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[ Verfall ]

Verödung an der Blies

Kleinstadt West: Die Altstadt des saarländischen Blieskastel verwaist allmählich. Fast die Hälfte der einstigen Bewohner ist weg

Foto: wikipedia

Text: Nils Hille

Ach, wie romantisch könnte es hier doch sein! Schließlich ist Blieskastel eine der wenigen Städte im Saarland, die mit einer in großen Teilen erhaltenen historischen Bausubstanz aufwarten können. An den spätmittelalterlichen Siedlungskern grenzt die barocke Stadterweiterung. Auf dem Schlossberg steht die Franziskaner-Klosterkirche von 1778. Und die schmalen, gepflasterten Gassen der Altstadt laden zum Bummeln ein. Vieles steht unter Denkmalschutz.

Doch das einst schmucke Bild des 21.600-Einwohner-Städtchens wird grauer. An einem Dienstagmittag bummelt hier fast niemand durch. Die Ladenbesitzer sitzen gelangweilt hinter der Theke oder stehen vor der Tür und reden übers Wetter. Zur gleichen Zeit tummelt sich die einkaufende Bevölkerung wenige Hundert Meter weiter in einer Vorstadtstraße bei Lidl und Rewe. Hier können die Menschen direkt vor der Tür parken und ohne Hürden die Supermärkte erreichen. Der Besuch der Läden in der Altstadt gleicht dagegen für bewegungseingeschränkte Blieskasteler einem Hindernislauf: Fast immer gibt es Stufen zu erklimmen. Mal sind es nur eine oder zwei, zu einer der Apotheken sind es gleich fünf. Manch ein Geschäft hat eine Rampe bauen lassen, meist eher funktional als schmuck. Und wenn die Blies über die Ufer tritt, droht den Passanten Wassertreten. Bekannte Ladenketten haben sich in Blieskastel erst gar nicht angesiedelt, dafür allerdings auch keine Ein-Euro-Shops. Extra geschaffene größere Ladenlokale werden wieder zurückgebaut oder bleiben verwaist.

Bürgermeisterin Annelie Faber-Wegener spricht von „so gut wie keinem Leerstand in der Altstadt“. Doch wer vor die Tür des Rathauses tritt und eine kleine Runde durch das Zentrum geht, fragt sich, von welcher Stadt sie spricht. Ihr Blieskastel kann sie eigentlich nicht gemeint haben. Hier stehen unübersehbar zahlreiche Häuser leer und verfallen. Oft hängen noch Reste der Beschriftung und Beklebung der gescheiterten Einzelhändler an den Scheiben oder Fassaden. Vor einigen Jahren gab es in Blieskastel mal ein Förderprogramm für Gewerbeansiedlung. Ein Mietzuschuss für das erste Jahr lockte Händler an. „Das hat ganz gut gegriffen, doch wir mussten es aus Kostengründen einstellen“, sagt Faber-Wegener. Seitdem sank auch die Nachfrage nach Geschäftsräumen deutlich. Viele der neuen Händler waren kurz nach dem Förderjahr auch wieder weg.

Alles nur Fassade

Seit Mitte der 1980er-Jahre wird in der Altstadt von Blieskastel zwar immer mal wieder etwas saniert, doch meist nur die Hüllen der Gebäude. Faber-Wegener will „Fassaden für Touristen attraktiver machen“. Hinter der historischen Kulisse ging der Verfall aber weiter. Nur teilweise gab es eine separate Erschließung der Obergeschosse. Die wäre aber dringend nötig, da die meisten Ladenbesitzer nicht mehr wie früher direkt über ihrem Geschäft wohnen. Wegen Unerreichbarkeit stehen die oberen Etagen leer. Wer in den letzten Jahrzehnten gutes Geld verdient hat, besitzt ein Eigenheim auf der Höhe oder wohnt ganz woanders.

Das alles hat klar bezifferbare Folgen, wie in einem Zwischenbericht des städtebaulichen Entwicklungskonzepts ablesbar ist: In den vergangenen 30 Jahren ist die Einwohnerzahl im Zentrum von Blieskastel um satte 40 Prozent zurückgegangen. In der gesamten Stadt sind es rund acht Prozent.

Zudem wird in dem Bericht auch der demografische Wandel sehr deutlich, der die Altersstrukturen verschiebt. Heute wohnen deutlich weniger Menschen unter 20 Jahren (minus acht Prozent) sowie mehr Menschen über 65 Jahren (plus neun Prozent) als vor 30 Jahren in Blieskastel. Tendenz anhaltend. Schlussfolgerung des Berichts: „Dieser Trend erfordert eine Anpassung der Stadtentwicklungsstrategien in Richtung senioren- und behindertengerechter Infrastruktur-Ausstattung (…).“ Davon ist wenig zu spüren oder zu erfahren. Doch einiges passiert auch, das die Bürgermeisterin „ganz gut auf den Weg gemacht“ nennt: Ein vor zwei Jahren entwickeltes Verkehrskonzept wird unter anderem den Luitpoldplatz am nördlichen Rand der Altstadt stärker einbeziehen. Und der neue Busbahnhof wird barrierefrei zugänglich sein. Weitere Maßnahmen, gerade in der Altstadt, scheinen aus Kostengründen sowie aufgrund des hohen Anteils an Privateigentum sehr schwierig. Die Zukunft ist ungewiss und alles andere als romantisch. Faber-Wegener: „Wir können mit anderen Städten nicht mithalten.“

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