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[ Brandschutz ]

Gegen heiße Geschäfte

Beim baulichen Brandschutz kleinerer Läden sind Umsicht und Eigeninitiative gefragt

Von Dietrich Hinz

Es brennt immer häufiger in Deutschland, obwohl die Zahl der Regelwerke und Brandschutzauflagen seit Jahren überproportional wächst. Entsprechend sensibel und teilweise überzogen verlangen die Bauordnungsämter und Aufsichtsbehörden die Einhaltung der baurechtlichen Bestimmungen oder ihrer eigenen Vorstellungen. Das trifft auch für kleine Läden mit einer Verkaufsfläche unter 2.000 Quadratmetern zu. Sie unterliegen aufgrund ihrer geringen Größe nicht der Verkaufsstättenverordnung (VkVO), sondern den jeweiligen Landesbauordnungen. Je nach Bundesland ist dann wiederum hinsichtlich der Größe der Verkaufsfläche unterschiedlich geregelt, ob der Laden brandschutztechnisch dem Wohnungs- oder dem Sonderbau zuzuordnen ist. In Bayern liegt die Grenze zum Beispiel bei 800 Quadratmetern. Ist die Verkaufsfläche kleiner, gelten die angepassten Anforderungen der jeweiligen Landesbauordnungen, darüber die höheren für einen Sonderbau. Außerdem ist die Gebäudegröße entscheidend. Auch das ist in den Landesbauordnungen unterschiedlich geregelt. Entsprechend muss der Planer zuerst die Gebäudeklasse ermitteln und das Verkaufssortiment feststellen. Danach ist der Gang zum Bauamt zu empfehlen, um die erforderliche Branddauer festzulegen. Auf dieser Basis wird anschließend bestimmt, welche brandschutztechnischen Anforderungen die einzelnen Bauteile erfüllen müssen. Die Abgleichung mit der Standsicherheit, dem Wärme- und Schallschutz muss folgen. Im Einzelnen ist zu klären:

  • welche Brandschutzanforderungen die einzelnen Bauteile erfüllen müssen,
  • welche Fluchtwege zur Verfügung stehen müssen,
  • wie die Fluchtwege ausgestattet werden müssen,
  • mit welcher Besucherzahl maximal zu rechnen ist,
  • welche Installationsleitungen verkoffert oder mit Brandschutzmanschetten versehen werden müssen,
  • welche Lagerflächen für die Anlieferung und Zwischenlagerung von Verpackungsmaterial wo eingeplant sind,
  • dass Müllräume in der Regel umschließend feuerbeständig abzusichern sind.

Unterschiedliche Bewertung

Wird ein Laden beispielsweise in ein Haus der Gebäudeklasse 1 bis 3 eingebaut, sind häufig von den Vorgaben abweichende einfache brandschutztechnische Lösungen möglich. Um den baulichen Brandschutz zu erfüllen, ist hier lediglich der Gewerberaum zu den Wohnungen hin durch feuerbeständige Bauteile zu trennen.Das kommt wegen der relativ geringen Kosten dem Bauherrn entgegen. Streitpunkt sind oft auch das Sortiment oder scheinbare Details im Ladenbetrieb: Zum Beispiel werden an eine Kfz-Ausstellung ohne Benzin im Tank geringere Anforderungen gestellt als an einen Raum mit betankten Autos. Die Ämter begründen höhere Auflagen häufig auch damit, dass ein späterer Ladenbetreiber leicht entflammbare Farben, Lacke oder Reinigungsmittel anbieten könnte. Daher sei die höchste Brandabsicherung gerade gut genug. In so einem Fall sollte der Planer darauf hinweisen, dass der vorbeugende Brandschutz bei einem Sortimentswechsel neu überprüft werden kann.

Planung der Fluchtwege

Grundsätzlich müssen alle Nutzungseinheiten über zwei verschiedene Wege evakuierbar sein. Nur im Ausnahmefall reicht ein einzelner Fluchtweg, der dann besonders abzusichern ist. Im Ladenbau ist das aber kaum möglich, denn ein Fluchtweg darf nicht mit Waren oder Verpackungsmaterial zugestellt sein. Deshalb sind der Warentransport, die Lagerung im Laden sowie die Entsorgung von Verpackungsmaterial und Müll bereits bei der Planung hinsichtlich des Brandschutzes zu berücksichtigen.

