Text: Christoph Beecken und Stephan Schulze
Energieeffizientes Bauen verlangt vom Architekten, dem Bauherrn für sein Projekt einen energetisch sinnvollen Standard vorzuschlagen. Allerdings wird der Überblick über die vielen energetischen Standards mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen auf Energieverbrauch, Gebäudetechnik und Baukosten stark erschwert. Oft wird deshalb nur auf den nach EnEV einzuhaltenden Mindeststandard verwiesen. Auch fehlt häufig das ökonomische Grundwissen für eine fundierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Der folgende Varianten-Vergleich anhand eines fiktiven Mehrfamilienhauses soll deshalb eine Orientierung bieten und zur rechtzeitigen Einbindung von Spezialisten anregen.
Definierte Randbedingungen
Bei dem betrachteten Objekt handelt es sich um eine typische Eigentums-Wohnanlage, die als Lückenschließung im Zuge städtischer Nachverdichtung geplant ist. Sie umfasst 24 Eigentumswohnungen, verteilt auf sechs Geschosse zuzüglich Keller. Bei Außenmaßen von zirka 20 mal 16 Metern ergibt sich eine Bruttogrundfläche von 2.100 Quadratmetern und eine Nutzfläche von 1.600 Quadratmetern. Der Untersuchung wurden übliche energetische Standards zugrunde gelegt:
• EnEV 2009 (Mindeststandard): Nachweise für ein Referenzgebäude gleicher Geometrie, Gebäudenutzfläche und Ausrichtung.
• KfW-Effizienzhaus: Gegenüber der EnEV 2009 verbesserter energetischer Standard. Die Bezeichnung der KfW-Effizienzhaus-Varianten entspricht dem Prozentsatz des Jahres-Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes, der (neben der Einhaltung weiterer Vorgaben) nicht überschritten werden darf.
• Passivhaus: Die einzuhaltenden energetischen Randbedingungen orientieren sich nicht am EnEV-Referenzgebäude, sondern an definierten Obergrenzen für den Heizwärmebedarf, für die Heizlast und für den Primärenergiebedarf. Daneben müssen auch Passivhäuser sämtliche Grenzwerte der EnEV 2009 einhalten.
Erreicht werden diese Standards durch beispielhafte Variationen der energetisch wirksamen Gebäudeelemente und der technischen Anlagen. Auf Grundlage der rechnerischen Energieverbräuche gemäß EnEV 2009 der Ausführungsvarianten werden die Unterschiede der Betriebskosten herausgearbeitet (Betriebskosten = Energiekosten + Wartungs- sowie Instandhaltungskosten für die technischen Anlagen). Die Instandhaltungskosten der Gebäudehülle werden vernachlässigt, da sie sich wegen der gleichen Ausführungsart aller Varianten nicht unterscheiden. Auf Basis von Referenzbauvorhaben werden die Mehrkosten der Varianten abgeschätzt. Unter der Prämisse, dass diese zu 80 Prozent über ein Darlehen finanziert werden, erfolgte eine statische Amortisationsrechnung: Zu welchen Zeitpunkten beginnen sich die Mehrkosten der energetisch höherwertigen Varianten durch die geringeren Betriebskosten gegenüber der Grundvariante auszuzahlen?
Ergebnisse und Bewertung
Die Tabelle und die Grafik zeigen die Amortisationszeiten: Die Amortisationsdauern ohne staatliche Förderung sind bei allen Varianten mit bis zu 45 Jahren sehr lang. Ohne sie wäre die Investition in höhere energetische Standards wirtschaftlich nicht sinnvoll, zumal bei Amortisationszeiträumen über 20 Jahren. Denn dann müsste zusätzlich der Ersatz von Anlagen und Bauteilen einkalkuliert werden, die ihre technische Lebensdauer erreicht haben. Dies würde die Amortisationsdauer weiter verlängern. Außerdem wird eine zutreffende Ergebnisprognose für lange Zeiträume immer schwieriger. Um dennoch verbesserte energetische Standards zu etablieren, existieren staatliche „Marktanreizprogramme“. Unter Berücksichtigung der aktuellen Fördermöglichkeiten des KfW-Programms 153 (KfW-Effizienzhaus) werden die Varianten C, D und E wirtschaftlich interessant. Denn durch die Förderung verkürzen sich ihre Amortisationsdauern beträchtlich. Die Varianten E „KfW-Effizienzhaus 40“ und D „Passivhaus“ amortisieren sich bereits nach anderthalb und neun Jahren. Variante C „KfW-Effizienzhaus 55“ amortisiert sich immerhin nach 25,5 Jahren. Die starken Auswirkungen geänderter Finanzierungskonditionen auf die Amortisationsdauer machen deutlich, wie sensibel Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auf Variationen der Eingangswerte reagieren. Auch hierüber müssen Architekten ihre Bauherren aufklären. Übersicht Investitions-Varianten: Anfangskosten und laufender Aufwand sowie Übersicht Kosten-Varianten: Mehraufwand und Amortisation – ohne und mit Staatshilfe
Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Christoph Beecken und Dipl.-Ing. Stephan Schulze sind Energieberater bei der bow ingenieure gmbh in Braunschweig.
