Steht in bester Münchener City-Lage eine große Konversion an, dann scheint an Luxus und der Maximierung verwertbarer Flächen kein Weg vorbeizuführen. Doch es geht auch mit einem Gewinn für Stadt- und Baukultur, wie die „Hofstatt“ zeigt.
Für Druckmaschinen und Redakteursbüros bräuchten sie keine teure City-Lage, meinten die Verlagschefs der Süddeutschen Zeitung und der Abendzeitung. Bis zum Jahr 2008 verlagerten sie den Betrieb in Vorstädte mit niedrigeren Bodenpreisen. Nur rund 200 Meter vom Marienplatz, von der Frauenkirche und der Haupt-Fußgängerzone Kaufingerstraße entfernt wurden 11.000 Quadratmeter frei. Bei einer so seltenen Gelegeheit in einer solch reichen Stadt ist dann die Verlockung groß, eine solche Fläche in erster Linie eng, teuer und vor allem anderen profitabel zu bebauen. Doch beim neuen Mischquartier „Hofstatt“ entspricht der urbane Gewinn dem materiellen. Kürzlich erhielt das Projekt gemeinsam mit dem Hamburger „Weltquartier“ den Deutschen Städtebaupreis 2014 – nicht zuletzt wegen des gelungenen Zusammenspiels von Investoren, Architekten und Planern der Stadt.
Dabei begann die Projektgeschichte unter keinem guten Stern: Zunächst wurde das denkmalgeschützte „Schwarze Haus“, bis 1965 vom Architekten Detlev Schreiber für die Süddeutsche Zeitung errichtet, abgerissen, obwohl das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege es als herausragendes Beispiel der Nachkriegsmoderne eingestuft hatte. Das bedauerten jetzt auch die Auslober des verliehenen Preises, die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) und die Wüstenrot Stiftung.
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Gutachten und Wettbewerb
Aber dafür konnten die Züricher Architekten Meili, Peter nichts. Sie gewannen 2006 den Wettbewerb für die neue Hofstatt. Gefragt war von Stadt und Fachwelt keine plattmachende Megastruktur, die großflächig wie aus einem Guss zusammengesetzt scheint. Stattdessen wurde Vielfalt angestrebt, was nicht zuletzt der längeren Diskussion um den Erhalt der kleinteiligen innerstädtischen Parzellen zu verdanken ist. Dabei ging es zumindest um den optischen und funktionalen Erhalt, denn wirtschaftlich liegt alles in einer Hand.
Meili, Peter Architekten entwarfen damals gerade kein schreiendes Erscheinungsbild, sondern überzeugten mit einem nicht sichtbaren Gestaltungselement – einer in Schlangenform geführten Passage, die das früher abgeriegelte Geviert zugänglich macht. Das Ziel der Architekten wie der Stadt erläutert deren Baudirektorin Elisabeth Merk: Es sei darum gegangen, „vor dem Hintergrund der Urbanität der europäischen Stadt mit ihrer tradierten Nutzungsmischung aus Handel, Arbeiten, Wohnen und Kultur einerseits Kontinuität zu schaffen und andererseits Wandel zu ermöglichen“. Besonders bemerkenswert erscheint Merk, dass Projekte wie die Hofstatt „trotz ihrer exponierten Luxuslagen dennoch einen Beitrag zur Gesamtstadt leisten, da sie als Ort öffentlich zugänglich sind und nicht nur für die höhere Einkommensschicht attraktiv“.
Der Masterplan überzeugte die Jury durch die Abfolge von gut proportionierten Höfen und präzisen Nutzungszuordnungen. Die amorphe Passage vermittele gekonnt und führe die heterogenen Strukturen von Alt und Neu zusammen. Heute wird ihre mäandern-
de Wegeführung durch kreisrunde, wie schwebend wirkende Deckenleuchten gestalterisch unterstützt. Große, unregelmäßig polygonal verlegte Natursteintafeln referieren auf die kleine, aber feine Theatinerpassage zwischen Residenz und Theatinerstraße.
Die Hofstatt liegt an der Sendlinger Straße, einer der traditionellen Einkaufsmeilen der Innenstadt. Diese ist nicht so übervölkert wie die Kaufingerstraße und bei weitem nicht so exklusiv wie Theatiner- oder Maximilianstraße. Sie liegt etwas im Schatten des Massenkonsums und der Luxuswelten und doch zentral. Mit der Fertigstellung der Hofstatt wurde die Fußgängerzone bis hierhin ausgedehnt; in den nächsten Jahren soll der Autoverkehr noch einen halben Kilometer weiter bis zum Sendlinger Tor zurückgedrängt werden.
Etwas für junge Leute mit Geld
Entwickelt wurde die Hofstatt von der LBBW Immobilienmanagement, einem Ableger der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sowie dem amerikanischen Projektentwickler Hines. Inzwischen gehört sie dem Hamburger Unternehmen Quantum. Für Hines berichtet Geschäftsführer Alexander Möll, man habe weder eine Shopping-Mall mit großem Ankermieter noch eine Ansammlung der üblichen Luxus-Labels gewollt. Die Hofstatt sollte ein eigenständiges Profil bekommen, anders als das der Maximilianstraße und Kaufingerstraße und auch anders als das der bereits existierenden Fünf Höfe von Herzog & de Meuron.
