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[ Architekturvermittlung ]

Hauslehrer

Überall sprießen Initiativen zur Architekturvermittung an Schulen

Ausstellung der Schülerarbeiten im historischen Museumshof. Foto: Anja Menzel

Text: Simone Hübener

Architektur als eigenständiges Schulfach? Das ist ein alter Wunsch, der allerdings wegen der Überfrachtung der Lehrpläne keine großen Chancen hat. Aber es gibt andere Möglichkeiten: Architektur lässt sich im Kunstunterricht verankern, aber auch in Fächern wie Geschichte, Geografie, Physik und Mathematik. Dazu existieren zahlreiche Ansätze – zum Beispiel der des Netzwerks „Architektur und Schule“ der Landesarbeitsgemeinschaft Bayern (www.architektur-und-schule.org) mit rund 50 engagierten Lehrern und Architekten. Sie veranstalten regelmäßig Architekturprojekte an Schulen aller Art, entwickeln Materialien und Methoden für den Unterricht und bilden Lehrer fort. Größte Belohnung – neben der Begeisterung der Kinder – war die Siegerehrung auf dem Architektur-Weltkongress in Tokio 2011 in der Kategorie „Schule“. Wichtigste Themen sind Wohnen, Schulhäuser, Räume für Jugendliche, Städtebau und Stadtentwicklung sowie nachhaltiges Bauen. In der Praxis machen allerdings die 45-Minuten-Blöcke Probleme, die sich wenig für eine umfangreichere Projektarbeit eignen.

Das bayerische Netzwerk ist eine der Initiativen, die sich im Oktober auf der Tagung „Architektur macht Schule“ der Bundesarchitektenkammer und der Architektenkammer Berlin vorstellten. Mit teils überraschenden Erkenntnissen: Der bayerische Netzwerk-Architekt Jan Weber-Ebnet hat zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass sich – zumindest in Bayern –Hauptschulen besonders für das Thema eignen. „Sie stecken erstens in einem nicht ganz so engen Korsett, zweitens wird dort viel Wert auf außerschulische Kompetenzen gelegt und drittens sind sie oft besser mit Werkstätten ausgestattet als beispielsweise Realschulen oder Gymnasien.“ In Letzteren bietet Bayerns sogenanntes Praxisseminar in der elften Klasse die Chance, ein architektonisches Projekt zu realisieren. Das Seminar ist mit sechs Monaten Dauer kurz genug, um die Jugendlichen die ganze Zeit über bei der Stange zu halten – eine Herausforderung, die nicht unterschätzt werden sollte. Auch Grundschulen eignen sich für das Thema gut: Hier unterrichten die meisten Lehrer mehrere Fächer, haben also für Projekte mehr Zeit und können sie individueller einteilen.

Heitere Preisverleihung: Ergebnisse eines Schülerwett- bewerbs der Hamburger Initiative Architektur und Schule. Foto: Anja Menzel

Wiederum für Gymnasien bildet Hannes Hubrich als Dozent an der Bauhaus-Universität Weimar angehende Kunsterzieher in Architektur aus. Das soll eine Lücke schließen: Bis dato hatten meist nur Planer das architektonische Fachwissen und nur Lehrer die notwendigen pädagogischen Kompetenzen. Mittlerweile haben nicht nur die Lehramtsstudenten Freude an diesem Thema gefunden, sondern es entscheiden sich auch immer mehr Architekten für Hubrichs Angebot.

Seit 2010 gibt es auch professionell erarbeitetes Unterrichtsmaterial: Die Wüstenrot-Stiftung hat in Sachen Architektur „Curriculare Bausteine für den Unterricht“ erarbeitet, die auf ihrer Website (www.wuestenrot-stiftung.de) heruntergeladen werden können. Sie zeigen auf, wie vielfältig sich das Thema Baukultur in den Schulunterricht einfügen lässt. Das hilft gerade Lehrern, die Kollegen für Projekte suchen, die den normalen Schulstunden-Rahmen sprengen.

