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[ Nachhaltiges Bauhaus ]

Gropius ungedämmt

Energieeffizienz und Denkmalschutz - geht das? Am Bauhaus entschärften die Verantwortlichen und Planer diesen Konflikt auf eine ungewöhnliche Weise. Sie änderten die Nutzung eines ganzen Gebäudeteils und setzten bei der Sanierung auf ein ehrgeiziges Planungskonzept.

Außen Tradition: Den Fenstern am Atelierhaus (Prellerhaus) merkt man von Weitem die Erneuerung nicht im Geringsten an.

Von Jürgen Tietz

Denkmale sind anders. Um ihre Bausubstanz und damit ihren historischen und künstlerischen Wert zu erhalten, sind die gängigen Maßnahmen einer energetischen Sanierung selten geeignet. Unter dicker Dämmung, Kunststofffenstern und Photovoltaikanlagen drohen genau jene Qualitäten verloren zu gehen, die die besonderen Werte eines denkmalgeschützten Gebäudes ausmachen und seine kulturelle Nachhaltigkeit für die Gesellschaft begründen. Denkmale können schließlich – im Gegensatz zum Konzept der forstwirtschaftlichen Nachhaltigkeit – nicht nachwachsen. Sie sind einmalig und fordern eine angemessene Behandlung. Für sie gilt im besonderen Maße, was Mike Guyer vom Züricher Architekturbüro Gigon Guyer grundsätzlich zum Verhältnis von Architektur und Energiestandards formuliert hat: „Die technischen Regeln sind Hilfsmittel. Aber sie werden für uns nie die primäre Grundlage für das architektonische Konzept oder den Ausdruck unseres Gebäudes sein.“

Dieser Geist prägte jetzt die energetische Teil-Instandsetzung des Dessauer Bauhaues. Einen drohenden Konflikt zwischen Denkmal- und Klimaschutz entschärften die Bauhäusler auf eine noch ungewöhnliche Weise: Sie änderten die Nutzung eines Gebäudeteils. Die energetische Teil-Instandsetzung der Welterbestätte setzte das Berliner Architekturbüro Winfried Brenne in Zusammenarbeit mit Transsolar aus Stuttgart um – in enger Abstimmung mit der Bauabteilung des Bauhauses, der Denkmalpflege Sachsen-Anhalt und dem Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS). Die Kosten von 3,89 Millionen Euro deckte das Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Die Ausgangslage am Bauhaus war sowohl durch hohe Energie- und Unterhaltskosten als auch durch bauphysikalische und Materialprobleme gekennzeichnet. So führt die große Glasfront des Werkstattflügels, die im Rahmen der DDR-zeitlichen Bauhaussanierung 1976 entstanden ist, im Sommer zur Überhitzung im Inneren des Hauses. Im Winter trägt sie dagegen zu stetig steigenden Heiz- und Energiekosten bei, sofern eine angenehme Arbeitstemperatur im Haus erzielt werden soll. Zugleich bilden sich an kühlen Wintertagen gerade durch Erwärmung und Luftfeuchtigkeit, die mit der Büronutzung einhergehen, große Mengen Kondenswasser an den Glasflächen. Das wirkt sich naturgemäß negativ auf die Substanz der Stahlfenster aus. Am Brückenbauwerk mit dem Direktorenzimmer, das Werkstatt- und Nordflügel miteinander verbindet und noch nicht saniert wurde, ist der teilweise dramatisch schlechte Zustand der korrodierenden Fensterrahmen von 1976 deutlich sichtbar. Ebenso wie die daraus resultierenden Folgeschäden: das ins Mauerwerk einsickernde Kondenswasser sowie die nachfolgende Schimmelbildung.

Geschichtsbewusst: An der Ostfassade des Atelierhauses heißt das Motto bei den Fenstern: „Zurück zu den Ursprüngen“. Aber die neuen Fenster sind High-Tech und sie ähneln äußerlich denen der 1970er Jahre.

High-Tech-Fenster mit DDR-Optik

Die Stiftung Bauhaus Dessau unter ihrem Direktor Philipp Oswalt entschied sich für eine zweigleisige Strategie. An der Nordfassade und an der Ostfassade des Atelierhauses wurden die schadhaften Fenster aus der DDR-Zeit durch Neubauten mit thermisch getrennten Stahlprofilen ersetzt. In ihrer Profilierung kommen sie den erbauungszeitlichen Fenstern von 1926 mit der Wirkung des planen „Kristallspiegelglases“ sehr nahe. Zudem sind nun auch die mittleren Flügel der Fenster wieder zu öffnen. Die neuen Fenster sind Ergebnis der Zusammenarbeit zweier spezialisierter Handwerksbetriebe aus der Schweiz und den Niederlanden, die mit Lasertechnik und glasfaserverstärktem Kunststoff thermisch getrennte Profile verwirklicht haben und so eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz ermöglichen. Wer heute an der Nord-Ost-Ecke des Bauhauses die neuen Fenster mit denen aus der DDR-Zeit vergleicht, der muss wirklich zweimal hinschauen, ehe er den Unterschied bemerkt. Und dieser Unterschied fällt keineswegs zum Nachteil der neuen Fenster aus.

