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Gefahr in Verzug: Schon ein einziges Kilogramm brennender Kunststoff erzeugt bis zu 2.500 Kubikmeter giftiger Gase.

[ Brandschutz ]

Schneller Abzug

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Treppenhäuser in Wohngebäuden vom Brandrauch freizuhalten

Text: Alwine Hartwig

Gefahr in Verzug: Schon ein einziges Kilogramm brennender Kunststoff erzeugt bis zu 2.500 Kubikmeter giftiger Gase.

Hauptgefahr bei Bränden sind nicht die Flammen, sondern ist der Rauch. Die hochgiftigen Gase führen beim Menschen schon nach wenigen Atemzügen zur Bewusstlosigkeit und zur Verätzung der Lungen. Der Brandrauch behindert aber auch die Arbeit der Feuerwehr und kontaminiert ganze Gebäude. Rauchgase sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie sich schnell in Räumen ausbreiten, die ursprünglich nicht vom Brandgeschehen betroffen sind. Besonders problematisch ist das in Wohnhäusern. Wenn beispielsweise die Bewohner vor einem Zimmerbrand flüchten und die Wohnungstür geöffnet bleibt, strömt Brandrauch ungehindert ins Treppenhaus. Da dieses in der Regel als erster Rettungsweg dient, sind die Treppenräume gemäß Landesbauordnung möglichst rasch zu entrauchen.

Natürliche Entrauchung

Im Treppenhaus selbst muss theoretisch nicht mit heißen Gasen gerechnet werden. Denn laut Gesetz ist das Vorhandensein größerer Brandlasten in Treppenräumen grundsätzlich nicht vorgesehen, da dort keine den Fluchtweg einschränkenden Gegenstände vorhanden sein dürfen. Ebenso sind keine brennbaren Baumaterialien gestattet. In einem Treppenhaus kann demnach theoretisch kein Brand ausbrechen. Brandgase können nur aus den angrenzenden Wohnungen einströmen. Aufgrund der Thermik steigen sie stets nach oben, sodass sich ihre gezielte Ableitung über natürlich wirkende Rauch- und Wärmeabzugshauben anbietet. Sie sind an oberster Stelle des Treppenraumes in der Wand oder im Dach vorzusehen. Geöffnet werden sie meist über einen orangefarbenen Handtaster – also mechanisch – entweder durch die Flüchtenden selbst oder die Feuerwehr. Es geht aber auch per Rauchmelder, der den Brand frühzeitig erkennt und die Entrauchungsanlagen automatisch öffnet.

Bei natürlichen Entrauchungsanlagen ist für eine ausreichend frische Außenluft zu sorgen. Hierfür ist möglichst frühzeitig sicherzustellen, dass unten im Gebäude eine Öffnung entsteht. Das ist im Wohnungsbau in der Regel die Haustür. Sie muss sich für die kontinuierliche Frischluftzufuhr feststellen lassen und räumlich mit dem Treppenhaus verbunden sein. Werden Schleusentüren eingesetzt, müssen auch diese geöffnet und festgestellt werden können.

Da diese Art der Rauchabführung nicht verhindern kann, dass der Rauch auch in den Gebäudeabschnitt über dem Brandherd zieht, wird baurechtlich immer ein zweiter Rettungsweg gefordert. Dieser ist in der Regel mit den Feuerwehrleitern gegeben. Da die meisten Mehrfamilienhäuser aufgrund ihrer Höhe und Anordnung anleiterbar sind, reicht diese „natürliche“ Art der Entrauchung in der Regel aus.