 

Lieber beraten als belehren

Am Anfang der Auseinandersetzung mit Architektur steht in Schulen immer die Frage, was diese eigentlich ist, wie Umwelt, Architektur und Mensch zusammenhängen. Und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Das will praktisch und sinnlich erkundet und untersucht sein. Von „Beratung statt Belehrung“ spricht deshalb Ralf Fleckenstein vom in Essen ansässigen, deutschlandweit tätigen Verein JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. (www.jugend-architektur-stadt.de). „Selbstverständlich ist es wichtig, Wissen zu vermitteln. Doch für uns steht im Vordergrund, dass die Teilnehmer lernen, einen eigenen Standpunkt und eine eigene Haltung einzunehmen, eine Idee zu entwickeln und umzusetzen.“ Experten sind sich aber einig, dass es nicht um die Heranbildung kindlicher Architekten geht. Stattdessen sollen junge Menschen unterstützt werden, in Bezug auf die gebaute Umwelt mündige Bürger zu werden, sich ein fundiertes Urteil über „gut“ oder „schlecht“ zu bilden und bei Entscheidungen mitzureden. Deshalb spricht man beispielsweise in Finnland auch nicht von „Architektur macht Schule“, sondern von „citizens education“.

Dass das Erkennen und Verstehen sehr schwierig sein kann, hat die Dortmunder Kunstprofessorin Barbara Wenzel erfahren. Schüler vernetzen die Bilder, die ihnen in den Schulbüchern präsentiert werden, nicht mit dem Stadtraum. Sie erkennen die gesehenen Orte in der Realität nicht wieder. Das liegt zum einen daran, dass die Perspektive, aus der die „perfekten“ gedruckten Bilder aufgenommen wurden, sich nicht mit dem Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen deckt. Zum anderen legen sie auf andere Details Wert. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Umgebung, dem eigenen Stadtteil lässt sich mit Grundschülern beispielsweise dadurch fördern, dass sie eine Karte ihres Schulwegs zeichnen. Diese Aufgabe regt zum Nachdenken darüber an, was sie jeden Tag sehen und oft unbewusst wahrnehmen.

Das ist auch Ziel des „Treffpunkts Schule“ des Treffpunkts Architektur Niederbayern und Oberpfalz (siehe www.schule.tano.de), der von der Regensburger Architektin Silke Bausenwein initiiert worden ist. Er ruft Architekten und Lehrer dazu auf, „selbst aktiv zu werden und am eigenen Standort, an der eigenen Schule Architekturprojekte mit Schülern durchzuführen“. Die Website bietet unter anderem eine umfangreiche Datenbank mit bereits realisierten Projekten. Und auch so wichtige Dinge wie die oft ungeliebten Vertragsmuster können heruntergeladen werden.

Spiel und Ernst: Raumgestaltung mit Playmo- Figuren und Pappe auf einem Workshop während der Berliner Tagung „Architektur macht Schule“. Foto: Simone Hübener

Die Architektenkammer des Saarlands betreibt ein Pilotprojekt mit der Wüstenrot-Stiftung, dem Bildungsministerium und dem Landesinstitut für Pädagogik und Medien des Bundeslandes: Mit dem Schuljahr 2012/2013 starteten an zwölf saarländischen Schulen lehrplanbegleitend 14 Projekte zu den Themen Architektur und Baukultur. Ohne zusätzliche Stunden und Fächer binden die beteiligten Lehrer, Architekten, Landschafts- und Innenarchitekten die Thematik nun ein halbes Jahr lang in den Unterricht ein. Am Ende soll eine Ausstellung stehen.

Für die Kinder und Jugendlichen haben bei all diesen Workshops, Projekten und Seminaren sichtbare und präsentierbare Ergebnisse einen großen Stellenwert. Auf der Veranstaltung der Bundesarchitektenkammer stellten zum Ausklang Schüler der Marcel-Breuer-Schule Berlin, die am Projekt „minimal – illegal“ teilgenommen hatten, etwas schüchtern und zugleich sichtlich stolz ihre Bauwerke vor. Mit viel Engagement und tief gehenden Überlegungen haben sie Hütten für die Bewohner von Slums entworfen und in Modellen realisiert. Ihnen standen dazu lediglich die Materialien zur Verfügung, die bei Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt übrig geblieben waren. Diese reichten von Dachlatten über Plastikplanen bis hin zu Obstkisten.

Simone Hübener ist Fachjournalistin für Architektur und Bauen in Stuttgart.


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