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[ Heizung ]

Drei Grad zu kalt

Deutschlands Heizungen sind oft zu niedrig ausgelegt – und arbeiten darum uneffektiv.

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Basisanlage plus technische Aufwertung: Von der Referenzanlage ausgehend werden die aufwendigeren Techniken mit dem Nutzer beziehungsweise Bauherrn besprochen. Erkennt er einen konkreten Nutzen, ist er auch bereit, sein Verhalten anzupassen. Beispiel Nachtlüftung: Soll an heißen Sommertagen die Wärme draußen bleiben, versteht es sich von selbst, die Fenster geschlossen zu halten. Nachts kühlt die Anlage dann über den Luftwechsel.

Text: Marion Goldmann

Der Energieverbrauch in vielen Wohnhäusern ist viel höher als der Bedarf laut Energieausweis. Das veranlasste den Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), im Rahmen eines Forschungsvorhabens die Ursachen dafür zu ergründen und Lösungen zu finden. Projektleiter Matthias Wagnitz: „Wir haben 3.300 Wohnungsnutzer online und etwa 600 Mieter und Eigentümer vor Ort nach ihren Wünschen und Gewohnheiten im Umgang mit der Heizung, der Warmwasserbereitung und der Lüftung befragt. Parallel wurden die Aussagen durch Messungen überprüft.“

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Matthias Wagnitz: Der Technische Referent beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) hat das von der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung und der VdZ geförderte Projekt initiiert und als Leiter der VdZ-Projekgruppe betreut.

Den wesentlichen Schwerpunkt innerhalb des Projekts bildete das Thema Heizen. Die zentrale Frage war dabei die gewünschte Zimmertemperatur. Die Ergebnisse zeigen, dass erst bei 23 Grad Celsius 95 Prozent der Nutzer zufrieden sind. Doch bis heute werden Heizungen auf eine Heizlast nach DIN EN 12831 mit einer Raumtemperatur von 20 Grad Celsius ausgelegt. Bei dem Wunsch nach höheren Temperaturen wird dann die Vorlauftemperatur hochgedreht. Während das bei Einfamilienhäusern der Nutzer häufig selbst macht, wird bei Mietwohnungen der Hauswart so lange bedrängt, bis er die Heizung dem entsprechend verändert. Beide können allerdings die Folgen nicht abschätzen. Wagnitz: „Wir wundern uns dann, dass der Verbrauch im Neubau den rechnerisch ermittelten Wert weit übersteigt. Im Durchschnitt beträgt die Abweichung 30 bis 40 Prozent.“ Der Verbrauch steigt aber außer infolge einer höheren Innentemperatur noch aus einem zweiten Grund: Nur bei der geplanten Raumtemperatur von 20 Grad Celsius läuft die Heizung optimal. Liegt sie darüber, arbeitet die Anlage nicht effektiv.

Wie viel mehr Energie verbraucht wird, hängt vom energetischen Standard des Gebäudes und der verwendeten Anlagentechnik ab. Besonders extrem wirkt sich das bei einem Passivhaus aus, das mit einer Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung beheizt wird. Das planerische Konzept sieht hier vor, dass die Zusatzheizung nur selten benötigt wird. Je häufiger sie allerdings zum Einsatz kommt, desto größer ist die Abweichung vom errechneten Verbrauch. Das sollte der Nutzer vorher wissen, denn, so Wagnitz: „Laut unserer Befragung will er sich nicht der Technik anpassen.“

Neues Konzept soll Abhilfe schaffen

Nach Auswertung der umfangreichen Grundlagenstudie plädiert der Verband deshalb dafür, Heizungen in Zukunft auf höhere Raumtemperaturen auszulegen. Damit würden der rechnerisch ermittelte Energiebedarf und der tatsächliche Verbrauch nur noch geringfügig voneinander abweichen. Die verbrauchte Wärme soll möglichst effizient produziert werden. Entsprechende Regeltechnik soll dann dafür sorgen, dass Bewohner jederzeit die Heizkörper nach unten regulieren können. Im Rahmen des Projektes wurde deshalb ein Regelkonzept entwickelt, das den technischen Anforderungen entspricht sowie eine einfache und verständliche Bedienung ermöglicht.

