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[ Vergabe ]

Beschluss zur Feuer- und Rettungswache (vollständiger Wortlaut)

Vergabekammer Niedersachsen

beim Niedersächsischen Ministerium

für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Auf der Hude 2

21339 Lüneburg

 

Az.: VgK-50/2011

Lüneburg, den 18.11.2011

B e s c h l u s s

In dem Nachprüfungsverfahren

der xxxxxx,

Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,

– Antragstellerin –

gegen

die xxxxxx,

– Antragsgegnerin –

wegen

Vergabe von Planungsleistungen für den Neubau der Feuer- und Rettungswache xxxxxx xxxxxx, Teilnahmewettbewerb

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Dierks, auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2011 beschlossen:

1.   Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird zurückversetzt in den Stand vor der EU-weiten öffentlichen Bekanntmachung der Vergabeabsicht. Das Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Vergabeabsicht nach den § 97 ff. GWB unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

2.   Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

3.   Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

4.   Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

 

Begründung:

I.

Die Stadt xxxxxx beabsichtigt, am xxxxxx in xxxxxx eine Feuer- und Rettungswache mit den Leitstellen der Feuerwehr xxxxxx, der xxxxxx sowie der Polizei zu errichten. Das Raumprogramm umfasst eine Nutzfläche von insgesamt rund 16.000 qm. Neben den technisch-funktionalen Aspekten soll auch ein ökologisch-wirtschaftlich ausgerichtetes Bauen im Interesse der Nachhaltigkeit besondere Beachtung finden. Die Planungsleistungen sollen in einem Verhandlungsverfahrens nach VOF 2009 vergeben werden. Hierzu wurde mit europaweiter Bekanntmachung vom xxxxxx.2011 ein Nichtoffener Wettbewerb gemäß RPW 2008 zur Auswahl von mindestens 15 und maximal 20 Wettbewerbsteilnehmern ausgeschrieben. Der Wettbewerb fällt unter die Richtlinie 2004/18/EG.

Die Bekanntmachung nennt unter Ziffer III.1.1 folgende Mindestkriterien für die Teilnahme:

a)            Die Bewerber erfüllen die Anforderungen an die berufliche Qualifikation unter

Ziffer III.2 der Bekanntmachung;

b)            Teilnahmehindernisse gemäß § 4 (2) RPW liegen nicht vor;

c)            Teilnahmehindernisse gemäß § 4 Abs. 6 VOF liegen nicht vor;

d)            Die Bewerbungsfrist ist beachtet;

e)            Die Richtigkeit der geforderten Erklärungen ist durch eigenhändige Unterschrift

bestätigt.

f)              Die Bewerbung erfolgt in deutscher Sprache.

Für die Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer sollen gemäß Ziffer III.1.2 der Bekanntmachung folgende Kriterien maßgeblich sein:

a)            Planung/Realisierung von bis zu drei Referenzprojekten

Die Bewerber müssen innerhalb der letzten 10 Jahre verantwortlich zeichnen für die Planung/Realisierung von einem bis zu drei Referenzprojekt/en, für das/die jeweils Folgendes zutreffen muss:

–        Es handelt sich um eine Feuer-/Rettungswache der Berufsfeuerwehr oder eine hauptamtlichen Wachbereitschaft mit mehreren Funktionsstellen (z.B. Verwaltung, Leitstelle, Werkstatt etc.),

–        Verantwortlichkeit für die Leistungsphasen 2 bis 8 gemäß HOAI § 15 (alt) bzw. 33 (neu) oder vergleichbar,

–        Mindestens eines der Referenzprojekte ist fertig gestellt.

Mehr als 3 Referenzprojekte werden nicht bewertet; in die Bewertung fließen die Komplexität und die Vergleichbarkeit der Referenzprojekte ein, nicht jedoch die Größenordnung.

b)            Architektonische Qualität des/der Referenzprojekte.

Der Auslober behält sich vor, zur Beurteilung der architektonischen Qualität des/der Referenzprojekte ein mit externen Fachleuten besetztes Auswahlgremium, die die Qualifikation der Wettbewerbsteilnehmer haben, zur Beratung hinzuzuziehen.

c)            Wettbewerbserfolge und sonstige Auszeichnungen (seit 2006).

Die Bewerbung besteht aus dem Formblatt mit den geforderten Angaben der Bewerber und bis zu drei Blättern DIN A4, auf denen die Bewerber mindestens eines der bis zu drei Referenzprojekte im fertigen Zustand in Plänen und Fotos darzustellen haben. Anhand dieser Darstellungen soll die architektonische Qualität des/der Referenzprojekt/e beurteilt werden. Erwartet werden Darstellungen, die eine Beurteilung der Grundrisse, des städtebaulichen Kontextes und der Fassadengestaltung erlauben.

Die Bewerbungsunterlagen zum Wettbewerb waren anzufordern bei der xxxxxx, an welche auch die Bewerbung zu richten war.

Die Bewerbungsfrist endete am xxxxxx.2011.

Mit Schreiben vom 19.09.2011 rügte die Antragstellerin die bekannt gemachten Auswahlkriterien. Durch die Einschränkung der Referenzprojekte auf Feuerwehr-/Rettungswachen und hauptamtliche Wachbereitschaften sei sie, trotz Eignung, an einer Teilnahme gehindert. Zudem sei nicht klar, in welchen Fällen die Antragsgegnerin externe Fachleute heranziehen wird und nach welchen Maßstäben die Bewertung erfolgen wird.

Die wenig präzisen und nicht transparenten Auswahlkriterien gäben dem Bewerber keine Möglichkeit, seine Bewerbung zu optimieren. Sie forderte die Antragsgegnerin auf, für den Teilnahmewettbewerb notwendige, aber auch ausreichende Auswahlkriterien mit nachvollziehbarem Bewertungsmaßstab vorzugeben.

Mit Rügeantwort vom 27.09.2011 wies die Antragsgegnerin die Rügen als verspätet zurück. Zum Inhalt der Rügen teilte sie mit, die Forderung gleichartiger Referenzen sei durch die spezifischen technischen Anforderungen der ausgeschriebenen Leistung gerechtfertigt und schränke den Wettbewerb nicht unzulässig ein. Die angegebenen Auswahlkriterien seien hinreichend transparent. Die architektonische Qualität orientiere sich an den professionellen Qualitätskriterien von Architekten. Es sei auch offensichtlich, dass nachgewiesene Wettbewerbserfolge positiv bewertet würden. Eine Gewichtung der Auswahlkriterien sei noch nicht erfolgt und könne daher auch nicht bekannt gegeben werden.