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Beim Lesen des Artikels stellte sich mir die Frage, wo der Vergleich mit Massivbauweise bleibt? Bei den aufgelisteten Zusatzkosten werden zwar Betriebskosten aufgelistet, die Kosten für das entsprechend des möglichen Gebäudealters häufige Austauschen der Dämmung aber vernachlässigt. Bei der ganzen Dämmtätigkeit der letzten Jahre wird dieser Aspekt viel zu wenig beleuchtet. Noch sind die Erfahrungen mit Dämmungen, inbesondere dem vielfach verwendeten und vermeintlich kostenkünstigen Polystyrol, noch zu wenig statistisch erfasst, um belastbare Zahlen zu haben. Aber häufig wird von 20 – 30 Jahren Lebensdauer einer Dämmung – und das auch nur, wenn kein großer Baumangel frühzeitig entsteht – gesprochen. Bei neuen Bauherren kann man davon ausgehen, dass deren Ziel ist, 40 – 60 in einem Neubau zu leben. Sollte auf diese das 3 malige Austauschen der schadhaften Dämmung zukommen, sollte das mit auf die Rechnung. Und weitere Generationen werden die Häuser ja auch noch bewohnen.
Jetzt kann man sagen, nach 20 Jahren ist ohnehin eine Sanierung wieder fällig. Das Anbringen der Dämmung kehrt jedoch das Prinzip der EnEV um! Bislang heißt es in den Auslegungen der EnEV, Dämmmaßnahmen bei Altbauten seien wirtschaftlich nur zu vertreten, wenn ohnehin eine größere Putzsanierung anfällt. Wenn nun in Zukunft das Austauschen der Dämmung der eigentliche Grund dafür ist, dass eine Fassade vollständig neu verputzt werden muss, muss man sich bei der eigentlich beabsichtigten nachhaltigen Gebäudebewirtschaftung nach dem Sinn fragen.
Weitgehend unbeantwortet ist zudem die Frage der Entsorgung der Polystyrol-Dämmungen und deren Kosten. Wer sich in heutigen Zeiten Sondermüll ans Haus klebt, bloß, weil es schnell und praktisch erscheint, sollte auch hier bei den Kosten-Varianten einen Hinweis dazu erhalten.
Aus meiner Sicht müsste die Architektenschaft viel stärker dem Zeitgeist der Fertigbetonbauweise und notwendigem WDVS mit nachhaltigeren Lösugnen entgegen treten und Bauherren von anderen Lösungen überzeugen. Mehrgeschossige Häuser in Massivbauweise sind mit modernen Ziegeln und bei Einhaltung der EnEV möglich. Im Sinne der Baukultur wäre es also begrüßenswert, wenn sich auch das DAB in der Zukunft mit dieser Frage beschäftigen würde. Ein dabei aufzuzeigendes Finanzierungsproblem gegenüber anderer Bauweise kann Anreiz sein, hier zukünftig noch innovativer zu sein oder auch über bestimmte Fördermechanismen nachzudenken, die nicht nur der Dämmwirtschaft etwas nutzen.
Alexander Matthes, Stadtplaner, Berlin
Hallo!
Die Amortisationszeit beim KfW-EH 40 – im vergleich mit dem KfW-EH 55 – finde ich extrem kurz: 1,5 Jahre für Mehrkosten von 140.000 Euro! Das Programm 153 bietet außerdem die selbe Zinssätze für die drei energetische Standards (je nach der Darlehenslaufzeit). Dann liegt der Unterschied im Tilgungszuschuss: 10% beim KfW-EH 40 und 5% beim KfW-EH 55 (kein beim KfW-70). Bringt diese Differenz wirklich so viel?? oder haben vielleicht die Autoren mehrere Programme kombiniert.
Könnte bitte jemand mich aufklären?
Vielen Dank im Voraus.
Arnaud Mouchiroud, Energieberater, München