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[ Architektur-Forschung ]

Wenn die Kammer Wissen schafft

Ökologische Baustoffe, Entwerfen am Berg oder Parkhäuser: Wie Kammern sich in der Architektur-Forschung engagieren

Text: Nils Hille

Bauen am steilen Hang – in Deutschland vor allem ein bayerisches Thema. Nicht überraschend also, dass das Forschungsprojekt AlpHouse im Bergnahen München lief und das Anschlussvorhaben AlpBC auch wieder dort stattfindet. Ungewöhnlich sind aber die Forschungspartner: Architekt und Stadtplaner Jörg ­Schröder, ursprünglich bei der TU München, zwischenzeitlich an die Leibniz Universität Hannover gerufen, und die Bayerische Architektenkammer in Person von Projektleiter Oliver Heiss. Als Geschäftsführer der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Kammer kümmert er sich um solche wissenschaftlichen ­Themen: „Es geht um die Herausforderung, nach den aktuellen Standards architektonisch hochwertige Gebäude zu errichten und dabei die Identität der vom Tourismus lebenden Orte zu wahren.“

Foto: Klaus Leidorf für Landraum
Zukunft erforschen: Das bayerische Achental im Landkreis Traunstein war Pilotregion beim Forschungsprojekt AlpHouse. Foto: Klaus Leidorf für Landraum

Es ist nicht die einzige Kooperation von Kammer und Hochschule: Bei „Educate“ (Environmental Design in University Curricula and Architectural Training in Europe) geht es um die Frage, inwieweit das Architekturstudium und die berufliche Weiterbildung wirklich nachhaltig sind. Eine solche Zusammenarbeit gab es früher nicht: Bis vor zehn Jahren haben sich Kammer und Universität einfach in Ruhe gelassen. Die Hochschulen waren für die Ausbildung zuständig, und die Kammer regelte die Weiterbildung von Architekten. Mit der Einführung der gestuften Studiengänge Bachelor und Master haben sie sich langsam angenähert – nicht, um sich gegenseitig Felder streitig zu machen, sondern um da zu kooperieren, wo es Sinn macht. Allein wegen der unterschiedlichen Bachelor-Master-Angebote war das nötig. Schließlich sollten die neuen Studiengänge auch zur Eintragung in der Kammer führen können.

Foto: Laura Egger für Landraum
Zukunft bauen: Das Wohn- und Atelierhaus Casascura von atelier-f architekten im schweizerischen Fläsch ist im AlpHouse-Endbericht als Beispiel für eine gelungene Bebauung in der Alpengregion aufgeführt. Foto: Laura Egger für Landraum

Seitdem sind viele Kontakte geblieben und einige davon gewachsen. Die Kammer kooperiert jetzt regelmäßig mit den Ausbildungsstätten bei Forschungsprojekten, Publikationen und Fachkonferenzen, sagt Oliver Heiss: „Architekten sollten sich für Innovationen aus der Wissenschaft und Forschung interessieren – zumindest dann, wenn die Ergebnisse sehr praxisnah sind.“ Und auf genau solche Projekte setzt er, wenn er eine Zusammenarbeit eingeht. Dabei unterscheidet Heiss drei Gruppen von Kooperationen: die direkte Einbindung in Forschungsvorhaben, die Beteiligung an internationalen Symposien und die Entwicklung von Praxishilfen als Werkzeuge für Planer.

Die Beteiligung der Kammer an internationalen Symposien können Planer das nächste Mal vom 10. bis 12. September erleben. An diesen drei Tagen findet ebenfalls in Zusammenarbeit mit der TU München der Fachkongress PLEA 2013 (Passive and Low Energy in Architecture) statt. Die Teilnehmer aus verschiedenen EU-Staaten tauschen sich darüber aus, wie sie mit bauphysikalischen und anderen bautypischen Fragestellungen bei ähnlichen klimatischen Bedingungen umgehen.

Eine Praxishilfe, die aus einer Kooperation entstanden ist, stellt die Wecobis-Baustoffdatenbank dar. Mithilfe des Online-Tools unter www.wecobis.de können Planer gesundheitliche und umweltrelevante Informationen über Bauprodukte und mögliche Anwendungsbereiche abrufen. Heiss: „Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir bei Forschungsvorhaben vor allem den baldigen Nutzen für unsere Mitglieder im Auge haben.“ Positive Nebeneffekte für beide Seiten: Die fachliche Kompetenz steigt durch jeden Austausch und das Kontaktnetzwerk wächst. So kann Heiss heute viel schneller Fortbildungen für Planer zu gesetzlichen Änderungen anbieten, weil er einen direkten Draht zu den jeweiligen Experten aus der Hochschule hat.

Praxisforschung ist kein Paradoxon

Einen konkreten Nutzwert hat auch Rolf Toyka immer vor Augen, wenn er sich für die Unterstützung eines eher wissenschaftlichen Projekts ausspricht. Der Leiter der Akademie der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen redet daher auch von Praxisforschung: „Ich weiß, dass das eigentlich ein Paradoxon ist. Aber wir verwenden diesen Begriff, um klarzumachen, dass die Ergebnisse der Forschungsvorhaben immer relevant für unsere Mitglieder oder die Bauherren sind.“ Zudem lasse sich mit der Kommunikation der Arbeitsergebnisse auch sehr gut PR für den Berufsstand machen – und genau wie in Bayern ließen sich gute Kontakte aufbauen und so passende Referenten für die Aus- und Weiterbildung akquirieren.

Im Zentrum der Praxisforschung in Hessen stand jahrelang immer wieder das Thema „Architektur macht Schule“. Es gab Publikationen, Workshops, Seminare und Kongresse. Jetzt arbeiten Planer und Professoren, wie Professor Jo Eisele von der TU Darmstadt, Christian Veddeler von UNStudio, Professorin Anne-Julchen Bernhardt von der RWTH Aachen und Marc Pouzol von le balto, an einem neuen von der Kammer initiierten Projekt: „Parkhäuser der 1960er- und 1970er-Jahre weiterdenken“. Begonnen hat das Projekt mit einer Werkstattwoche, in der Architekten, Landschaftsarchitekten und Künstler sich eines Karstadt-Parkhauses in Frankfurt annahmen. Toyka ist seitdem vom Nutzwert der neuen Praxisforschung überzeugt: „In dem Thema ist ganz viel Musik drin. Die Umnutzung von Teilen der Parkhaus-Kolosse, die in den meisten Innenstädten Deutschlands stehen, kann in Zukunft ein neues, großes Handlungsfeld für Planer werden. Da lohnt es sich für uns, genauer hinzuschauen.“ 2014 soll ein Buch erscheinen, das sich mit alternativen Nutzungen – speziell der oft leer stehenden oberen Etagen von Innenstadt-Parkhäusern – auseinandersetzt.

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