Nach Maßgabe der Vergabeakte gingen 54 Bewerbungen fristgerecht ein, hierunter – am 30.09.2011 – auch die Bewerbung der Antragstellerin.

Mit Nachprüfungsantrag vom 05.10.2011 wandte sich die Antragstellerin an die Vergabekammer. Zur Begründung trägt sie vor, die von ihr unverzüglich gerügte Verengung der Eignungsanforderungen auf Referenzen für Feuer-/Rettungswachen der Berufsfeuerwehr oder hauptamtliche Wachbereitschaften sei sachlich nicht gerechtfertigt und stelle eine vergaberechtswidrige Diskriminierung der Planungsbüros dar, die diese geforderte Spezialisierung nicht aufweisen.

In Übereinstimmung mit den Regelungen der VKR sei in § 5 VOF geregelt, dass zum Nachweis der Eignung nur Unterlagen und Angaben gefordert werden dürfen, die durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt sind. § 5 Abs. 5 lit. b. VOF sehe im Hinblick auf den Nachweis von Referenzen als Regelfall eine Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen vor, fordere also weder Referenzen über vergleichbare geschweige denn gleichartige Leistungen.

Gleiches müsse auch für Wettbewerbe nach RPW 2008 gelten. Zwar stehe es dem Auftraggeber grundsätzlich frei, die Eignungsvorgaben selbst zu definieren und die von den Bietern zu erfüllenden Angaben festzulegen, allerdings sei hierbei abzuwägen, in welchem Umfang Fachkundenachweise im Einzelfall sachlich geboten sind und ab welcher Schwelle der zu hohe Nachweis an die Fachkunde den Wettbewerb unzulässig beschränkt.

Die Notwendigkeit von spezifischen planerischen Kenntnissen habe die Antragsgegnerin weder in der Vergabeakte dargelegt noch nachträglich in ihrer Rügeantwort und Antragserwiderung begründen können.

Zu berücksichtigen sei, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Generalplanungswettbewerb handele, bei dem Objekt- und Fachplanungen in einem Auftrag gebündelt vergeben werden sollen, sondern um einen reinen Architektenwettbewerb, bei dem die Beauftragung der Objektplanung mit den Leistungsphasen 2 bis 5 in Aussicht gestellt wird. Zum Architektenwettbewerb gehöre die räumliche und funktionale Zuordnung von Nutzungseinheiten und Räumen sowie die Entwicklung von organisatorischen Lösungen für ablaufrelevante Anforderungen des Nutzers, nicht aber die Fachplanungsleistungen für die technischen und informationstechnischen Lösungen der Feuer- und Rettungswache.

Die hierzu erforderliche Kompetenz zeige sich unabhängig von der spezifischen Objektnutzung bei allen größeren Bauvorhaben mit unterschiedlichen Funktionsbereichen.

Im Hinblick auf die architektonische Qualität und insbesondere auch auf den hervorgehobenen Aspekt der Nachhaltigkeit könne sie zahlreiche aktuelle architektonisch hochwertige Projekte vorweisen, die auch in Bezug auf Größe und Komplexität der ausgeschriebenen Aufgabe in nichts nachstehen. Auch wenn sie innerhalb der letzten 10 Jahre weder eine Berufsfeuerwehr noch eine hauptamtliche Wachbereitschaft mit mehreren Funktionsstellen über die Leistungsphasen 2 bis 8 geplant und verantwortlich betreut habe, können keine Zweifel daran bestehen, dass es ihr möglich wäre, die gestellte Planungsaufgabe auf höchstem Niveau zu erfüllen. Gleichwohl könne sie sich nicht am Wettbewerb beteiligen, da sie nicht über die vorausgesetzte spezielle Referenz verfüge.

Vorgelegte Referenzen müssen den Schluss zulassen, dass der Wettbewerber in der Lage sein wird, die ausgeschriebene Maßnahme vertragsgerecht durchzuführen. Dies sei dann der Fall, wenn vom Bewerber Leistungen im technischen und organisatorischen Bereich ausgeführt wurden, die einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten. Es könne aber nicht darauf ankommen, dass ein Bewerber in jedem Fall gleichartige Bauwerke errichtet bzw. gleichartige Baumaßnahmen durchgeführt hat. Die Antragsgegnerin stelle ohne Not sachlich nicht gerechtfertigte Anforderungen, verhindere einen möglichst offenen, breiten und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Wettbewerb und verletze damit den Wettbewerbsgrundsatz. Es komme nicht darauf an, wie viele Bewerber in der Lage sind, die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Der Verstoß werde auch nicht dadurch kompensiert, dass die Antragsgegnerin zur Erleichterung einen Referenzzeitraum von 10 Jahren vorgegeben habe. Ohnehin habe eine 10 Jahre zurückliegende Referenz keine Aussagekraft mehr.

Da gemäß Bekanntmachung die Absicht bestehe, einen der Preisträger „mindestens mit den Leistungsphasen 2 – 5“ zu beauftragen, erscheine auch die Forderung überzogen, dass der Bewerber bei seinen Referenzprojekten die Leistungsphasen 2 – 8 ausgeführt hat bzw. mit diesen beauftragt wurde.

Zu beanstanden seien auch die in der Bekanntmachung aufgeführten Auswahlkriterien und die fehlenden Angaben zu ihrer Gewichtung.

Da nicht erkennbar sei, nach welchen Maßstäben die architektonische Qualität der Referenzen beurteilt wird, sei für die Bewerber keine gezielte Auswahl der Referenzprojekte möglich.

Soweit die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahl eine Vergleichbarkeit der Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung bewerten will, erscheine dies unsinnig, da eine Gleichartigkeit der Referenzprojekte ja vorausgesetzt werde.

Intransparent weil unpräzise sei auch der Vorbehalt, zur Beurteilung der architektonischen Qualität des/der Referenzprojekte ein mit externen Fachleuten besetztes Auswahlgremium heranzuziehen. Hierdurch sei keine einheitliche Bewertungsweise (durch dieselben Personen) sichergestellt. Auch müsse der Auslober die Auswahlentscheidung selbst treffen. Externe dürften nur mitwirken, wenn eindeutig und transparent festgelegt ist, wann, wie und mit welchem Einfluss sie beraten sollen. Auch zur Beurteilung der vom Bewerber anzugebenden Wettbewerbserfolge seien keine Maßstäbe bekannt gegeben worden.