Das Ergebnis des Fensteraustauschs ist neben der (berechneten) Energieeinsparung von rund 43 Prozent im Nordflügel ein deutlicher Gewinn an Behaglichkeit in den Arbeitsräumen. Gleichwohl stellt sich die grundsätzliche denkmalpflegerische Frage, ob man bei den Fenstern von 1926 an der Südseite in der Abwägung der energetischen und denkmalpflegerischen Belange zur gleichen Entscheidung gelangt wäre. An der Nordseite geben zentral angesteuerte Thermostate an den Heizungen in Verbindung mit Messgeräten in den Räumen den Nutzern eine Rückmeldung über das aktuelle Raumklima: Ein Signet auf ihrem Computerbildschirm erinnert sie bei zu hoher Luftfeuchtigkeit ans fällige Öffnen der Fenster.

Der Eingriff in die Denkmalsubstanz, den der Fensteraustausch bedeutet, wird jedoch erst im Zusammenspiel mit einer zweiten Grundsatzentscheidung sinnfällig: Die High-tech-Lösung bei den Fenstern wird durch eine Low-tech-Lösung bei der Nutzung der Räume des Bauhauses ergänzt. Dort besteht Spielraum: Schon zuvor waren die Archivräume des Bauhauses in eine einstige Brauerei verlagert. Und die Bibliothek befindet sich inzwischen direkt neben dem Bauhaus in der ehemaligen Kaufhalle, die nach Entwurf des Berliner Architekten Reiner Becker umgebaut wurde.

16 Grad müssen reichen

Jetzt wurde die Büronutzung aus dem Werkstattflügel des Bauhauses abgezogen und auf den Nordflügel konzentriert. Der frei geräumte Werkstattflügel steht künftig ausschließlich für die Wechsel- und Dauerausstellungen des Bauhauses zur Verfügung und wird daher im Winter künftig auf maximal 16 Grad geheizt. Das spart rund 50 Prozent Heizkosten und senkt so, zumindest vorübergehend, die Betriebskosten des Bauhauses. Zugleich soll die Kondenswasserbildung an den Fenstern eingeschränkt werden, was deren Substanz zugutekommen soll – eine sinnvolle Lösung, auch wenn klar ist, dass der Werkstattflügel mit seiner Glasarchitektur nie die hohen Klimaanforderungen für empfindliches Kunstgut erzielen wird, wie ihn der internationale Ausstellungsverkehr erfordert. Stattdessen sagt der Werkstattflügel mit seiner Grundkonstruktion von 1926 und seiner Fassade von 1976 jedoch viel über die Geschichte des Bauhauses und seine höchst wechselhafte Akzeptanz jenseits seiner ikonenhaften Bedeutung für die Architekturgeschichte aus. Als Teil des Welterbes dient er nicht nur als Ort für Ausstellungen, sondern wird auch in seiner Rolle als Ausstellungsstück seiner selbst gestärkt.

Vor dem energetischen Eingriff ins Bauhaus fand eine präzise Raum- und Nutzungsanalyse des Bestandes statt. Das war eine kluge, weil substanzschonende Maßnahme, die half, bauliche Eingriffe zu reduzieren. Ein Ansatz, der nicht nur für Denkmale sinnfällig ist. In diese Richtung weisen auch Überlegungen anderer Architekten, etwas des Schweizers Gion A. Caminada: „Interessanter als technische Ansätze zum Energiesparen finde ich strukturelle oder räumliche.“ Dazu gehören unterschiedliche Wärmezonen in einem Haus, die Caminada nicht als Komfortverzicht begreift, sondern als einen Mehrwert für die Bewohner.

Aus einer solchen Denkweise heraus ist der dritte energetische Eingriff am Bauhaus unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten am kritischsten zu bewerten. Auf dem Dach des Nordflügels wurde eine temporäre Photovoltaikanlage genehmigt, gebunden an den Lebenszyklus der aktuellen Dachkonstruktion, was jedoch die Ansicht der „fünften Fassade“ verändert. In Kauf genommen wurde dies, weil die Anlage die Primärenergieleistung verbessert und ihr Bau die Gelegenheit bot, die Dachkonstruktion des Nordflügels zu reparieren und die Durchfeuchtung unter der Dachhaut zu beheben.

Wünschenswert wäre es insgesamt, wenn die energetischen Maßnahmen an der Welterbestätte durch eine wissenschaftliche Evaluation begleitet würden, um deren ökonomischen, ökologischen und denkmalpflegerischen Nutzen sowie die bauphysikalischen Konsequenzen auch längerfristig bewerten zu können. Doch das wäre nicht ganz billig und ist bisher nicht geplant.

In ganz Deutschland stehen die Chancen für eine denkmalgerechte Instandsetzung jetzt besser: Voraussichtlich im April führt die KfW für ihre zinsgünstigen Darlehen einen neuen Standard „KfW-Effizienzhaus Denkmal“ ein. Nach Mitteilung der staatlichen Förderbank soll er „den besonderen Herausforderungen Rechnung tragen, die ein energetischer Umbau, z.B. bei einer historisch oder architektonisch besonders wertvollen Fassaden, mit sich bringt“. Der neue Standard wurde unter fachlicher Mitwirkung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz entwickelt.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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