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[ Fenster und Glasfassaden ]

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Fenster sind heute leistungsfähige, multifunktionale Bauteile, deren Planung und Einbau immer komplexer werden

Anpassungsfähig: Das Stadthaus an der Schlei des Architekten Paul Sindram aus Schleswig ist der erste energiesparende Neubau, bei dem für die Fassade das „2° Concept“ von Schüco eingesetzt wurde. Das System kann sich an wechselnde Klimabedingungen, Jahres- und Tageszeiten anpassen.

Von Jürgen Benitz-Wildenburg

Die mit Glas ausgestatteten Bauteile an Fassaden werden aufgrund der stetig gestiegenen energiesparenden Maßnahmen an Gebäuden seit Jahren kontinuierlich optimiert. Fenster und großflächige Verglasungen können bereits heute erhebliche passive solare Energiegewinne erzielen. Aktive Gewinne lassen sich durch Dünnschicht-Photovoltaikmodule generieren, die gleichzeitig der Verschattung dienen. Besonders im Gewerbebau sollten leistungsfähige Sonnenschutz- und Lichtlenksysteme eingesetzt werden, um eine technische Kühlung zu vermeiden und die Energie für Kunstlicht zu reduzieren. Variable Systeme, wie segmentierte und perforierte Jalousien unterschiedlicher Geometrie oder elektrochrome Verbundgläser mit elektrisch leitfähigen Beschichtungen, sind Alternativen zum traditionellen Raffstore.

Die mittlerweile vielfältigen technischen Möglichkeiten haben auch dazu geführt, dass die Planung und Ausschreibung von Fenstern komplexer geworden ist und folgende Aspekte berücksichtigt werden müssen:

  • weitere Verbesserung der Wärmedämmung und Vermeidung von Wärmebrücken beim Baukörperanschluss (ift-Passivhauszertifizierung),
  • Minimierung der Lüftungswärmeverluste durch kontrollierte und bedarfsgerechte Lüftung (Fensterlüfter),
  • Optimierung des sommerlichen Wärmeschutzes durch Sonnenschutzsysteme,
  • Nutzung der Sonnenenergie durch höheren Glasanteil und hohe g-Werte,
  • Reduzierung von Kunstlichteinsatz durch bessere Lichttransmission, Sonnenschutz und Lichtlenkung,
  • Energieeinsparung durch Anbindung an die Haustechnik und Regelungslogik (funkgesteuerte Thermostatventile mit Logik „Fenster auf – Heizung aus“).

Hinweise zur Planung

Gerade bei Passivhäusern und Plusenergiehäusern darf der Anschluss von Fenstern an den Baukörper nicht vernachlässigt werden, denn für die Passivhaustauglichkeit sind die U-Werte der Bauteile im eingebauten Zustand nachzuweisen. Eine genauere Betrachtung des Gesamtsystems Fenster/Baukörperanschluss zeigt schnell die Bedeutung der linearen Wärmebrücken. Für die Bauanschlusssituation sollten die Psi-Werte bei ≤ 0,08 W/mK liegen. Energetisch entspricht die Reduzierung des  -Wertes eines Normfensters (123 x 148 cm) um 0,1 W/mK einer Reduzierung des Fenster U-Wertes um UW ≈ 0,5 W/(m² K) (siehe Bild 1).

Bild 1: Tabellarischer Nachweis eines ­Baukörperanschlusses (aus: ift-Wärme­brückenkatalog)

Auch bei anderen energetischen Baustandards, wie dem „KfW-55-Haus“ haben sich inzwischen Dreifach-Isolierverglasungen mit Ug-Werten von 0,7 W/(m² K) durchgesetzt. Der Scheibenzwischenraum sollte aber nicht größer als 16 Millimeter sein, denn die höheren klimatischen Beanspruchungen können sonst zu Glasbruch oder Undichtigkeiten führen. Weitere Verbesserungen ergeben sich durch einen optimierten Randverbund. Dieser führt zu einer höheren Oberflächentemperatur im Randbereich der Verglasung, was die Bildung von Tauwasser vermeidet. Fenster mit Ug-Werten von 0,5 W/(m²K) mit Krypton-/Xenonfüllung werden zwar beworben, sind aber in der Praxis selten zu finden. Auch Vakuum­verglasungen sind noch nicht marktreif, sodass Überlegungen für einen Einsatz während der Planung von Gebäuden zurzeit wenig Sinn machen.

Energieeffiziente Lüftung

Die sinkenden Transmissionswärmeverluste der Gebäudehülle ziehen auch eine weitere Reduzierung der Lüftungswärmeverluste nach sich. Bei Gewerbebauten eignen sich dafür dezentrale Lüftungssysteme in der Fassade oder ­automatisch regulierbare Fenster, die zudem eine nutzer­unabhängige Nachtkühlung erlauben. Im Wohnungsneubau hat sich der Einsatz einer kontrollierten Lüftung bewährt. In der Sanierung lässt sich eine sichere und nutzerun­abhängige Lüftung auch durch Fensterlüfter realisieren, wahlweise natürlich mit thermischem Antrieb über Luftdruckunterschiede oder als Überstromöffnung mit einer zentralen Absaugung in Bad oder WC. Außerdem können Kompaktgeräte installiert werden, die sich mit Wärmerückgewinnung ausführen lassen.