Die Antragstellerin beantragt,

–  festzustellen, dass die Antragstellerin in dem Verfahren zur Vergabe der Planungsleistungen für die Feuer- und Rettungswache xxxxxx in ihren Rechten verletzt ist;

–  die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern;

–  der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen;

–  festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

–  den Antrag zurückzuweisen

Sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig und für unbegründet.

Die Ausschreibung sei am xxxxxx.2011 veröffentlicht worden. Die Antragstellerin habe ihre Rügen aber erst am 19.09.2011 vorgetragen. Die Antragstellerin sei daher mit ihren Rügen präkludiert.

Die Antragstellerin werde auch nicht in ihren Rechten verletzt.

Die zum Nachweis der Eignung geforderten Angaben und Unterlagen seien durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt, denn die Anforderungen und das Ausmaß der Planungen seien besonders komplex. Die zu planende Feuer- und Rettungswache sei bereits auf Grund der geforderten hohen Ausfallsicherheit ein Objekt der kritischen Infrastruktur und hinsichtlich der Komplexität und des Zusammenwirkens der verschiedenen Funktionsbereiche nicht vergleichbar mit normalen Bauprojekten und auch nicht mit den von der Antragstellerin angebotenen Referenzobjekten „Medienzentrum“, „JVA“, „Hochschulbibliothek“ und „Schule“. Insbesondere die Bewältigung einer Großschadenslage stelle außergewöhnlich hohe Anforderungen an die technische Funktionalität und an ein funktional optimiertes Raumkonzept. Praktisch erworbenes Wissen und Erfahrungen seien unabdingbar und zwingend erforderlich, um dem Planer Sicherheit im Umgang mit einschlägigen Vorschriften und den spezifischen Anforderungen dieser komplexen Bauaufgabe zu geben.

Die Tatsache, dass nach Vorauswahl für den anstehenden Wettbewerb ein Bewerberkreis im zweistelligen Bereich verblieben sei, der die angelegten Kriterien dem Grunde nach erfüllt, zeige, dass ein Wettbewerb nicht unmöglich gemacht wurde.

Auch durch den vorgegebenen Referenzzeitraum von 10 Jahren werde die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Soweit die Antragstellerin eine fehlende Bekanntgabe der Gewichtung der Auswahlkriterien beanstandet, ist dem entgegenzuhalten, dass hiervon weder die Entscheidung über die Teilnahme am Verfahren noch die Gestaltung des Teilnahmeantrages abhängig ist.

Bei ihrer Auswahlentscheidung werde sie sich zwar durch ein Gremium fachlich beraten lassen, die abschließende Entscheidung werde aber von ihr selbst getroffen.

Auf die von der Vergabekammer gestellte Frage, wie viele Bewerber die formalen Bedingungen bis zur Ziffer 1.2.1 der Bewerbungsunterlagen erfüllt haben, übersandte die Antragsgegnerin am 10.11.2011 eine Ergebnisliste mit Bemerkungen zur Prüfung und Wertung der 17 erfolgreichen Bewerbungen. Dieser Liste war allerdings zu entnehmen, dass Bewerber 24 sein Objekt entgegen der Vorgabe von Ziffer III.1.2 a) der Bekanntmachung noch nicht fertig gestellt hat, sondern in naher Zukunft fertig stellen wird. Bewerber 33 hat drei Objekte als Referenzobjekte genannt, davon zwei fertig gestellte freiwillige Feuerwehren und eine weitere Feuerwehr (vermutlich eine Berufsfeuerwehr), die aber erst in naher Zukunft fertig gestellt wird.

Das älteste zur Qualifikation erforderliche – weil einzige – Referenzprojekt weiterer Bewerber stammt aus dem Jahr 2001 (Bewerber 21), das zweitälteste aus dem Jahr 2004 (Bewerber 05), die nächst älteren Referenzprojekte stammen aus den Jahren 2003 und 2005 (Bewerber 12).

Nach der mündlichen Verhandlung erhielt die Vergabekammer außerdem von der Antragsgegnerin die Beschlussdrucksachen der Ratsgremien zu dieser Angelegenheit

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

 

II.

1.   Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Bei der Antragsgegnerin handelt es sich mit der Stadt xxxxxx als auftraggebende Gebietskörperschaft um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Ebenso handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag gemäß § 99 GWB, da die Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über Dienstleistungen zu schließen beabsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Leistungen der Gesamtmaßnahme handelt es sich um Leistungen, für die gemäß § 1 Abs. 1 – 2 VOL/A-EG i. V. m. § 1 VOF die Regeln der VOF anzuwenden sind, weil die ausgeschriebenen Architektenleistungen im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden.

Die Antragsgegnerin hat sich zutreffend nicht auf einen Ausschluss des Vergaberechts gemäß § 100 Abs. 2 d) GWB berufen.

Der hier streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Gemäß § 2 Nr. 2 VgV gilt ein Schwellenwert von 193.000 €. Die Antragsgegnerin hat auf der Grundlage ihrer Baukostenschätzung und den Vorgaben gemäß § 34 HOAI für die zu vergebenden Planungsdienstleistungen Honorarkosten in Höhe von xxxxxx € netto geschätzt. Damit ist der maßgebliche Schwellenwert überschritten.

Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung eigener Recht durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, durch das qualitative Kriterium gemäß Ziff. III.1.2 a der europaweiten öffentlichen Bekanntmachung an einer erfolgreichen Teilnahme gehindert zu sein, und vertritt die Auffassung, dass dieses Kriterium nicht sachgerecht sei, im Interesse eines freien Wettbewerbes die qualifiziertesten Wettbewerbsteilnehmer auszusuchen.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rz. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, trotz bestehender Eignung aufgrund der rechtswidrig gesetzten Einschränkungen in der europaweiten Bekanntmachung an einer aussichtsreichen Teilnahme am Verhandlungsverfahren gehindert zu sein. Es ist gerade, wenn das Nachprüfungsverfahren bereits in einem sehr frühen Stadium eingeleitet wird, nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Antragsgegnerin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: 1/99, S. 24).