Der erste Fluchtweg wird direkt durch die Eingangstür ins Freie führen oder über das Treppenhaus erfolgen. Der zweite Weg ist an der Seite des Ladens oder nach hinten heraus zu planen und feuerbeständig und rauchdicht auszuführen. Er muss außerdem gegen im Brandfall herabstürzende Bauteile gesichert sein. Auch muss der Weg so breit und hoch sein, dass Brandrauch auf natürliche Weise abziehen kann. Das gestaltet sich bei Bestandsgebäuden manchmal schwierig. Wichtig ist, dies vorher zu prüfen. Kann der Brandrauch nicht abziehen, ist der zweite Fluchtweg als Tunnel beziehungsweise als Verbau herzustellen. Bei Läden mit mehreren Geschossen werden außen installierte Feuerleitern nicht als zweiter Fluchtweg anerkannt, da möglicherweise viele Personen zu retten sind.

In der Regel muss sich der Fluchtweg auf dem eigenen Gelände befinden; nur im Ausnahmefall darf er über das Nachbargrundstück geführt werden. Die Breiten des Ganges und der Tore richten sich nach der Zahl der Menschen, die im Brandfall wahrscheinlich anwesend sein könnten. Ferner ist zu beachten, ob unter den Ladenbesuchern Behinderte sein können. Dann müssen die Fluchtwege auch von ihnen reibungslos nutzbar sein.

Ausstattung der Fluchtwege

Die Wege müssen den Menschen die notwendige Sicherheit zur Flucht geben. Die Feuerwehrleute brauchen die Sicherheit, die Brandbekämpfung über diese Wege durchführen zu können. Dazu sind erforderlich:

Keine brennbaren Stoffe innerhalb der Fluchtwege: Je nach Gebäudehöhe und Fluchtweglänge müssen die Baustoffe feuerhemmend bis feuerbeständig sein. Näheres regelt die Bauordnung. In den Fluren dürfen auch keine brennbaren Schaukästen aufgestellt sein und es darf kein Verpackungsmaterial gelagert werden; Leitungen der TGA sind nur mit Verkofferungen erlaubt.

Austausch erforderlich: In einem Treppenhaus, das als Fluchtweg dient, sind Holzkästen als Unterverteilung verboten. Der Holzkasten ist durch einen Metallkasten zu ersetzen.

Ausreichende Brandwiderstandsdauer, in der Regel 90 Minuten: Wände und Decken müssen zumindest in der Bauart von Brandwänden ausgebildet werden. Sie dürfen also im Brandfall nicht durch herabstürzende Bauteile oder Inventar zerstört werden. Weiterhin müssen sie das Eindringen und Ausbreiten der Flammen verhindern. Bei Sicherheitstreppenhäusern sind Schleusen vorzusehen. Wird der Weg zu lang oder zu brandgefährlich, werden vielfach Sprinkleranlagen eingesetzt. Allerdings durchnässen sie die betroffenen Bauteile und Handelswaren. Die leichten Sprühnebel als alternatives System wirken nur kühlend auf die Räume, weil die Tröpfchen durch die Hitze verdampfen. Diese Version kann zum Einsatz kommen, wenn die Wände der Fluchtwege durch Glasbauarten gebildet werden und statt einer F-Verglasung, die die Hitze abhält, aus Kostengründen nur eine G-Verglasung vorgesehen wird.

Fahrlässige Rohrdurchführung: Rohr umwickelt statt mit Manschetten versehen, Deckenverschluss mit geschäumtem Material, jedoch kein Brandschutzschaum, ungeschütztes elektrisches Kabel.

Rauchfreie oder zumindest raucharme Räume: Damit die Menschen fliehen können, darf keine Vergiftung durch Rauchgase drohen. Zudem sieht man im Nebel nichts und verliert die Orientierung. Deshalb müssen die Türen zu den Fluchtwegen rauchdicht (rd) und selbstschließend (ss) sein. Bei Sicherheitstreppenhäusern dient die Schleuse zur Rauchsperre, weshalb sich die beiden Türen nur nacheinander öffnen lassen dürfen. Bei langen Fluren ist im Abstand von 30 Metern eine Zwischentür anzuordnen, die nicht verschließbar, aber rauchdicht ist.

Unwirksamer Fluchtweg: Müllcontainer müssen in einem gesonderten F90–Raum stehen, keine Fluchtweg-Kennzeichnung vorhanden, Motorrad und Sperrmüll würden die Flucht stark behindern.Fahrlässige Rohrdurchführung: Rohr umwickelt statt mit Manschetten versehen, Deckenverschluss mit geschäumtem Material, jedoch kein Brandschutzschaum, ungeschütztes elektrisches Kabel.