Bauliche Anforderungen

Reaktions-Test: VdS-anerkannte Rauch- und Wärmeabzugsgeräte haben bewiesen, dass sie im Ernstfall in Sekundenschnelle reagieren.Temperatur-Test: Im eigenen Brandraum messen die Prüfer, ab welcher Raumtemperatur und ab welchem Rauchgehalt Brandmeldetechnik reagiert.Sicherheits-Test: RWA-Anlagen sind mindestens einmal im Jahr durch einen VdS-anerkannten Fachbetrieb zu prüfen, zu warten und gegebenenfalls instand zu setzen. Foto: VdS

Die Normen schreiben bislang nicht eindeutig vor, wie eine Entrauchungsanlage ordnungsgemäß auszusehen hat. DIN 18232 für Rauchabzüge handelt überwiegend die Entrauchung von Industriebauten ab. Auch die Planungs- und Einbaurichtlinien VdS 2098 für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen des Prüf- und Zertifizierungsinstituts VdS gelten nur für Industrie- und Sonderbauten. Daher werden die Entrauchungsöffnungen entsprechend der jeweiligen Landesbauordnung bemessen. Die Mindestgröße der Rauchabzüge ist in der Regel mit fünf Prozent der Grundfläche festgelegt, mindestens jedoch mit einem Quadratmeter. Außerdem muss der Rauchabzug vom Erdgeschoss und vom obersten Treppenabsatz aus bedient werden können. Abweichungen sind möglich, wenn der Rauch auf andere Weise abgeführt werden kann. Angaben über den technischen Mindeststandard der Rauchabzugsvorrichtungen aber sucht man in den Bauordnungen vergeblich.

Sicherheits-Test: RWA-Anlagen sind mindestens einmal im Jahr durch einen VdS-anerkannten Fachbetrieb zu prüfen, zu warten und gegebenenfalls instand zu setzen. Foto: VdS

Diese findet man für Wohngebäude neben präzisierten baulichen Anforderungen in der Publikation VdS 2221 „Entrauchungsanlagen in Treppenräumen – Richtlinien für Planung und Einbau“. Die Richtlinien geben Auskunft über die notwendigen Zuluftflächen, die Öffnungszeiten und die Anordnung der Handansteuereinrichtung der Geräte. Außerdem erhalten Planer Hinweise zum korrekten Einbau.

Bezüglich der Mindestgrößen der Rauchabzüge folgen die Richtlinien den Landesbauordnungen. Diese gelten allerdings nur für Entrauchungsöffnungen im Dach des Treppenraumes. Öffnungen in Wänden können gleichfalls zur Entrauchung genutzt werden. Dabei gilt aber, dass deren Unterkante mindestens 80 Zentimeter und die Oberkante mindestens 1,80 Meter über dem obersten Treppenpodest liegen müssen. Demnach können bodennahe und niedrige Fenster nicht als Entrauchungsöffnung anerkannt werden. Die Mindestgröße des geometrisch freien Querschnitts beträgt in diesem Fall 7,5 Prozent der Grundfläche des zugehörigen Treppenraumes, mindestens jedoch 1,5 Quadratmeter. Grundsätzlich muss sichergestellt sein, dass auch die am höchsten gelegene Wohnung im Brandfall gefahrlos verlassen werden kann. Doch nicht jedes Treppenhaus eignet sich aufgrund seiner Größe für eine natürliche Entrauchung. Darüber hinaus sind in Ausnahmefällen besondere Maßnahmen gefordert. Überschreitet die Höhe des Gebäudes die anleiterbare Höhe für die Feuerwehren, ist ein einzelner, natürlich entrauchter Treppenraum als erster Rettungsweg nicht ausreichend. Für Sicherheitstreppenräume, zum Beispiel in Hochhäusern, gelten spezielle Anforderungen, und manchmal müssen brandschutztechnisch „ungünstig“ errichtete Altbauten nachgerüstet werden.