Ob sich die dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, insbesondere ob die Antragstellerin wirklich durch ein sachlich unangemessenes Auswahlkriterium rechtswidrig von der weiteren Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen wäre, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII Verg 23/06, Ziff. 1a, zitiert nach VERIS). Erst wenn die Gründe zum Ausschluss der Antragstellerin evident vorliegen, führt dies zum Wegfall der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB (OLG Schleswig, Beschluss vom 30.09.2010, 1 U 50/10). Angesichts der inhaltlich vertieften Diskussion um die Rechtmäßigkeit des von der Antragsgegnerin verwendeten Kriteriums liegt eine solche Evidenz hier keineswegs vor.

Die Antragstellerin hat alle von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt.

Gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 1 GWB ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragstellerin den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat Die Antragstellerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie erst am 15.09.2011 Kenntnis von der Ausschreibung erhalten, daher den von ihr vorgetragenen Verstoß gegen die Vergabevorschriften erst an diesem Tage erkannt habe. Sie hat plausibel dargelegt, dass sie einmal wöchentlich die europaweiten Bekanntmachungen auswerten lässt und von Bürokräften vorlegen lässt. Sie hat vorgetragen, dass ihr die Ausschreibung der Antragsgegnerin am 15.09.2011 vorgelegt wurde, sie am 16.09.2011 anwaltlichen Rat eingeholt habe, der dann zu der am Montag, dem 19.09.2011, erhobenen Rüge führte.

Da die europaweite Bekanntmachung nicht wie ein Brief zielgerichtet an einzelne Empfänger gerichtet ist, kann die Antragsgegnerin nicht analog § 41 Abs. 2 VwVfG davon ausgehen, dass die Antragstellerin nach Ablauf einer bestimmten Frist von der Vergabebekanntmachung hätte Kenntnis erlangen müssen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin besteht keine Pflicht eines potenziellen Bieters, europaweite Bekanntmachungen häufiger als einmal die Woche, z.B. zwei- bis dreimal die Woche einzusehen und auf relevante Vergaben zu prüfen. Gemäß § 7 Abs. 1 VOF beträgt die von den Auftraggebern festzusetzende Frist für den Antrag auf Teilnahme mindestens 37 Tage ab dem Tage der Absendung der Bekanntmachung. Eine so lange Frist, auch in der um 7 Tage verkürzten Frist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 VOF, legt es auch für ein überdurchschnittlich sorgfältig arbeitendes Architekturbüro nicht nahe, die amtlichen europaweiten Bekanntmachungen häufiger als einmal pro Woche auf neue Bekanntmachungen durchzusehen. Darüber hinaus enthält § 107 Abs 3 Nr. 1 GWB keine Regelung zu einer Kenntnisfiktion, so dass es auf ein „hätte kennen müssen“ für den Beginn der Rügefrist nicht ankommt. Die Antragstellerin hat innerhalb von 5 Kalendertagen ab der von ihr dargestellten und von der Antragsgegnerin nicht widerlegten Kenntnis am 19.09.2011 die Rüge erhoben.

Diese Rüge erfolgte unverzüglich und ist nicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von 1 bis 3 Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az. 1 Verg 4/03; Bechtolt, GWB, § 107, Rz. 2). Bei Einschaltung eines Anwaltes wird die Frist regelmäßig auf eine Woche ausgedehnt (VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 – 21.VK-3194-14/11; OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2011, WVerg 6/10). In diesem Sinne hat die Antragstellerin unverzüglich die Rüge erhoben.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag neun Tage nach Zurückweisung der Rüge und damit innerhalb der in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB genannten Frist von 15 Tagen ab Zurückweisung der Rüge gestellt. Es kann daher offenbleiben, ob die Antragsgegnerin die Frist wirksam in Gang gesetzt hat.

2.   Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Antragsgegnerin hat unter Ziff. III.1.2 der Vergabebekanntmachung qualitative Kriterien aufgestellt, die den Wettbewerb stärker einschränken als nach § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB und gemäß § 5 Abs. 1 VOF zulässig ist. Nach § 97 Abs. 4 GWB werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 5 b VOF dürfen nur Unterlagen und Angaben zum Nachweis der Fachkunde und Leistungsfähigkeit gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind, darunter eine Liste der in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen.

Bei der Festlegung der Kriterien für die Fachkunde und Eignung hat der jeweilige öffentliche Auftraggeber einen Ermessensspielraum (OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Verg 8/06, Vergaberecht 2006, S. 561 (564); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.04.2011, 15 Verg 3/11; VK Niedersachsen Beschluss vom 17.06.2011 – VgK-17/2011). Diesen vermag die Vergabekammer nur daraufhin zu überprüfen, ob das formale Verfahren eingehalten wurde, ob der öffentliche Auftraggeber von einem unrichtigen Sachverhalt ausging und ob er sachwidrige Erwägungen anstellte (Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rz. 228). Hier ist weder erkennbar, dass die Antragsgegnerin das formale Verfahren nicht eingehalten hätte, noch dass sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre.

Ob die Antragsgegnerin von sachwidrigen Erwägungen ausgegangen ist, ist anhand des § 97 Abs. 4 GWB bzw. den §§ 2 VOF 5 Abs. 1 VOF zu prüfen. Entscheidend ist, ob aus verständiger Sicht der Vergabestelle ein berechtigtes Interesse an den in der Ausschreibung aufgestellten Forderungen besteht, so dass diese als sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig erscheinen und den Bieterwettbewerb nicht unnötig einschränken (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht 2010, Stand 10.10.2011, § 5 VOF, Rz. 12)

a)   Der Begriff der Fachkunde wird wie folgt definiert. Das Kriterium der Fachkunde erfordert Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, die es einem Unternehmen ermöglichen, den zu vergebenden Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12.05.2004 – 1 Verg 4/04 ZfBR 2004, 714 (717).