In der Praxis stehen diese Türen allerdings meist offen. Lässt sich das betriebsbedingt nicht ändern, helfen Magnethalterungen, die sich im Alarmfall ausschalten und die Türen zufallen lassen. Definitiv die falsche Lösung ist ein Holzkeil zur Offenhaltung der Türen oder das Aushängen der Schließbügel am Türblatt.

Maßnahmen zur Entrauchung

Der Brandrauch wird in der Regel über Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) abgeführt. Je nach Anforderung sind diese im richtigen Verhältnis zur Grundfläche oder nach den Brandlasten auszulegen. Über die zu erwartende Geschwindigkeit der Brandausbreitung werden heute sogenannte Bemessungsgruppen nach DIN 18232-2 definiert. Auf Grundlage der Bemessungsgruppen lassen sich dann in Abhängigkeit von der Raumhöhe aerodynamische Rauchabzugsflächen ermitteln. Dazu ein Beispiel: Bei einem Ladengeschäft ohne besondere Brandlasten liegt die Brandleistung bei 6.000 kW, was der Bemessungsgruppe 2 (von 5) entspricht. Bei einer Raumhöhe von drei Metern beträgt dann die aerodynamische Rauchabzugsfläche 6,2 Quadratmeter. Hierbei wird eine Rauchschichtdicke unterhalb der Decke von einem halben Meter angenommen. Die verbleibende raucharme Schicht bietet mit 2,5 Metern Höhe genügend Raum zur Flucht. Bei einer Raumhöhe von vier Metern ergibt sich eine aerodynamische Rauchabzugsfläche von nur noch 3,6 Quadratmetern. Deshalb sollte bei Läden die Raumhöhe bei mindestens 3,5 Metern beginnen. Diese aerodynamischen Rauchabzugsflächen sind in jedem durch Zwischentüren trennbaren Flurbereich anzuordnen.

Versorgungsleitungen prüfen

Weiterhin ist zu klären, welche Installationsleitungen verkoffert oder mit Brandschutzmanschetten versehen werden müssen. Für Wasser- und Elektroinstallationen ist hierbei die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungen (MLAR) heranzuziehen. Welche Maßnahmen im Einzelnen auszuführen sind, ist in der oben stehenden Grafik dargestellt. Für Lüftungsanlagen, wie sie im Ladenbau und bei hochgedämmten Gebäuden eingebaut werden, gilt die Muster-Lüftungsanlagen-Richtlinie – kurz MLÜAR. So dürfen nach §§ 32 (8) und 33 (5) in Verbindung mit Absatz 4 der Musterbauordnung Leitungsanlagen in

  • notwendigen Treppenräumen,
  • Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen ins Freie,
  • notwendigen Fluren,
  • offenen Gängen vor Gebäudeaußenwänden, die die einzige Verbindung zwischen Aufenthaltsräumen und Treppenräumen herstellen,

    Brandschutz der Versorgungsleitungen: systematische Darstellung der Brandschutzmanschetten (M = Mörtelverguss, K = Körperschall­trennung)

nur angeordnet werden, wenn keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen. Hierzu werden in den einzelnen Muster-Richtlinien so viele Anforderungen an Leitungen und Manschetten formuliert, das sie in diesem Rahmen nicht ausführlich erläutert werden können. Grundsätzlich aber sollten sich Leitungstrassen möglichst außerhalb von Problemzonen befinden.

Dipl.-Ing. (Univ.) Dietrich Hinz ist beratender Ingenieur und Bausachverständiger in Ascha (Bayern).


Regelwerke

  • MBO – Musterbauordnung bzw. Landesbauordnungen
  • DIN 4102 – Brandverhalten von Baustoffenund Bauteilen
  • IndBauR – Industriebaurichtlinie
  • MHHR – Musterhochhausrichtlinie
  • MLAR – Musterleitungsanlagenrichtlinie
  • MLÜAR – Musterlüftungsanlagenrichtlinie
  • EC 2 – Planung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
  • EC 3 – Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
  • EC 4 – Bemessung und Konstruktion von Verbundbauwerken aus Stahl und Beton
  • EC 5 – Bemessung und Konstruktion von Holzbauwerken
  • NAD – diverse nationale Anwendungsdokumente zur Anwendung von EC
  • BMVBW – Brandschutzleitfaden für Gebäude besonderer Art und Nutzung

 

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1 Gedanke zu „Gegen heiße Geschäfte

  1. Leider ist die Beschreibung, dass im notwendigen Treppenraum eine Unterverteilung in einem Metallkasten erlaubt ist, falsch!!! Gemäß den gültigen Bauordnungen und der Leitungsanlagenrichtlinie sind Unterverteilungen in F 30/F 60/F90 Brandschutzanforderung nötig, je nach Gebäudeklasse!

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