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In die Pläne schauen lassen

Transparenz gegenüber den Mitarbeitern löst viele Kommunikationsprobleme. Trotzdem sollte sich der Chef auch als Chef verstehen.

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Text: Nils Hille

Montagmorgen, 10 Uhr, Berlin. Die meisten sitzen schon an dem großen Tisch, die anderen huschen schnell noch herein und nehmen ebenfalls Platz. Pflichttermin für alle, die nicht im Urlaub oder beim Kunden sind. Gespräche, Stimmengewirr: „Wie war dein Wochenende?“ „Wie läuft’s bei dir gerade im Projekt?“ Dann plötzlich kehrt Ruhe unter den Mitarbeitern ein, als ihr Chef Peter Deluse den Raum betritt. Respektvolle Ruhe, keine ängstliche Ruhe. Sie wird auch nicht lange anhalten – und das soll sie auch nicht. Nur so lange, bis der Inhaber von deluse architects gemeinsam mit seinem Büroleiter Christian Pabst einen Überblick über die aktuellen Aufgaben, Erfolge und Probleme gegeben hat. Danach sind die Mitarbeiter gefragt: Der eine sagt, dass er gerade etwas „schwimmt“, weil er kurz vor einer Abgabe steht. Schnell bieten sich zwei andere Architekten als „Schwimmflügel“ an, damit der Kollege nicht untergeht. Eine andere Kollegin war bei einer Fortbildung und berichtet über die wichtigsten Erkenntnisse, damit auch die anderen profitieren. Ein dritter Mitarbeiter möchte nicht noch mehr Varianten für einen Kunden planen, sondern ihn vor die Wahl stellen: Bisher Geplantes nehmen oder es muss nachkalkuliert werden. Klingt vernünftig, soll er machen. Hat noch jemand etwas auf dem Herzen? Nein. Dann ab an die Arbeit!

So oder so ähnlich läuft jeder Montagmorgen bei deluse architects ab. Der Chef erklärt das Ritual: „Möglichst offen miteinander zu reden, ist mein Credo. Nur so kann ich die Mitarbeiter langfristig motivieren und das Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen steigern.“ In den fünf Jahren, die das Büro mit Schwerpunkt Wohnungsbau für private Investoren jetzt besteht, brachten gerade die große Transparenz und Eigenverantwortung im Team das Büro nach vorn. Viele Aufträge und ein schnelles Wachstum seien die Folgen, so Deluse. Dass Eigenverantwortung hier wirklich großgeschrieben wird, zeigt eine Ansage, die Deluse seinen Mitarbeitern immer wieder macht: „Keiner wartet auf irgendjemanden!“ Dazu erklärt er: „Entscheidungen werden bei uns schnell gefällt und nicht erst, wenn ich als Chef von einer Dienstreise oder aus dem Urlaub zurück bin und auch noch meinen Senf dazu abgegeben habe.“ Deluse hat kein Problem damit, seinen Mitarbeitern den kompletten Einblick in Verträge und Budgets der Projekte zu geben, an denen sie arbeiten. Vielmehr sieht er darin nur Vorteile: „Dann sind die Kollegen so sehr im Thema drin, dass sie richtig dafür brennen. Und sie wissen auch genau, welchen Aufwand wir betreiben können und welchen nicht.“ Das helfe Zeitverzögerungen zu vermeiden, die sowieso nur unnötige Kosten verursachten, so „Pete Speed“, wie die Mitarbeiter den Chef gerne nennen.

Die innere Einstellung muss stimmen

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Klares Credo: Peter Deluse, Inhaber von deluse architects, setzt auf eine möglichst offene Kommunikation gegenüber seinen Mitarbeitern.

Zu solch einer Transparenz kann Beate Voskamp nur jedem Büroinhaber raten. Die Berliner Landschafts­architektin ist mittlerweile im Hauptberuf Mediatorin und Kommunikationstrainerin. Sie sieht „großes Potenzial“ bei Architekten, noch mehr an der Transparenz gegenüber Kollegen und Mitarbeitern zu arbeiten. In ihrer siebenteiligen Fortbildungsreihe bei der Berliner Architektenkammer und in Einzelcoachings erklärt sie Fertigkeiten, die Deluse schon zu beherrschen scheint, wie zum Beispiel die richtige Moderation von Teambesprechungen. „Ein Kernproblem so mancher Arbeitgeber ist die innere Einstellung zum Thema Kommunikation. Sie können den Nutzen einer offenen Kommunikation für sich noch nicht erkennen und sehen nicht, welch zentrale Bedeutung diesem Gestaltungsmittel für die Mitarbeiterbeziehung zukommt.“ Immer noch würden viele Architekten denken, es reiche, mit seinem Werk zu wirken – und der Rest des Erfolges ergebe sich von selbst. „Zu einem stabilen Bürogebilde fehlt häufig der Baustoff Kommunikation. Und dieses können Inhaber und Büroleiter insbesondere durch ein hohes Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit schaffen.“

