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[ Politik ]

Lasten gerechter verteilen!

Die Prämien für die Haftpflichtversicherung steigen. In Politik, Verwaltung und Fachwelt wächst das Problem­bewusstsein, dass es so nicht weitergehen kann. Die Architektenkammern engagieren sich für eine Reform

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Dr. Hans-Gerd Schmidt ist Präsident der ­Architektenkammer Thüringen und leitet die Projektgruppe Architekten- und Ingenieur­vertragsrecht der Bundesarchitektenkammer.

Es ist gut und richtig, dass für uns Architekten die Haftpflichtversicherung obligatorisch ist. Das sichert nicht nur den Berufsstand gegen Schadensersatzansprüchen Dritter ab, sondern auch Bauherren bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Ungut und falsch ist jedoch, dass unter den am Bau Beteiligten nur wir zum Abschluss einer solchen Versicherung verpflichtet sind. Wo liegt das Problem? Im Schadensfall kann der Bauherr seinen werkvertraglich gesicherten Anspruch auf gesamtschuldnerische Haftung des Bauunternehmers und der Architekten einfordern und sich an einem der Beteiligten schadlos halten, unbenommen des von diesem zu verantwortenden Schadensumfangs.

Der in Anspruch Genommene kann zwar verlangen, im Verhältnis der Verantwortlichkeit vom jeweils Mitbeteiligten dessen Anteil ersetzt zu bekommen, allerdings auf sein eigenes Risiko. Für den Bauherrn bietet der haftpflichtversicherte Berufsstand gegenüber insolvenzanfälligen Bauunternehmen eine bessere Chance auf Schadensausgleich. Aus diesem Grund versuchen viele Bauherren, zuerst den Architekten in Haftung zu nehmen – ungeachtet der Frage, wer den Mangel durch schlechte Leistung tatsächlich verursacht hat. Diese Konstellation führt zu der bekannten Flut von Forderungen und Prozessen gegen Architekten. Das treibt Versicherungsprämien in die Höhe und verringert Leistungsangebote. Zudem kostet die Klärung von Schuldfragen viel Zeit und Kraft. Schadenshäufungen gefährden sogar die Existenz, da Versicherer die Verträge kündigen oder Prämien extrem erhöhen.

Doch es gibt Anlass zur Hoffnung: Nachdem Architekten und ihre Kammern seit Langem auf den Missstand hingewiesen haben, verbreitet sich zunehmend die Erkenntnis, dass die Situation untragbar ist. Mehrfach haben sich die Experten des Deutschen Baugerichtstags für eine Änderung ausgesprochen. Der besonders kundige frühere Bundesrichter Stefan Leupertz warnt vor der „sich verschärfenden Schieflage“ für unseren Berufsstand. Auch in Politik und Verwaltung wächst das Problembewusstsein. In der vom Bundesministerium der Justiz installierten „Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht“, in der Planende, Ausführende und Bauherren vertreten waren, wurden „erhebliche Haftungsdivergenzen“ zu Lasten der Architekten festgestellt.

Das Problem wäre sicher längst behoben, wenn es denn einfach zu beheben wäre. Es ist jedoch rechtlich wie wirtschaftlich hochkomplex. Vor allem wegen des Verbraucherschutzes wird die gesamtschuldnerische Haftung sicherlich im Grundsatz erhalten bleiben.

Es besteht jedoch trotzdem das große Interesse an einer existenzsichernden, am Verursacherprinzip orientierten Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird. Präferiert werden aus berufsständischer Sicht Modelle, die Architekten und Ingenieure nicht einseitig benachteiligen beziehungsweise belasten und Bauherren gleichwohl Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung berechtigter Schadensausgleichsansprüche sichern.

Es geht aber nicht nur darum, Haftungslasten gerechter zu verteilen, sondern es sollen auch die derzeit häufigen Planungs- und Bauausführungsstillstände zur Klärung von Haftungsfragen im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten eingegrenzt werden. Zur Erfüllung dieser Ziele könnte aus unserer Sicht besonders eine objektbezogene Gesamtversicherung geeignet sein, das heißt eine Absicherung der Ansprüche des Bauherrn durch eine das gesamte Bauvorhaben und alle daran Beteiligten abdeckende Versicherung. Diese schon auf den letzten zwei Baugerichtstagen und in der oben genannten „Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht“ des Justizministeriums diskutierte Lösung wird derzeit im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen intensiver untersucht.

Nach jahrelanger zäher Arbeit können wir also in den Architektenkammern endlich erkennen, dass in das Thema politische Bewegung gekommen ist. Wegen des komplexen Geflechts unterschiedlicher Bedürfnisse und Interessen bedarf es jedoch einer gründlichen Prüfung möglicher Modelle und ihrer Konsequenzen, bevor hier Gesetze geändert werden. Bis dahin müssen wir Architekten noch einige Geduld aufbringen. Aber es gibt einen deutlichen Silberstreif am Horizont. In den Architektenkammern setzen wir uns engagiert dafür ein, dass Politik und Verwaltung daraus mehr als einen Silberstreif machen.

Dr. Hans-Gerd Schmidt ist Präsident der ­Architektenkammer Thüringen und leitet die Projektgruppe Architekten- und Ingenieur­vertragsrecht der Bundesarchitektenkammer.

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