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[ Recht ]

Referenzen ohne Grenzen

Bringt ein Mitarbeiter Erfahrungen aus einem früheren Job mit, dann kann sein jetziges Büro diese als Referenz in Vergabeverfahren einsetzen. So entschied jetzt die Vergabekammer Sachsen.

Text: Carsten Eichler

Zu öffentlichen Ausschreibungen gehört eine Eignungsprüfung der Bieter. Hierbei kommt der Vorlage korrekter und ausreichender Referenzen eine wesentliche Bedeutung zu. Jetzt hat die Vergabekammer Sachsen entschieden, dass auch Referenzen anerkannt werden müssen, die Mitarbeiter eines Büros nicht bei diesem, sondern bei einem früheren Arbeitgeber erworben haben (Beschluss vom 05.05.2014 – 1/SVK/010-14). Im konkreten Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber Planungsleistungen für einen Büroneubau ausgeschrieben. Ein Architekturbüro wehrte sich gegen die Vergabe an ein anderes, weil dieses die mindestens verlangten Erfahrungen nicht selbst vorweisen könne. Der öffentliche Auftraggeber bestätigte dies zwar. Allerdings habe das beauftragte Büro einen Mitarbeiter, der die geforderten Referenzobjekte aus seiner Tätigkeit bei einem früheren Arbeitgeber nachweisen könne. Diese Referenzen könne sich das jetzt beauftragte Büro zurechnen lassen.

Die Vergabekammer lehnte den Nachprüfungsantrag des Konkurrenten ab. Denn auch nach ihrer Ansicht kommt es nicht darauf an, ob der Mitarbeiter die Referenzen für ein anderes Architekturbüro erworben hat. Dies gelte insbesondere im VOF-Verfahren, bei dem die Leistungen ohnehin einen ganz persönlichen Charakter aufweisen würden. Die Anrechenbarkeit der Referenzen sei immer im Einzelfall zu prüfen und entscheidend sei dabei, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen des Referenzprojekts geleistet und welche Phase des entsprechenden Projekts dieser begleitet habe. Die Fachkunde eines Architektenbüros beruhe immer auf der personellen Ausstattung sowie den Erfahrungen und Erkenntnissen der jeweiligen Mitarbeiter. Diese Kenntnisse und Erfahrungen können die Mitarbeiter auch bei einem anderen Unternehmen erworben haben. Nach der Vergabekammer Sachsen soll es dabei nicht einmal zwingend darauf ankommen, welche Leistungen der Mitarbeiter bei dem Projekt genau erbracht hat. Im vorliegenden Fall genügte es, dass er als Projektleiter auf ein Team von mehreren Mitarbeitern zurückgreifen konnte.

Bewerber um einen öffentlichen Auftrag haben damit oft einen größeren Pool an Referenzen. Allerdings wird in vergleichbaren Fällen wohl heftig darüber gestritten werden, inwieweit der Architekt, der eine entsprechende Referenz geltend macht, an dem Projekt tatsächlich beteiligt war. Fraglich ist auch, ob zum Beispiel jedes einzelne Mitglied eines Projektteams das gesamte Projekt als „seine“ Referenz verwerten darf.

Das Urteil betrifft aber nicht nur heutige Arbeitgeber, sondern auch frühere: Was geschieht zum Beispiel mit der Referenz eines Architektenbüros, wenn ein erheblicher Teil oder gar das gesamte Projektteam das Büro verlassen haben? Die Auffassung der Vergabekammer Sachsen konsequent weitergedacht könnte ein solches Büro die Referenz dann nicht mehr verwerten. Hier stellt sich allerdings eine weitere praktische Frage: Wie kann und wird der öffentliche Auftraggeber diese Fragen konkret und im Einzelnen überhaupt prüfen?

Obwohl noch viele Einzelfragen ungeklärt sind, hat die Entscheidung der Vergabekammer Sachsen die Möglichkeiten, Referenzen angeben zu können, deutlich erweitert. Zugleich haben die öffentlichen Auftraggeber wohl zukünftig eine noch genauere Prüfungspflicht. Es bleibt abzuwarten, ob die Auftraggeber hier tatsächlich tiefer in die Prüfung der jeweiligen Referenzen einsteigen möchten oder nicht.

Abschließend ist noch zu beachten, dass andere vergaberechtliche Rechtsprechung in dieser Situation strenger ist. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 9/10) im Jahr 2010 für eine Ausschreibung von Bauleistungen nach der VOB/A entschieden, dass Referenzen für Vorgängerunternehmen allenfalls dann Berücksichtigung finden können, wenn eine weitgehende Personenidentität zwischen dem früheren und dem jetzigen betroffenen Unternehmen besteht und dies bereits mit dem Teilnahmeantrag dargelegt wird. Selbst wenn die zuletzt genannte Voraussetzung auf ein VOF-Verfahren nicht übertragbar sein wird, da der Auftraggeber hier ein weiteres Ermessen zu Zeitpunkt und Umfang der Vorlage von Referenzen hat, schränkt die Forderung nach einer weitgehenden Personenidentität die Möglichkeit der Mitnahme von Referenzen deutlich ein.

So oder so ist es im Vergabeverfahren sinnvoll, lieber eine Referenz mehr als eine weniger abzugeben. Die Entscheidung der Vergabekammer Sachsen gibt ein gutes Argument, falls ein öffentlicher Auftraggeber Referenzen aus früheren Tätigkeiten der Mitarbeiter nicht akzeptieren möchte. Zu empfehlen ist dabei grundsätzlich, immer schon im Teilnahmeantrag anzugeben, woher eine Referenz kommt.

Carsten Eichler ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Heisse Kursawe Everheds in München und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

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