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[ Schwerpunkt City und Vorstadt ]

Dezentralisiertes Zentrum

Offene Straßen, lichte Plätze und neue städtische Wege: Ein Center in Hildesheim probiert Integration statt Abschottung

Zur Arneken-Galerie in Hildesheim gehören offene Straßen.

Text: Roland Stimpel

Da hinten am Ende der Gasse muss das Einkaufszentrum Arneken-Galerie sein: Von der Haupteinkaufsmeile Almsstraße sieht man durch den schmalen Querweg ein Stück Glasfassade mit dem Schild „Saturn“ drauf. Hildesheims Chef-Stadtplaner Thorsten Warnecke führt durch das Gässchen, das noch vor dem Centerbau in eine breitere Querstraße mündet – etwas steril mit ihren Neubauten, aber ein offenes Stück Stadt. Jetzt aber rein in die Konsumkiste, obwohl draußen die Sonne scheint. Überraschung: Sie scheint durch viel Glas auch drinnen; manche Läden haben nicht mal Kunstlicht. Und Warnecke lockt auf einen kleinen ovalen Platz – zwar von Rolltreppen durchzogen, aber frei von der Bedrückung, die die „Foodcourts“ gewöhnlicher Center vermitteln.

Wir bewundern in einer verglasten Grube unterm Platz ein Stück Wehrgang aus dem Dreißigjährigen Krieg, fahren in den zweiten Stock und schauen von der hinteren Platzseite aus zurück. In einem üblichen Einkaufszentrum sähe man jetzt nur Läden, Läden und dahinter noch mehr Läden. Hier sehen wir viel Platzluft und dahinter Hildesheim: das Gässchen, durch das wir gekommen sind, und an seinem Ende den Turm der Jakobikirche von 1514. Wieder unten, wählt Warnecke den zweiten Hauptausgang, von dem ebenfalls eine Gasse zur Almsstraße führt. Wir gehen raus an die Luft – aber bleiben im Center. Denn die Häuser an der Querstraße gehören noch dazu, beide Gassen und ihre Randbauten auch. Hildesheims Arneken-Galerie verkörpert einen jungen, urbaneren Typ Einkaufszentrum: integriert statt isoliert, offen statt abgeschirmt, zur Kooperation mit der vorhandenen Stadt angelegt statt als Konkurrenz.

Bloß kein Ufo in der Altstadt

Die Arneken-Galerie ist Hildesheims größtes City-Bauprojekt seit dem Krieg, aber man sieht es ihr nicht an. Ihr überdeckter Teil steht am Rand des historischen Kerns, wo es zuvor nur angegraute Nachkriegsbauten und Parkplätze gab. „Die Stadt wollte dort schon lange eine Mall“, berichtet Thorsten Warnecke. „Aber es sollte keine sein, die sich als Fremdkörper neben gewachsene Strukturen setzt wie ein gelandetes Ufo, sondern eine möglichst selbstverständliche Erweiterung der Innenstadt. Die beste Mall war für uns eine, bei der man gar nicht erkennt, dass man bereits in einer ist.“

Aus der Luft (Bild unten) wirkt das Einkaufszentrums zwar so monolithisch wie andere. Doch Teile der Blöcke darunter gehören auch dazu, und der Hauptteil ist mit Gladach und -fassaden transparenter als herkömmliche Center. Das Parkhaus links war unvermeidlich, bietet aber eine Aussichtsplattform über die Altstadt. Architekten: T+T Design, Gouda (Städtebau), Gerd Lindemann + Partner, Braunschweig (Phasen 2 bis 4) Peter Kulka, Dresden (Werkplanung für GU) sowie RKW, Düsseldorf

Das konnte bei 28.000 Quadratmetern Fläche nicht komplett funktionieren, aber die Bilanz ist doch gut. Eine offenere Struktur, sagt Warnecke, „erfordert allerdings einen verständigen Investor.“ Er darf keine autistische, allein für Handel und Mietflächeneffizienz optimierte Verkaufsmaschine wollen. Damit lief es auf den holländischen Center-Entwickler Multi Development hinaus. Der hat sich an der besseren Center-Integration schon vor über zehn Jahren mit den Clemens-Galerien in Solingen versucht, später mit dem Forum Duisburg (DAB 12/2008, Seite 16) und der Kamp-Promenade in Osnabrück. In Hildesheim waren sich Stadt und Entwickler rasch über das Grundkonzept einig: Eine tote Ecke wird belebt; durch einen bislang geschlossenen 400 Meter langen Straßenblock schlägt das Unternehmen zwei Querverbindungen zur Almsstraße. Die Architektur sollte Vielfalt und Kleinteiligkeit zumindest suggerieren. Und die Struktur sollte das bestehende Hildesheim nicht leer saugen, sondern das Zentrum bereichern – als Gegengewicht zu den Stadt-Konkurrenten Hannover und Braunschweig.

Neue öffentliche Wege

Wo Einigkeit im Grundsatz war, ließen sich auch komplizierte Detailfragen leichter lösen: Mehr als 100 kleine Einzelparzellen mussten zusammengelegt, einige Bewohner und Gewerbe­treibende zum Umzug bewegt werden. Weil über das Gelände einst die Stadtmauer führte, wurden in den Bauablaufplan von vornherein auch Zeitfenster für archäologische Grabungen integriert.

Die bisher namenlosen neuen Gassen sind im Besitz des Center-Betreibers Corio, der den ganzen Komplex vom Entwickler Multi Development übernommen hat. Doch die Gassen sind öffentlich gewidmet, also jederzeit ohne Barriere und Kontrolle zugänglich. Auch ein Querweg durchs überdachte Center, der zu einer wichtigen Bushaltestelle führt, bleibt abends lange nach Ladenschluss geöffnet. „Anderswo haben Center öffentliche Straßen privatisiert“, sagt Warnecke. „Hier gibt es für die Öffentlichkeit neue Wege durch private Blöcke.“

Das Center wäre besser mit „Handelsquartier“ bezeichnet. Im März hat es eröffnet, ist noch nicht voll vermietet, hat aber schon Sport- und Modehändler aus vorstädtischen Fachmärkten in die Innenstadt zurückgelockt. Eine integrierte Kita, ein Kinder-Entdeckungspfad zur Geschichte und die Barrierefreiheit haben ihm das Gütesiegel des Hildesheimer Bündnisses für Familien eingebracht. Und Warnecke sieht für die Stadt „städtebaulich wie strukturell einen Riesengewinn“.

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