Ein hohes Maß heißt aber nicht, dass die Mitarbeiter jederzeit und sofort alles erfahren müssen. „Vollständige Transparenz ist nicht immer sinnvoll. Es gilt abzuwägen: Was ist mein Ziel? Was möchte ich erreichen? Nur so lässt sich ableiten, worüber man die Mitarbeiter tatsächlich informiert. Jedwede Information über sie auszuschütten, kann sowohl belastend sein als auch von der eigentlichen Arbeit ablenken“, sagt Voskamp. Sollte es aber um anhaltende Probleme gehen, die ständig Kopf und Zeit des Chefs beanspruchen, rät sie zu offenen Worten: „‚Man kann nicht nicht kommunizieren‘, sagte schon der renommierte Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Wenn Mitarbeiter ständig das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, ist das belastend. Kennen sie die Fakten, lässt sich gemeinsam überlegen, wie sie damit adäquat umgehen können.“ Sie erfahren durch die Offenheit in Krisensituationen eine Wertschätzung, durch die sie sich im Idealfall stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Und nicht selten kommen auch aus dem Team Ideen und Lösungsansätze für die problematische Situation. „Einbinden, statt nur zu informieren – das wünschen sich mehr Mitarbeiter, als viele Chefs vermuten“, so Voskamp.

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Statt ignorieren: Beate Voskamp sieht gerade in Büros mit flachen Hierarchien einen enormen Bedarf an kommunikativen Kompetenzen.

Das gilt auch für Entscheidungen, die nicht unmittelbar die Kollegen berühren. Auch hier kann Transparenz Probleme lösen, wie Voskamp bei einem Architekturbüro mit 20 Mitarbeitern erlebte, von dessen Chef sie zu Hilfe gerufen wurde. „Gerade in Büros mit flachen Hierarchien, wie sie in vielen Planungsbüros vorherrschen, besteht ein enormer Bedarf an kommunikativen Kompetenzen.“ Viele Mitarbeiter verstanden hier nicht, wie bei neuen Projekten die Teams zustande kommen und wer warum zum Teamleiter ernannt wird. Die Chefs wählten die Besetzungen hinter verschlossenen Türen aus und verkündeten dann ihre Entscheidung. Viele Mitarbeiter fühlten sich ignoriert, übergangen oder ungerecht behandelt. Die Unzufriedenheit in der Belegschaft wurde immer größer, was wiederum zu deutlich spürbarer Anspannung und ständig schlechter Stimmung führte. Voskamp organisierte mit Geschäftsführung, Büroleitung und ­Projektleitern einen Workshop unter dem Motto „Besprechen statt verkünden“. Hier durfte jeder den Chefs sagen, welche Ursachen er für die schlechte Atmosphäre sieht. Dann erarbeiteten alle gemeinsam einen neuen, transparenteren Weg: Sie stellten einen Kriterienkatalog für die Teamzusammenstellung auf und einigten sich auf eine neue Vorgehensweise. Wenn nun heute ein neues Projekt ansteht, werden alle infrage kommenden Personen zusammengerufen. Die Chefs erklären dann die Aufgabe, ihren Plan, wer in welcher Position daran mitarbeiten soll, und aufgrund welcher Kriterien sie sich so entschieden haben. Anschließend hören sie sich auch Gegenvorschläge an, die Entscheidung bleibt aber bei ihnen. Diese Transparenz hat die Stimmung stark gebessert.

Beste Bedingungen für motivierte Mitarbeiter

Peter Deluse geht in seinem Büro ähnlich vor. Auch er bringt die Leute an einen Tisch, die an einem Projekt arbeiten sollen. „Von Basis-Demokratie halte ich allerdings wenig. Es sollte schon eine klare Führung geben. Ich möchte Autorität haben, da ich aber weiß, dass ich sie bei den Mitarbeitern genieße, brauche ich sie auch nicht ständig raushängen zu lassen.“ Viel wichtiger sei es, so Voskamp, den Kollegen regelmäßig Rückmeldung zu ihrer Arbeit zu geben. „Wer eine Feedbackkultur in seinem Büro entwickelt und Kommunikationsprozesse aktiv gestaltet, schafft beste Voraussetzungen für motivierte Mitarbeiter. Fühlen diese sich mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen und in bestehende Prozesse eingebunden, ist ein Jobwechsel kein Thema.“ Denn gerade in Ballungsräumen finden erfahrene Architekten momentan schnell eine neue Festanstellung – dann hätte der Herrschertyp ohne Volk auch nichts mehr zu beherrschen.

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