Die Antragsgegnerin hat sich dazu entschlossen, den Nachweis der Fachkunde durch Vorlage von Referenzobjekten abzufragen. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Angabe von Referenzobjekten ist ein aus der Sache selbst herleitbares Auswahlkriterium und in § 5 Abs. 5 b) VOF ausdrücklich als Nachweis der fachlichen Eignung aufgeführt. Problematisch ist jedoch die Beschränkung auf gleichartige Leistungen aus dem Feuerwehrbereich. § 5 Abs 5 VOF setzt anders als § 6 Abs. 3 Nr. 2 b) VOB/A bei der Vergleichbarkeit der Referenzleistungen mit der ausgeschriebenen Leistung keine Vergleichbarkeit voraus. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass der öffentlich Auftraggeber eine Vergleichbarkeit als Mindestvoraussetzung fordern kann (Müller-Wrede, VOF, § 5, Rz. 41, Haar in Willenbruch-Wieddekind, 9. Los, § 5 VOF, Rz. 38). Umstritten ist lediglich, ob die Vergleichbarkeit ohne weiteres gefordert werden kann, oder nur bei besonders komplexen Verfahren bzw. im Bereich der Hochtechnologie. Je enger jedoch der Kreis der zugelassenen Referenzobjekte gezogen wird, desto intensiver ist der vom jeweiligen öffentlichen Auftraggeber damit bewirkte Eingriff in den freien Wettbewerb, und desto höhere Anforderungen sind an die auftragsbezogene sachliche Rechtfertigung dieses einschränkenden Fachkundemerkmals zu stellen.

aa) Die Antragsgegnerin hat unter Ziff. III.1.2 als Voraussetzung für die Teilnahme am nichtoffenen Wettbewerb formuliert, dass jeder Bewerber für die Planung oder Realisierung an einem bzw. drei Projekten verantwortlich gezeichnet haben muss, für welche qualitativ Folgendes zutreffen muss:

–  Es handelt sich um eine Feuer-/Rettungswache der Berufsfeuerwehr oder eine hauptamtliche Wachbereitschaft mit mehreren Funktionsstellen.

–  Verantwortlichkeit für die Leistungsphasen 2 – 8 gemäß § 33 HOAI.

–  Mindestens eines der Referenzprojekte ist fertig gestellt.

Die Antragstellerin sieht in dieser Verengung der zugelassenen Referenzen eine sachlich ungerechtfertigte Beschränkung des Wettbewerbs, die sie benachteilige, weil sie zwar zahlreiche andere Projekte nachweisen kann mit vergleichbarer bzw. höherer Komplexität, und darüber hinaus über ein leistungsfähiges Büro verfüge, welches auch schwierige Probleme binnen kürzester Zeit lösen könne, jedoch trotz dieser, auch von der Antragsgegnerin anerkannten hohen Leistungsfähigkeit, an der Teilnahme gehindert sei, da sie in dem schmalen Segment der Berufsfeuerwehren oder hauptamtlichen Wachbereitschaften noch keine Referenzobjekte vorzeigen könne.

Hier hat die Antragsgegnerin zunächst eher tief in den freien Wettbewerb eingegriffen, weil sie fachlich nur ein schmales Segment der Berufsfeuerwehren als Referenzprojekte gelten ließ und die Referenznachweise als absolutes Ausschlusskriterium formulierte (vgl VgK Niedersachsen Beschluss vom 10.06.2011 VgK 17/2011). In Niedersachsen sind gemäß § 8 des Nds. Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (NBrandSchG) nur Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern verpflichtet, eine Berufsfeuerwehr aufzustellen. In Niedersachsen gibt es nur acht Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Obgleich dieses regionale Ergebnis nur für einen Teil der 16 Bundesländer repräsentativ ist, die Existenz vergleichbarer Strukturen in den Mitgliedstaaten der EU unklar bleibt, wird deutlich, dass die Antragsgegnerin mit der Beschränkung auf Berufsfeuerwehren das Spektrum der möglichen Referenzobjekte sehr stark eingeschränkt hat. Die Ausdehnung auf die sog. hauptamtlichen Wachbereitschaften erweitert diesen Kreis zwar, gleichwohl bleibt die Zutrittsschwelle für den Nachweis der erforderlichen Fachkunde recht hoch.

In der Vergabeakte hat die Antragsgegnerin keine sachliche Begründung für die Verengung der zulässigen Referenzprojekte dokumentiert. Auch den Beschlussdrucksachen, welche von der Vergabekammer wegen des Hinweises in der E-Mail vom 12.09.2011 auf eine Deckelung des Spektrums der zugelassenen Referenzobjekte angefordert worden waren, ist eine sachliche Begründung nicht zu entnehmen.

Die Vergabekammer kommt aufgrund des schriftsätzlich und mündlichen Vortrags der Verfahrensbeteiligten sowie der Auswertung der Vergabeakte zu dem Ergebnis, dass eine außergewöhnliche Komplexität der für die Referenzobjekte vorgegebenen Gebäudetypen nicht substantiiert dargelegt worden ist, daher nicht bestehen dürfte. Somit gibt es für die Antragsgegnerin keine sachliche Notwendigkeit, die Erfahrungen mit einem der beiden Gebäudetypen als Referenzvorgabe mit Ausschlusswirkung zu verwenden.

Erfahrungen im Feuerwachenbau sind sicherlich ein der Qualifikation förderlicher Nachweis der Fachkunde in Form feuerwehrspezifischer Vorkenntnisse. Die Vergabekammer ist aber nicht davon überzeugt, dass die Planungsaufgabe – fehlerfrei und termingerecht – ausschließlich von Wettbewerbern geleistet werden kann, die bereits eine Feuerwehr/Rettungswache oder eine hauptamtliche Wachbereitschaft verantwortlich geplant haben. Nur bei einer angemessen substantiierten Dokumentation der Notwendigkeit gemäß § 12 VOF oder im Nachprüfungsverfahren ließe sich eine so enge Beschränkung der zugelassenen Fachkundenachweise rechtfertigen.

Aus den Darlegungen ließ sich lediglich ein erheblicher Zeitdruck für das Projekt herleiten. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung den aus dem Zeitdruck resultierenden Wunsch formuliert, den Architekten nicht in feuerwehrspezifische Details einarbeiten zu müssen. Ein erheblicher Zeitdruck ist aber nicht untypisch für solche Projekte. Die in der mündlichen Verhandlung dargestellten Bauprobleme mit der Brandabschnittsbildung an einer Feuerwehrrutsche in einer Feuerwache in xxxxxx sind weder besonders komplex, noch verallgemeinerungsfähig. Aus den Fehlern eines Architekten in jenem Einzelfall ist daher nicht ableitbar, dass die Erstellung eines gleichartigen Gebäudes zwingender Qualifikationsnachweis sein muss. Überdies gehört jener Architekt zum Kreis der 17 für den Wettbewerb qualifizierten Bewerber, so dass Zweifel an der Eignung dieses von der Antragsgegnerin vorgetragenen Auswahlkriteriums bestehen.

Die Festlegung dieses Fachkundenachweises mit ausschließender Wirkung lässt sich auch nicht mit einem besonders großen Wettbewerbsdruck herleiten. Zwar gibt es ein überraschend großes Bewerberfeld, jedoch sind die von der Antragsgegnerin verwendeten Kriterien so restriktiv, dass eine umfassende Eignungsprüfung nach den §§ 2, 5 VOF nicht erfolgt.

