DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Rubriken

Services

Menü schließen

Rubriken

Services

Zurück
[ Kolumne ]

Großer Bahnhof

Ein Epochenwechsel findet statt. Der große Bahnhof ist nicht mehr das Zentrum der Stadt, sondern des Einzelhandels. Dafür kann man in kleinen Stationen nicht mal mehr eine Zeitung kaufen, sie verwahrlosen als Ruinen.

Wolfgang Bachmann. (Foto: Myrzik Jarisch)
Wolfgang Bachmann. (Foto: Myrzik Jarisch)

Text: Wolfgang Bachmann

Wolf Schneider warnte uns Journalisten vor Marotten, vor saloppen Textbausteinen wie „Helmut Kohl wurde mit großem Bahnhof empfangen“. Gut, Helmut Kohl wird kaum noch empfangen. Aber was ist mit dem großen Bahnhof?

In Stuttgart können sich Reisende, wenn sie durch die verbretterte Baustellenpassage zwischen Eingangshalle und Bahnsteigen eilen, ein Bild davon machen, was ein großer Bahnhof ist. Nein, leider nicht Stuttgart 21, sondern diese herrschaftlichen Gebäude in Budapest, London, Mumbai, New York oder auf dem Gornergrat. Christian Höhn hat sie auf fünf Kontinenten eingesammelt. Es bleibt offen, wie man die Fotos lesen soll. Als Verheißung in der Etappe, während jenseits der Bretterverschläge vergleichbar Großartiges entsteht, oder als fatalistischer Rückblick auf eine Baukultur, die man ja – leider, leider – nicht fortsetzen kann, das werden wir doch einsehen.

Was heute Bahnhöfe bestimmt, ist ein Marketingkalkül. Dafür hat man das sperrige Wort „Einkaufsbahnhof“ erfunden. Es ist tatsächlich deutsch, man versteht es kaum. Damit wird semantisch an die Epoche von Dampflokomotiven und Tante-Emma-Läden erinnert. Nix Shopping! Wie diese Kaufgräben vor den Gleisen aussehen, kennt man zur Genüge. Umweltsensible Menschen sehen darin einen Vorteil, weil die Pendler, die hier auf ihre verspäteten Züge warten, die Zeit sinnvoll mit Einkaufen verbringen können. Cross-Selling gehört inzwischen ja zu den betriebswirtschaftlichen Essentials, also holen wir uns den Merlot bei Aral und die Skiunterwäsche bei Tchibo. Ob dadurch mehr Umsatz gemacht wird, weil man freundlich an Leerstellen in der häuslichen Vorratshaltung erinnert wird oder Wünsche durch unerwartete Produktkontakte geweckt werden? Ist es gar vernünftig und erspart unnötige Wege, wenn man allerorten einkaufen kann? Ich weiß es nicht. Architektonisch gibt es dafür jedenfalls noch keine befriedigende Lösung.

Aber wir waren ja bei den Bahnhöfen, davon hat uns das Kaufen gerade abgelenkt. „Einkaufsbahnhof“ also. Ein Wort wie Hosenrock oder Schlafsofa, beides ein Notbehelf, wir raten ab. Indes werden die kleinen Bahnstationen stillgelegt und die leeren Gebäude dem Verfall überlassen, massenhaft. Immobilien in verkehrsgünstiger Lage. Dafür gibt es noch kein Wort.

Weitere Artikel zu:

Schreibe einen Kommentar

Sie wollen schon gehen?

Bleiben Sie informiert mit dem DABnewsletter und lesen Sie alle zwei Wochen das Wichtigste aus Architektur, Bautechnik und Baurecht.

Wir nutzen die von Ihnen angegebenen Daten sowie Ihre E-Mail Adresse, um Ihnen die von Ihnen ausgewählten Newsletter zuzusenden. Dies setzt Ihre Einwilligung voraus, die wir über eine Bestätigungs-E-Mail noch einmal abfragen. Sie können den Bezug des Newsletters jederzeit unter dem Abmeldelink im Newsletter kostenfrei abbestellen. Nähere Angaben zum Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und zu Ihren Rechten finden Sie hier.
Anzeige