Untersuchungen im Rahmen der Forschungsinitiative Energieoptimiertes Bauen (ENOB) haben gezeigt, dass sich mit dezentralen Lüftungssystemen energetische Effizienz, Nutzerakzeptanz und geringe Installationskosten zugleich erreichen lassen. Als weitere Option kommen motorisch betriebene Fenster infrage. Auch sie ermöglichen eine nutzer-unabhängige Lüftung, die außerdem eine Nachtauskühlung erlaubt. Alle automatischen Systeme sollten über einen CO2- oder Luftfeuchtesensor gesteuert werden. Zur Ermittlung der Leistungseigenschaften von Fensterlüftern hat das ift Rosenheim die Richtlinien LU-01/1 und LU-02/1 erarbeitet, die praktische Hinweise zur Planung, Ausführung und Dimensionierung von Fensterlüftern enthalten (siehe Bild 2).

Bild 2: Fensterlüfter – Funktionsprinzipien und Anforderungen ­gemäß ift-Richtlinie ­LU-01/1 „Fensterlüfter – Leistungs­eigenschaften“

Mechatronische Komponenten

Die Verbesserung von Energieeffizienz, Nutzerkomfort, Sicherheit und Barrierefreiheit kann gut durch den Einsatz elektromechanischer Bauteile in Fenstern und Fassadenverglasungen erfüllt werden. Deshalb werden diese in Fachkreisen als Schlüsseltechnologie gewertet. In modernen Bürogebäuden können intelligente Fenster und Fassaden den Einsatz von Klimaanlagen und künstlichem Licht reduzieren und gleichzeitig das Wohlbefinden der Nutzer erhöhen. Sensoren messen Einflussgrößen wie Luftqualität, Lichtstärke, Luftfeuchte und Raumtemperatur und lösen automatisch bedarfsorientierte Reaktionen aus. Mögliche Einsparpotenziale sind in Bild 3 dargestellt.

Bei der Verwendung elektronischer Bauelemente und deren Anbindung an die Gebäudetechnik gibt es immer noch etliche Probleme, zum Beispiel an der Schnittstelle zu anderen Gewerken. Auch fehlen Regelwerke und Vorgaben, die Angaben zu Anordnung und Ausführung der elektrischen Leitungen machen. Erfahrungen zeigen, dass diese Systeme in der Praxis nur funktionieren, wenn alle mechatronischen und elektronischen Komponenten aus „einer Hand“ kommen und die Steuerung sowie Besonderheiten von Bauphysik und Nutzern berücksichtigt werden. Die ift-Richtlinie EL-01/1 „Elektronik in Fenstern, Türen und Fassaden“ ­bietet praktische Hinweise zur Planung, Ausführung und Nutzungssicherheit.

Deklarationen für nachhaltiges Bauen

Die Gebäudezertifizierung wird von Bauherren immer häufiger gefordert und wird damit für Architekten zu einer wichtigen zusätzlichen Aufgabe. Gemäß prEN 15804 muss bei der Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPD) als Pflichtangabe nur der Lebenszyklus der Herstellung ­(cradle to gate) betrachtet und dokumentiert werden. Aber gerade bei der Gebäudehülle ist die Nutzungsphase viel entscheidender, zum Beispiel müssen Energie- und Reinigungs­kosten abgeschätzt werden. Architekten, Planer und Gebäude­zertifizierer (Auditoren) fordern deshalb vom Bauprodukthersteller neben den Pflichtangaben auch Nachweise und Kenndaten für weitere Kriterien, wie zum Wärme- und Schallschutz, zur Barrierefreiheit oder zu ­Wartungsintervallen. Das ift Rosenheim hat deshalb für Fenster, Türen und andere Bauteile entsprechende PCR (Product Category Rules) erstellt. Auf deren Grundlage wurden im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ praxistaugliche EPDs für Fenster und Außentüren aus Holz, PVC und Aluminium erstellt.

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg arbeitet beim Institut für Fenstertechnik (ift) in Rosenheim.


Praxishilfen für Architekten

App „FensterCheck“
Die App „Energie sparen mit Fenstern und Glas“ ermöglicht Architekten eine einfache und schnelle Abschätzung der Uw-Werte für die alten Fenster sowie der energetischen Einsparmöglichkeiten durch den Fenstertausch. ift-rosenheim.de/rechentools

Ausschreibungshilfe Fenster
Die Ausschreibungshilfe erleichtert die normkonforme Ausschreibung von Fenstern und Außentüren. Beschreibungen, Normverweise und Detailzeichnungen erleichtern die Festlegung unterschiedlicher Anforderungen. ift-rosenheim.de/iftausschreibungshilfe

Einsatzempfehlung Fenster und Außentüren
Das Tool ermöglicht eine einfache und normkonforme Klassifizierung. Durch die Eingabe von Postleitzahl und Einbauhöhe ermittelt das Programm auf Basis der DIN 1055-4 „Windlasten“ die Empfehlungen für die Anforderungen im Hinblick auf Windlast und Schlag­regendichtheit. ift-einsatzempfehlungen.de

Neue Fenster-Richtlinie
Zu Fenstern, Oberlichten und lichtdurchlässigen Wänden ist im Januar eine neue Technische Richtlinie für Arbeitsstätten erschienen. Nach einer erfrischend klaren und knappen Definition („Fenster sind Bauteile zur natürlichen Beleuchtung“) enthält sie zahlreiche Vorgaben, die meist aber Ziele beschreiben und nicht starr bestimmte Wege vorschreiben. Besonders differenziert sind die Vorschriften zu „kraftbetätigten“, also maschinell bewegten Fenstern. Unter www.baua.de in das Suchfeld oben rechts „Fenster“ eingeben.

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