Die Antragsgegnerin hat sich gemäß II.1.2 der öffentlichen Bekanntmachung entschlossen, einen nicht offenen Wettbewerb gemäß § 15 VOF, RPW 2008 durchzuführen. Zu dem nichtoffenen Wettbewerb sollen gemäß IV.1. der öffentlichen Bekanntmachung zwischen 15 und 20 Teilnehmer zugelassen werden. Nach § 3 Abs 2 RPW 2008 soll die Teilnehmerzahl der Größe und Bedeutung der Wettbewerbsaufgabe angemessen sein. Hier hat die Antragsgegnerin eine im Vergleich zu Wettbewerben nach VOF hohe Zahl von Wettbewerbsteilnehmern (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 2 VOF mindestens drei Teilnehmer) zulassen wollen. Diese hohe Zahl der zugelassenen Wettbewerbsteilnehmer lässt sich aus der Bedeutung der xxxxxx ohne weiteres darstellen.

Gemäß § 3 Abs. 2 RPW 2008 wählt der Auslober die Teilnehmer anhand eindeutiger, nicht diskriminierender und in der Regel aufgabenbezogener qualitativer Kriterien aus dem Kreis der Bewerber aus.

Bei dieser Vorauswahl der für den Wettbewerb zuzulassenden Teilnehmer hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, die Zahl der Teilnehmer entweder durch die Formulierung eines bzw. weniger tendenziell streng gefasster Kriterien, oder durch eine Vielzahl eher allgemein gehaltener Kriterien auf die Zahl der zuzulassenden Teilnehmer zu begrenzen. Bei der Auswahl der von ihm vorgesehenen Mittel steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu. Je größer das Feld der potentiellen Anbieter ist, desto enger können die formalen Bewertungskriterien formuliert werden.

Die von der Antragsgegnerin erstellten Auswahlkriterien gliedern sich zunächst in mehre oben genannte, als Ausschlusskriterien formulierte Fachkundenachweise und eine anschließende Beurteilung der architektonischen Qualität, in der die Bewerber Punkte erhalten sollen.

Hier gab es trotz der eng formulierten Fachkundenachweise 54 Bewerbungen, von denen nach Darstellung der Antragsgegnerin 17 die formalen Ausschlusskriterien erfüllen. Da aber zwei dieser Bewerber nicht über jetzt, sondern nur über in naher Zukunft fertig gestellte Referenzprojekte verfügen, ist die Zahl der Bewerber, die die von der Antragsgegnerin gesetzten formalen Auswahlkriterien erfüllen, auf 15 zu reduzieren.

Das Kriterium der Fachkunde in Form eines Referenzprojektes als Rettungswache der Berufsfeuerwehr oder einer hauptamtlichen Wachbereitschaft lenkt zwar den Wettbewerb deutlich zu einer Klientel mit einer beruflichen Nähe zur Feuerwehr, führt aber trotz des sehr engen fachlichen Rahmens bei isolierter Betrachtung wegen des nach wie vor angemessenen Feldes der zugelassenen Teilnehmer nicht zwingend zu einer unzulässigen Einschränkung des Wettbewerbs. Allerdings verbleibt kein Raum mehr für die eigentlich vorgesehene qualitative Auswahl der Bewerber anhand der architektonischen Qualität der Referenzprojekte.

bb)    Die Antragsgegnerin hat die von ihr gesetzte Mindestzahl von 15 zuzulassenden Bewerbern nur erreicht, indem sie abweichend von der auch für den Wettbewerb nach RPW 2008 verbindlichen Regelung in § 5 Abs. 5 b) VOF den vorgesehenen Zeitraum der verwendbaren Referenzobjekte von drei Jahren auf 10 Jahre erweiterte. Ohne die Berücksichtigung des Bewerbers mit einem Referenzprojekt aus dem Jahr 2001 hätte die Antragsgegnerin mit dem obigen Fachkundenachweis die vorgesehene Mindestzahl an Teilnehmern des Wettbewerbs schon nach den formalen Kriterien nicht erreichen können. Dabei hat eine Auswahl nach dem von ihr vorgegebenen Merkmal der architektonischen Qualität der Referenzprojekte gar nicht stattgefunden.

Die Antragstellerin kritisiert, dass der zeitliche Rahmen für die Erstellung der Referenzobjekte von 10 Jahren nicht nur deutlich von § 5 Abs. 5 b) VOF abweiche, sondern auch deutlich den von ihr als angemessen erachteten Zeitraum von 5 Jahren für ein Referenzprojekt übersteige. Ein so weiter zeitlicher Rahmen für die erstellten Referenzprojekte enthalte keine verbindliche Aussagekraft über die aktuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Konkurrenten. Auch deshalb sieht sie sich als besonders leistungsfähiges Unternehmen durch die fachlich sehr engen, zeitlich jedoch sehr weiten Qualitätskriterien im Wettbewerb benachteiligt.

Eine Erweiterung des Zeitraums ist im begründeten Einzelfall zulässig, wenn dies durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist (§ 5 Abs. 1 VOF). Der öffentliche Auftraggeber soll in Ausnahmefällen berechtigt sein, Referenzen, die über einen längeren als dort genannten Zeitraum hinausgehen, zu akzeptieren (Müller-Wrede, VOF, 4. Auflage, § 5, Rz. 43; VK Nordbayern, Beschluss vom 20.06.2000 – 320VK 3194-12/00, 5 Jahre; VK Lüneburg, Beschluss vom 25.09.2006, VgK-19/2006, 8 Jahre).

Diese Erweiterung des Referenzzeitraumes soll insbesondere dann angezeigt sein, wenn es sich bei dem zu errichtenden Objekt um selten erstellte Spezialbauten handelt, bei denen mit einem nur kurzen Zeitraum zugelassener Referenzen kein ausreichender Wettbewerb garantiert werden kann. Laut VK Nordbayern (VK Nordbayern, Beschluss vom 20.06.2000 – 320 VK 3194-12/00) ist die Erweiterung des Referenzzeitraums unproblematisch, da sie den Wettbewerb erweitere. Die Erweiterung des Referenzzeitraumes birgt aber auch Risiken, da ältere Referenzen nicht die Gewähr geben, dass das Fachwissen dem aktuellen Stand der Technik entspricht (Müller-Wrede VOF, 4. Auflage, § 5, Rz. 43).