Automatisierte Anlagen

Temperatur-Test: Im eigenen Brandraum messen die Prüfer, ab welcher Raumtemperatur und ab welchem Rauchgehalt Brandmeldetechnik reagiert. Foto: VdS

Für innen liegende Treppenhäuser können auch sogenannte Spülanlagen mit oder ohne geregelte Druckhaltung installiert werden. Bei Spülanlagen wird der Treppenraum mittels Ventilatoren kontinuierlich mit Frischluft durchströmt. Das hilft vor allem der Feuerwehr, da auch kalter Rauch ausgespült wird. Grundsätzlich ist zu beachten, dass der entstehende Überdruck an den Türen der Nutzungseinheit 100 Newton nicht übersteigt. Nur so ist sichergestellt, dass auch schwächere Personen sie öffnen können. Das wird bei Spülanlagen ohne geregelte Druckhaltung unter anderem durch dauerhaft offene Flächen erreicht. Spülanlagen mit geregelter Druckhaltung sind mit einer Regelvorrichtung ausgestattet, die abhängig vom Überdruck öffnet oder schließt. Solche Anlagen erfordern grundsätzlich einen zweiten Rettungsweg und eignen sich vorzugsweise für Gebäude, in denen die Türen zu den Nutzungseinheiten seltener geöffnet und geschlossen werden. Ihr Einsatz empfiehlt sich aber auch dort, wo aus baulichen Gründen keine höherwertigen Anlagen eingesetzt werden können – zum Beispiel bei der Nachrüstung älterer Bauwerke.

Zur völligen Rauchfreihaltung eines Treppenraumes – und damit gegebenenfalls auch als Ersatz für einen fehlenden zweiten Rettungsweg – können Rauchschutzdruckanlagen (RDA) mit gesicherter Abströmung des Brandrauches im Geschoss eingesetzt werden. Die Anlagen erzeugen einen kontrollierten Überdruck, der bestimmte Mindestmaße über- und bestimmte Maximalwerte unterschreitet. Dafür sind in der Regel in den potenziellen Brandgeschossen Schächte als Abströmöffnungen und Vorräume notwendig. Sie sind daher frühzeitig in die Planung einzubinden. RDA-Anlagen besitzen automatische Auslöseeinrichtungen sowie Steuereinrichtungen nach DIN prEN 12101-9. Sie werden vor allem in Gebäuden besonderer Art und Nutzung eingesetzt. Außerdem sind sie als Ersatz für Sicherheitstreppenräume geeignet, wie sie zum Beispiel in Hochhäusern gefordert sind. Fehlt ein zweiter Rettungsweg, müssen die Anlagen mit einer Notstromversorgung ausgestattet werden und in redundanter Betriebsweise ausgeführt sein. Dabei sollte die Notstromversorgung so leistungsfähig sein, dass der Betrieb während der gesamten Evakuierung sicher funktioniert. Eine abgespeckte Form wäre gefährlich. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die Türen zum Treppenhaus bei einem Brand nur wenige Male betätigt werden. Das lässt sich erreichen, indem beispielsweise nur das Brandgeschoss und das darüberliegende Geschoss geräumt werden. Alle anderen Nutzungseinheiten werden nicht alarmiert. Dies ist allerdings mit der Feuerwehr abzustimmen.

Alwine Hartwig ist Ingenieurin bei VdS, einer Sachverständigen- und Zertifizierungsgesellschaft für Brandschutz und Security in Köln

Rauchfreie Treppenhäuser

Informationen für Planung, Auswahl und Einbau von Entrauchungsanlagen

Treppenhäuser in Wohngebäuden:
VdS-Richtlinie 2221 „Entrauchungsanlagen in Treppenräumen – Richtlinien für Planung und Einbau“
Industrie- und Sonderbauten:
VdS-Richtlinien 2098 „Planung und Einbau von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“, jetzt aktualisiert www.vds-shop.de
Leitfaden zur Anwendung von Rauchschutzdruckanlagen
www.rda-arbeitskreis.de
VDMA-Einheitsblatt 24188 „Rauchschutzmaßnahmen in Treppenräumen – Rauchableitung, Rauchverdünnung, Rauchfreihaltung www.vdma.org

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