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Nicht nur Bahnen ziehen

Deutschland verfügt über einen historisch gewachsenen Bestand an städtischen Schwimmbädern. Es wird viel saniert und modernisiert – doch nicht alle der heutigen Publikumswünsche lassen sich auch erfüllen

26.02.20157 Min. 1 Kommentar schreiben
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Stadtbad Gotha: Der historische Bestand diente bei der Erweiterung der Anlage (siehe Grundriss unten) als Ausgangspunkt

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Text: Cornelia Dörries

Schwimm- und Hallenbäder sind hierzulande kein reines Vergnügen, sondern Einrichtungen der politisch garantierten, öffentlichen Daseinsvorsorge. Hervorgegangen aus den volkshygienisch begründeten Stadt- und Wannenbädern, hat sich eine Bäderlandschaft entwickelt, die in ihrer architektonischen Mannigfaltigkeit auch diese Entwicklung widerspiegelt: Wer in Deutschland gepflegt abtauchen möchte, hat, zumal in den großen Städten, die Auswahl zwischen kaiserzeitlichen Prachtbädern, Hallenbädern aus der frühen Moderne und den nüchtern-rechtwinkligen Zweckbauten der Nachkriegsära. Doch bei einem Großteil dieses Bestands ist mittlerweile schon aus energetischen Gründen eine Modernisierung fällig; viele Bäder sind strukturell verschlissen und müssen sowohl technisch als auch gestalterisch generalüberholt werden, um neben den vielen neuen, kommerziellen Bade- und Wellness-Angeboten bestehen zu können.

Zum Beispiel in Berlin: Hier verfügen die landeseigenen Berliner Bäderbetriebe (BBB) über 37 Hallenbäder, die pro Jahr etwa 50 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten. Davon sind zehn Prozent ausschließlich für die Sanierung und Modernisierung vorgesehen. Im 2008 aufgelegten Berliner Bäder-Sanierungsprogramm wurden schon mehr als 90 Millionen Euro verbaut; zugleich ist aber die Zahl der Badegäste gesunken – seit dem Jahr 2000 um 42 Prozent. „Man muss sicher die Frage stellen, ob die Stadtbäder älteren Jahrgangs überhaupt noch den Ansprüchen des Publikums genügen“, gibt Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäderbetriebe (BBB), zu bedenken. Denn diese Bäder, viele davon Typenbauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren, verfügen in der Regel nur über ein großes Schwimmbecken nebst separatem Nichtschwimmerbereich. Doch weil die Menschen heute mehr als nur Bahnen ziehen wollen, sondern in den Stadtbädern a20_Schwimmbaeder3uch Fitness- und Präventionskurse, Wassergymnastik, Babyschwimmen sowie Wellness- und Entspannungsangebote erwarten, sind die vorhandenen Anlagen nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Matthias Oloew: „Es ist nur schwer möglich, die von der heutigen Nutzerschaft gewünschten Offerten in einem herkömmlichen Stadtbad zu integrieren. Die Schwimmer wären genervt von der Aqua-Gymnastikgruppe, die Rentner von den Sportkraulern und zwischendrin würden dann Babys planschen, deren Eltern sich darüber aufregen, dass ihre Kinder keine Ruhe haben.“ Es bräuchte verschiedene, nach Nutzergruppen differenzierte Becken unter einem Hallendach – für das sportliche Schwimmen, für Kursangebote, für Wellness und den vergnüglichen Familienbadespaß. Sie würden die Attraktivität erhöhen und dafür sorgen, dass den ganzen Tag über zahlende Badegäste kämen und nicht nur – wie jetzt – die einzelnen, streng separierten Nutzergruppen zu jeweils festgelegten Öffnungszeiten. Und ganz nebenbei würden solche Konzepte auch den dringend benötigten Umsatz sichern helfen, der dazu beiträgt, dass die Bäder überhaupt erhalten bleiben.

20_SchwimmbaederDoch welche Möglichkeiten bietet der bauliche Bestand im kommunalen Stadtbad-Portfolio, um solche Angebote zu realisieren? Die meisten Schwimmhallen und Stadtbäder haben keine räumlichen Reserven für die Erweiterung um zusätzliche Becken oder Saunalandschaften. Doch es geht ja auch weniger darum, jede vorhandene Schwimmhalle in ein modernes Bade- und Wellness-Paradies zu verwandeln, vielmehr ist eine differenzierte Strategie für die einzelnen Standorte gefragt.

Reiche Erfahrungen mit dieser komplexen Aufgabe haben Nils Meyer und  Andreas Veauthier. Ihr früheres Büro Veauthier Meyer Architekten in Berlin war im Bereich Bädersanierung tätig. Seine Tätigkeit bildete das bauhistorische Spektrum der Typologie selbst geradezu exemplarisch ab und zeigt ganz nebenbei, ob und wie die verschiedenen Generationen von Stadtbädern den neuen Ansprüchen an diese Einrichtung gerecht werden können.

1 Gedanke zu „Nicht nur Bahnen ziehen

  1. Kommentar zum Artikel „Nicht nur Bahnen ziehen“ S. 21 f in DAB 03-15

    In dem Artikel wird das Raumvolumen der Schwimmhalle Finkensteinallee in Berlin als verschwenderisch dargestellt. Es stellt sich die Frage, ob man das zu beheizende Raumvolumen nicht durch eine demontable Zwischendecke in etwa halbieren könnte. Gedacht ist an transparente einhängbare Planen oder Folien mit Dämmwirkung, die eine Deckenlandschaft (neutral, Meer, Himmel, Pflanzen, Wüste etc.) darstellen könnten. Auswirkungen auf Fensterlüftungsflügel, TGA wie z. B. Beleuchtung, Lüftung oder Klimatisierung etc. müssten dabei beachtet werden. Rentabillitätsfragen wären zu klären einschl. des Reinigungs- und Wartungsaufwandes. Eine Mindestraumhöhe
    zur evtl. Nachrüstung eines 3-Meter-Sprungturmes würde erhalten bleiben. Eine Fachberatung könnte weiterhelfen.

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