, zeigt sich der Wert der Vorsorge im Vertrag und in der bisherigen Kommunikation: Wege zur Konfliktlösung sind längst vereinbart und genug Vertrauen auf beiden Seiten ist oft noch da, um sie gemeinsam zu gehen.

Der erste mögliche Schritt ist die Adjudikation. Ihr Sinn ist Tempo: Kommt es auf der Baustelle zu Streit, wollen aber die Beteiligten keine Verzögerung, dann trifft der Adjudikator eine rasche Entscheidung – beispielsweise darüber, wer einen aufgetretenen Schaden beheben oder dafür eine Sicherheitsleistung stellen soll. Auf die Person des Adjudikators können sich die Streitbeteiligten gemeinsam einigen. Ist grundsätzlich eine Adjudikation vereinbart, gibt es dann aber keine Übereinstimmung zur Person, kann sich jede Partei bei einem Vertrag nach dem Muster der SL Bau an den Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein wenden, der dann einen Adjudikator ernennt. Sein Spruch ist vorläufig verbindlich, kann aber später vor einem Gericht oder Schiedsgericht angefochten werden.

Nicht um Geschwindigkeit, sondern um einen Maximalkonsens geht es bei der Mediation. Sie ist nicht nur ein Verfahren für Schäden, sondern für Streitigkeiten aller Art, etwa zwischen dem veränderungswilligen Eigentümer eines Baus und dem Architekten als Urheber oder bei umstrittenen öffentlichen Planungsverfahren. Auch eine Mediation können Baubeteiligte für Streitfälle im Vorhinein vereinbaren. Sie kann aber schlecht einer Partei aufgezwungen werden, denn sie braucht Goodwill auf allen Seiten. Der Mediator als Streitvermittler fällt kein eigenes Urteil, sondern unterstützt die Beteiligten darin, einen Konsens zu finden. Tillman Prinz: „Mediatoren suchen gemeinsame Interessen bei den Parteien. Sie wollen eine Basis dafür schaffen, dass beide den bestmöglichen Weg aus dem Problem finden. Die Parteien sollen nachhaltig zufrieden sein. Das ist besser als ein Urteils- oder Schiedsspruch, in dem das Recht des einen dem Interesse des anderen widerspricht.“

Bei einem Bauschaden steht beispielsweise nicht die Schuldfrage im Mittelpunkt – ihre Klärung würde den Schaden ja noch nicht beheben. Sondern es wird etwa der gemeinsame Wunsch nach einem pünktlich fertigen, schadensfreien und vorzeigbaren Bau festgestellt und überlegt, wer hierfür welchen Beitrag leisten könnte. Oft bringt das nicht nur Harmonie, sondern für die Beteiligten auch neue Erkenntnisse über ihre eigenen Motive. „Sie erfahren über den Konflikt hinaus, was sie eigentlich treibt.“ Beispielsweise kann eine Einigung zunächst erschwert sein, wenn ein Beteiligter sich vom anderen nicht genug respektiert und partnerschaftlich behandelt fühlt. Der andere erlebt ihn wiederum als eigenwillig und kompromissunfähig. Ein gutes Mediations-Ergebnis ist dann eine ganz sachliche Arbeitsvereinbarung, in welcher der erste sich angemessen einbezogen fühlt und dafür inhaltlich auf die Wünsche des anderen eingeht.

Kein Beteiligter muss in das Mediationsverfahren mit der Angst gehen, womöglich eine faule Lösung akzeptieren zu müssen. „Es ist immer nur ein Versuch“, sagt Prinz. „Wenn er scheitert, steht der Weg zu einer Schlichtung, einem Schiedsspruch oder einem Gericht offen. Die Einigung in der Mediation kann sich auch auf Teile des Streits beschränken, während andere von Dritten entschieden werden.“

Dieser Dritte kann ein Schlichter sein, der ähnlich wie der Mediator das Wohl beider Seiten im Auge hat. Doch statt dass er beiden den Weg zu einer aktiven Einigung weist, fällt er am Ende selbst die Entscheidung. Ihr kann eine Partei widersprechen, wenn sie ihr nicht passt. Schlichtungsverfahren werden auch von Architektenkammern angeboten. Die nächste mögliche Stufe ist das Schiedsgericht. Hier geht es schon ähnlich zu wie bei einem Prozess. Das Ganze ist jedoch eine private Veranstaltung, die rascher zum Ziel führen soll als ein staatliches Gerichtsverfahren. Erst wenn Adjudikation, Mediation, Schlichtung und/oder Schiedsgericht gescheitert oder nicht gewollt sind, kommt es zum klassischen Gerichtsverfahren.

Weil die gemeinsame konstruktive Lösung immer die bessere ist, engagieren sich Architektenkammern auch dafür. So gibt es bei der bayerischen Kammer in München am 4. Juli einen eintägigen Workshop zur Mediation. Die Berliner Kammer bietet kostenlose Beratungen dazu. Und bei der Kammer in Niedersachsen beginnt am 1. September ein umfangreicher Grundlehrgang, den man in unterschiedlicher Intensität belegen kann – von der 30-Stunden-Einführung bis zur 190 Stunden langen Ausbildung, die den Standards und Richtlinien des Bundesverbandes Mediation entspricht. Tillman Prinz hat auf mittlere Sicht ein weiteres Ziel: „Architektenkammern haben bereits Schlichtungsverfahren etabliert, die Mediation jedoch noch nicht. Es macht zwar Aufwand, sie selbst anzubieten und durchzuführen. Aber es wird sich für die Mitglieder der Kammern lohnen.“

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