Hier besteht kein Anlass, aufgrund des Gebäudetyps Leitstelle davon auszugehen, dass bei Referenzzeitraum von drei Jahren ein nur unzureichender Wettbewerb bestünde. Gründe für eine Abweichung von dem in § 5 Abs. 5b) VOF vorgegebenen Referenzzeitraum als Teil der auch die Leistungsfähigkeit als Auswahlkriterium umfassenden Eignungsprüfung gemäß den §§ 2, 5 VOF wurden nicht dokumentiert. Eine Abweichung vom Referenzzeitraum ist jedenfalls in diesem Umfang auch sachlich nicht gerechtfertigt. In Niedersachsen halten derzeit noch alle 37 Landkreise, die xxxxxx, jede der sechs Polizeidirektionen sowie das LPP in xxxxxx eine eigene Leitstelle vor. Diese Zahlen sind wiederum auf das Bundesgebiet und Europa hochzurechnen.

Somit ist weder die Errichtung einer größeren Leitstelle, noch die Errichtung einer größeren Feuerwehrwache (ohne die Einschränkung auf hauptamtliche Feuerwehrwachen und Wachbereitschaften) eine so seltene oder spezielle Baumaßnahme, dass daraus eine so erhebliche Erweiterung des Referenzzeitraumes zu rechtfertigen wäre.

Die erhebliche Erweiterung des Referenzzeitraums war im Ergebnis nur erforderlich, um die starke Verengung der zugelassenen Referenzprojekte auszugleichen und die als angemessen erachtete Mindestzahl der Wettbewerbsteilnehmer zu erzielen. Die doppelte Abweichung von den grundsätzlich verbindlichen Vorgaben des § 5 Abs. 5 b) VOF, hier sehr schmal, dort zu weit, ist daher im Sinne des § 5 Abs. 1 VOF nicht in einer aus der Vergabeakte erkennbaren Form durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt.

b)    Die Antragsgegnerin hat in der Vergabebekanntmachung zur Prüfung der gemäß § 97 Abs. 4 GWB und § 2 VOF vorausgesetzten Leistungsfähigkeit keine der in § 5 Abs 5 d – h VOF aufgeführten Nachweise für die Leistungsfähigkeit der Wettbewerbsteilnehmer verlangt.

Der Begriff der Leistungsfähigkeit wird wie folgt definiert. Ein Unternehmen ist leistungsfähig, wenn es in technischer, kaufmännischer, personeller und finanzieller Hinsicht über die zur ordnungsgemäßen, das heißt fach- und fristgerechten Auftragsausführung notwendigen Mittel verfügt, und in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen (Müller-Wrede § 97 GWB, Rz. 35; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2004 – Verg 91/04, NZBau 2006, S. 266). Die Regelungen des § 5 Abs. 5 c) bis h) VOF enthalten einen Katalog verwendbarer, hier aber nicht genutzter Leistungsfähigkeitsnachweise.

Die Antragsgegnerin hat zur aktuellen Leistungsfähigkeit der Teilnehmer keine inhaltlichen Vorgaben erstellt. Sie begnügt sich mit dem Nachweis der Fachkunde. Bezogen auf die obigen qualitativen Kriterien werden für die erforderlichen aktuellen technischen und personellen Ressourcen der Bewerber keine Mindestbedingungen gesetzt. Weder wird eine gewisse Mindestverfügbarkeit von Personal einer definierten Qualifikation gefordert, über welche der Anbieter entweder mittels eigenem Personal oder mit Hilfe einer zugelassenen Bietergemeinschaft verfügt (§ 5 Abs. 5 d) VOF), noch ist es erforderlich, dass die seinerzeit für das Referenzprojekt verantwortlichen Mitarbeiter dem Büro zur Verfügung stehen. Die in der Vergabebekanntmachung genannten Kriterien würde daher einem (fiktiven) Büro die Teilnahme am weiterführenden Wettbewerb erlauben, welches im Jahre 2001 im Ergebnis erfolgreich eine Berufsfeuerwehrwache erstellt hätte, seitdem jedoch durch Personalwechsel und eine schwindende Auftragslage fachlich weitgehend ausgezehrt wäre.

Insofern steht der von der Antragsgegnerin aufgestellte sehr strenge Fachkundenachweis in einem deutlichen inhaltlichen Widerspruch zu der fehlenden Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Bewerber, obwohl nach den §§ 97 Abs. 4 GWB und § 2 VOF beides bei der Vergabe zu berücksichtigen ist.

c)                Die Antragsgegnerin hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs 1 GWB verstoßen, weil sie die tragenden Gründe für die erheblichen Abweichungen von § 5 Abs. 5 VOF nicht in der gemäß § 12 VOF zu fertigenden Dokumentation festgehalten hat.           Die Antragstellerin ist durch die unzureichende Dokumentation in ihren Rechten verletzt. Aus dem in § 97 Abs. 1 GWB enthaltenen Transparenzgebot und der in § 12 VOF normierten Dokumentationspflicht folgt ein subjektives Recht der einzelnen Bieter auf eine ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens, insbesondere aller dabei getroffenen wesentlichen Entscheidungen einschließlich der Zwischenentschei­dungen. Um einen effektiven Rechtschutz zu gewährleisten, müssen für die Bieter bereits Zwischenentscheidungen, die für die Auswahl der weiteren Wettbewerbsteilnehmer relevant sind, nachvollziehbar sein. Dies ist nur möglich, wenn diese Entscheidungen dokumentiert werden.

Die Dokumentationspflicht besteht nicht in Form eines nach Abschluss des Vergabeverfahrens erstellten Vergabevermerkes. Vielmehr bedarf es einer fortlaufenden Dokumentation während des gesamten Verfahrens. Es ist daher auch zu einem frühen Zeitpunkt nach Ablauf der Frist zur Abgabe der Anträge auf Teilnahme erforderlich, dass die bis dahin getroffenen Entscheidungen dokumentiert werden (§ 12 Abs. 1 VOF, von Anbeginn fortlaufend).

Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass in der Dokumentation die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, aufgrund welcher Erwägungen die Wettbewerbskriterien formuliert worden sind.