Die nun ausgewählten Mieter sind größtenteils noch nicht in Deutschland vertreten und sprechen hauptsächlich ein jüngeres Publikum an, das in München über eine beträchtliche Kaufkraft verfügt. Als der amerikanische Textilanbieter Abercrombie & Fitch dort einen Flagship-Store mit rund 3.300 Quadratmetern Fläche eröffnete, zogen andere Kult-Marken nach. Der „Senior Director Real Estate“ von Abercrombie & Fitch bezeichnete die Hofstatt bereits kurz nach ihrer Einweihung als „beste Einkaufspassage Europas“.
Stadtverwaltung und Denkmalschutzbehörde verhielten sich flexibel, sodass Meili, Peter Architekten es schafften, den Wohnungen, Büros und Läden eine außergewöhnliche Qualität mit unverwechselbarem Charakter zu verleihen. Die Passage ist offen und über die Eingänge natürlich belüftet. Sie zieht sich in mehreren schlauchartigen Armen durch die gesamte Struktur. Aufgrund der gebogenen Schaufensterglasscheiben sind diese Arme angenehm gerundet. Zwar ist es der früheren Stadtbaudirektorin Christiane Thalgott „irgendwie zu dunkel dort, aber man sagte mir, ich würde wohl nicht zur Zielgruppe gehören“. Die Jugend fühlt sich von der Hofstatt angezogen und tummelt sich in Scharen in Abercrombies „schwarzer Höhle“. Abgesehen von den Kabinen ist das gesamte Interieur dunkel gehalten – besonders gern in Schwarz. Dies wurde jedoch nicht von Meili, Peter Architekten geplant, sondern im gewohnten Corporate Design von Abercrombie.
Doch es gibt nicht nur Handel, sondern auch Wohnen und Büros in stark, doch nicht übermäßig verdichteter Form. Auch konnten andere Denkmäler und Denkmalteile als das „Schwarze Haus“ gerettet werden, so die bedeutende Fassade Max Littmanns an der Sendlinger Straße. Am Gebäude der Druckerei wurden die Blankziegelfassaden sorgfältig repariert und konserviert.
Für die neuen Fensterverschlüsse entwickelten Meili, Peter überzeugende Detailplanungen. Der zentrale Innenhof mit „Fledermaus“, einem Restaurantpavillon mit Faltwerkdach, passt in Maßstab und Proportion gut in sein Umfeld. Ein weiterer kleiner Innenhof schließt im südlichen Arm der Passage an ein
schmales Café an und profitiert hier von den neu gestalteten Backsteinreliefs in einer glücklich erhaltenen Wand des alten Druckereigebäudes.
Schon drei Preise für Architektur und Städtebau
Auch bei den Wohnungen wurde besonderer Wert auf die gute Einbindung in den städtebaulichen Kontext gelegt. Sie sind an den ruhigeren Seiten des Komplexes konzentriert. Auf innovative Weise gelang es bei der Entwicklung der Hybridwohnungen, die Altbauflair mit dem Komfort des Neubaus verbinden, anspruchsvolle Räume zu schaffen. Der vier- bis sechsgeschossige Wohnkomplex an der Hotterstraße gliedert sich in vier Teile mit insgesamt 56 Wohnungen. Die außen gezeigten Putzstrukturen interpretieren eine typische Münchner Handwerkstechnik. Das Wohnhaus an der Hackenstraße wurde im Rahmen der Neugestaltung des Quartiers modernisiert, um einen Anbau im Hof ergänzt und auf seine ursprüngliche Nutzungsmischung aus Wohnen und Gewerbe zurückgeführt. Bei der Sanierung des denkmalgeschützten Altbaus wurden vor allem das Dach und die Fassade in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde überarbeitet. Im Erdgeschoss stellten die Architekten die bauzeitlichen Elemente wieder her.
Neben der farblichen Neufassung der Putzflächen wurde in die vorhandene Fassadenstruktur ein Zugang zu dem Passagensystem der Hofstatt integriert.
Neben dem Städtebaupreis gab es noch zwei Preise für die denkmalgeschützten Fassaden, wie Florian Hartmann, Partner im Münchner Büro der Schweizer Meili, Peter berichtet. Der eine zeichnet das ehemalige Redaktionsgebäude aus, in dem heute Abercrombie & Fitch sitzen. Der andere prämiert eines der Wohnhäuser. Und Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk spricht von einem gelungenen „Maßanzug für die Innenstadt“.
Dipl.-Ing. Cordula Rau ist Architektin, Kuratorin und Publizistin in München. Soeben hat sie zusammen mit Georg von Werz das Buch „Helmut von Werz. Ein Architektenleben“ herausgebracht. Werz war einer der großen Architekten des Wiederaufbaus in München, in dessen Werk der Geist der Nachkriegsarchitektur sichtbar wird. Birkhäuser Verlag, 280 S., 49,95 Euro gedruckt oder als E-Book.
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