Zur Auswahl stehen: Komfort (23 Grad Celsius), eco (21 Grad Celsius) oder öko (20 Grad Celsius) mit unterschiedlichem Aufheizverhalten. Die Szenarien basieren auf Nutzerprofilen, die im Zuge der Auswertung der Befragung entstanden und 95 Prozent aller Wünsche abdecken. Zusätzliche Einstellungen, wie Nachtabsenkung, sind auch weiterhin möglich. Wagnitz: „Wir hoffen, den Bewohnern damit entgegenzukommen, denn sie wollen Eingriffsmöglichkeiten haben, nutzen sie aber praktisch nicht.“ Zurzeit ist diese Regelungstechnik zwar noch nicht verfügbar; erste Gespräche mit Herstellern lassen jedoch auf eine baldige Umsetzung hoffen.

Die Heizungsanlage lässt sich dagegen schon heute auf eine höhere Raumtemperatur auslegen und damit effizienter betreiben. Obwohl die DIN EN 12831 es dem Planer bereits heute schon freistellt, auf welche Raumtemperatur die Heizungsanlage letztendlich ausgelegt wird, will der Verband den Normengremien die Anpassung an den Bedarf vorschlagen.

Mit Fachplaner und Nutzer sprechen

Statt lediglich pauschale Vorgaben umzusetzen, wird auch dem Architekten empfohlen, sich frühzeitig mit dem Nutzer und dem Haustechnikplaner über die Raumtemperatur und die gewünschte Haustechnik auszutauschen. Vor allem bei der Modernisierung von Gebäuden lassen sich so wesentlich realistischere Einsparungen erzielen. Wagnitz: „Wir haben deshalb eine Referenzanlage zusammengestellt, denn die Befragung hat ergeben, dass einige Anlagen von den Bewohnern nicht funktionsgerecht bedient werden.“ Lüftungsanlagen sind davon besonders betroffen.

In den untersuchten Gebäuden befanden sich in ungefähr der Hälfte der Wohnungen Abluftanlagen, die technisch alle gut funktionierten. Doch ausgerechnet diese Nutzer wollen auf die Fensterlüftung nicht verzichten, was kontraproduktiv ist. Aus energetischer Sicht ist dies bei einer Abluftanlage zwar vergleichsweise harmlos, bei einer Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmetauscher jedoch eine Katastrophe. Wird die Anlage letztlich nicht genutzt, sollte man die Investition – für ein Einfamilienhaus etwa 7.000 Euro – besser anders verwenden.

Lässt sich der Bauherr aber davon überzeugen, dass geschlossene Fenster vorteilhaft sind, ist eine Be- und Entlüftungsanlage eine gute Lösung. Für eine solche Anlage spricht zudem die mögliche nächtliche Kühlung der Räume im Sommer, die sich viele Nutzer wünschen. Sie werden dann auch tagsüber die Fenster geschlossen halten – und dies höchstwahrscheinlich nicht nur im Sommer, sondern auch in den kühleren Jahreszeiten. Die Studie plädiert also nicht für oder gegen einzelne Techniken. Ziel ist, die Auswahl vor allem aufwendigerer Anlagentechniken bewusst zusammen mit dem Nutzer zu treffen.

Insgesamt liefern die Ergebnisse der Befragung eine solide Grundlage, um Bauherren gut zu beraten und gemeinsam mit ihnen die passende anlagentechnische Lösung zu finden. Die in der Studie zusammengestellte Produktauswahl der Referenzanlage orientiert sich dabei an einem technischen Minimalkonsens, der von nahezu allen Beteiligten korrekt bedient werden kann und die Grundbedürfnisse sichert. Eine technische Aufwertung sollte dann in Absprache mit dem Bauherrn erfolgen.
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Ausrichtung der Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik an den ­Bedürfnissen der Nutzer im ­Wohnungsbau unter Zugrund­e-legung von Wohnkonzepten
Forschungsinitiative Zukunft Bau
Band F 2928
Matthias Wagnitz
Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), St. Augustin, 2015


Die auf 165 Seiten zusammengefassten Ergebnisse sind als Buch beim Fraunhofer IRB-Verlag für 44 Euro oder alternativ auf der Website des Verlages als kostenloser Download erhältlich. www.baufachinformation.de/bauen

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1 Gedanke zu „Drei Grad zu kalt

  1. Guten Tag,

    das ist gut zu wissen. Jetzt würde ich gerne wissen ob das dann auch bedeutet, dass die Angaben in DIN EN 15378 um 30-40% höher angenommen werden müssen. Haben Sie herzlichen Dank!

    Antworten

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