Eine nachträgliche Heilung im Nachprüfungsverfahren ist grundsätzlich nicht möglich. Lediglich dann, wenn eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung bei alleiniger Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation im Nachprüfungsverfahren unzweifelhaft ist, ist es mit dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz unvereinbar, im Nachprüfungsverfahren alle nicht dokumentierten Aspekte unberücksichtigt zu lassen und stets eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens anzuordnen (BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10, Rz. 71 – 73) Das OLG Düsseldorf vertritt sogar weitergehend die Auffassung, dass die Dokumentation auch von Ermessensentscheidungen unter Umständen noch im Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden könne (OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.03.2011, Verg 63/10; Beschluss vom 08.09.2011, Verg 48/11). Auch das OLG Celle (Beschluss vom 13.01.2011 13 Verg 15/10) hält eine nachträgliche Dokumentation für zulässig, wenn Manipulationen ausgeschlossen sind und die Dokumentation so zeitnah erfolgt, dass sie die maßgeblichen Feststellungen hinreichend detailliert und zutreffend erfasst

Hier hat die Antragsgegnerin wesentliche Entscheidungen nicht dokumentiert, mit denen sie zum Teil erheblich von den Vorgaben der VOF abgewichen ist. Auch die im Nachprüfungsverfahren nachgereichten Dokumente sind nicht hinreichend aufschlussreich. So ist aus der sehr kurzen bisherigen Dokumentation auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen nicht erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin den Kreis der möglichen Referenzprojekte entgegen der Vorgabe des § 5 Abs. 5 b) VOF so eng auf Feuerwehrgebäude und hauptamtliche Rettungswachen beschränkt hat. Es auch nicht substantiiert vorgetragen worden, warum das Gebäude so komplex sei.

Auch ist nicht dokumentiert worden, weshalb die Antragsgegnerin abweichend von § 5 Abs. 5 b) VOF den Zeitraum der vorzulegenden Referenzprojekte von drei auf zehn Jahre erweitert hat. Hier hätte es einer Darlegung sowohl zum Ob der Erweiterung, als auch zu deren Ausmaß bedurft, also warum der Zeitraum nicht auf fünf oder sechs Jahre oder eine andere sachlich begründete Zahl festgelegt worden ist.

Schließlich fehlt auch die Dokumentation, warum die Antragsgegnerin von der in § 2 und § 5 Abs. 5 d-h VOF vorgegebenen Prüfung der Leistungsfähigkeit abgesehen hat.

Allerdings hält die Vergabekammer es auch ohne detaillierte Dokumentation für unproblematisch, dass die Antraggegnerin den Bewerbern bezüglich der Referenzprojekte die Erbringung der Leistungsphasen 2-8 des § 33 HOAI abverlangt, da nach den Vorgaben der Bekanntmachung Ziffer VI.2 eine Beauftragung weiterer Leistungsphasen angekündigt wird, sofern kein wichtiger Grund entgegensteht.

Die Vergabekammer weist vorsorglich für das weitere Verfahren darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung dargestellte Vorgehensweise, die Matrix als Formular zur Bewertung der Teilnahmeanträge erstmals zu erstellen, nachdem die Ergebnisse vorgeprüft worden sind, unzulässig sein dürfte. Die Kriterien der Bewertung und deren Gewichtung hat der öffentliche Auftraggeber jedenfalls in den Fällen vor der Vergabebekanntmachung offen zu legen, in denen er die Bewertungskriterien schon festgelegt hat (vgl. OLG München Beschluss vom 28.04.2006, Verg 6/08). Dies ist auch zu dokumentieren. Hier hat die Antragsgegnerin in der Veröffentlichung unter Ziffer III1.2a) u.a. ausgeführt, dass in die Bewertung der Referenzprojekte deren Komplexität und Vergleichbarkeit, nicht jedoch deren Größenordnung einfließen. Die Bewerbungsunterlagen sollen gemäß Ziff. III.1.3 b der Vergabebekanntmachung Aufschluss über die architektonischen Qualität mit den Unterkriterien, der Beurteilung der Grundrisse, des städtebaulichen Kontextes und der Fassadengestaltung geben. Die Matrix spiegelt unter Ziffer 1.2.2. diese qualitativen Kriterien nicht vollständig und nicht mit der Gewichtung der Unterkriterien wieder.

Der öffentliche Auftraggeber darf die Wertungsmatrix keinesfalls erst nach der Submission festlegen. Dann besteht die abstrakte Gefahr, dass er sie in Kenntnis der Angebotsinhalte zum Vorteil oder Nachteil eines einzelnen Bieters ausgestaltet (VK Sachsen Beschluss vom 30.04.2008, 1 SVK 20-08).

Ebenso sollte die Matrix nicht nur die maximal, sondern auch die minimal zu vergebenden Punkte enthalten, sowie eine Erläuterung der Abstufung. Der öffentliche Auftraggeber muss in den Vergabeunterlagen grundsätzlich auch inhaltliche Aussagen über das Raster der Beurteilung festlegen. Dem genügt die bloße Benennung von Höchstpunktzahlen nicht.

Schließlich sollte die Matrix den Mitgliedern des Bewertungsgremiums die Möglichkeit eröffnen, ihre Punktevergabe kurz zu erläutern. Gleiches gilt für die Darstellung der Wettbewerbserfolge und sonstigen Auszeichnungen seit 2006. Hier bleibt unklar, ob die Antragsgegnerin alle Wettbewerbserfolge mit maximal 5 Punkten bewerten möchte oder jeden einzelnen Wettbewerbserfolg. Ebenso ist nicht erkennbar, wie die Abstufung der Wettbewerbserfolge (etwa: 3. Preis 1 Punkt, 2. Preis 2 Punkte, 1. Preis 3 Punkte) erfolgen soll.

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Eine Zurückversetzung in den Stand vor öffentlicher Bekanntmachung ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die fehlerhafte Auswahl der Eignungskriterien und die unzureichende Dokumentation dieser Auswahl zu heilen. Die Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzungen sicher zu beseitigen, da die Abweichungen von § 5 Abs. 5 b VOF bereits in der öffentlichen Bekanntmachung offengelegt worden sind und eine neue ermessensfehlerfreie Festlegung dieser Kriterien einer erneuten europaweiten Bekanntgabe bedarf.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 – 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € netto und damit xxxxxx € brutto ergibt sich eine gemäß Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr in Höhe von xxxxxx. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, sind die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zur Hälfte zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung jedenfalls für den Antragsteller erforderlich.

Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

IV.  Rechtsbehelf

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, in 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 117 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.

Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine

abweichende Entscheidung beantragt wird,
2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Gaus Rohn Dierks


Zum redaktionellen Beitrag über den Beschluss

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