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[ Recht ]

Berechenbare Fehler

Ingenieure und Architekten sind nicht nur vor der Baubehörde für korrekt berechnete Anträge verantwortlich, sondern haften auch gegenüber dem Bauherrn.

Ingenieure und Architekten sind nicht nur vor der Baubehörde für korrekt berechnete Anträge verantwortlich, sondern haften auch gegenüber dem Bauherrn.

Text: Hans Christian Schwenker

In einem vereinfachten Verfahren erhielten Bauherren die Genehmigung für ein Einfamilienhaus auf einem Hanggrundstück – verbunden mit der Auflage, die bautechnischen Nachweise vor Baubeginn bei der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen. Den Auftrag für diese Nachweise sowie für die Bauüberwachung in statisch-konstruktiver Hinsicht erteilten die Bauherrn einem Ingenieur. Dieser erstellte einen Prüf- und einen Überwachungsbericht und erteilte eine Überwachungsbescheinigung. Später prozessierten die Bauherren, weil die hangseitige Kellerwand nicht standsicher und nicht stabil genug geplant und ausgeführt worden sei. Den angefallenen Schaden gaben sie mit über 134.000 Euro an.

Ihr Gegner argumentierte im Prozess, er habe als Prüfingenieur in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt und sei allein zum Schutz der Allgemeinheit, nicht aber der Belange der Kläger tätig geworden. Doch dies lässt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 31.3.2016 (Az. III ZR 70/15) nicht gelten. In seinen Leitsätzen heißt es: „Der vom Bauherrn mit der Prüfung der Standsicherheit … beauftragte Sachverständige nimmt kein öffentliches Amt … wahr. Zwischen beiden Personen wird ein privatrechtlicher Werkvertrag geschlossen. Dieser Werkvertrag bezweckt auch den Schutz des Bauherrn (Auftraggebers) vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik. Er dient nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts und ist nicht lediglich darauf gerichtet, eine Prüfbescheinigung zu erstellen, die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden kann.“

Der BGH führte im Urteil aus, zwar könne auch ein Prüfer oder ein anderer Sachverständiger in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig werden (wie etwa ein TÜV-Prüfer). Dafür müsse seine Arbeit mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängen und er müsse in diese so maßgeblich eingeschaltet sein, dass seine Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrem Handeln niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor.

Der Konflikt hatte seine Ursache in Änderungen der Landesbauordnungen, mit denen das Bauordnungsrecht weitgehend dereguliert und privatisiert wurde. Im konkreten Fall ging es um die Novelle der LBO Hessen vom 18. Juni 2002. Sie brachte insbesondere den Verzicht auf präventive bauaufsichtsrechtliche Prüfung und Überwachung, verbunden mit der Übertragung staatlicher Prüfungs- und Überwachungsaufgaben auf private Sachkundige und Sachverständige. Seitdem ist es Aufgabe des Bauherrn, sachkundige Personen (Nachweisberechtigte und Sachverständige) zu beauftragen und auf diese Weise die Einhaltung der die technische Sicherheit betreffenden bauordnungsrechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Der Bauherr trägt – gemeinsam mit den von ihm eingeschalteten Sachkundigen – die Verantwortung für die technische Sicherheit der baulichen Anlage. Die Tätigkeit des Sachverständigen ist nicht (mehr) Teil der präventiven hoheitlichen Bauaufsicht, sondern vollzieht sich privatrechtlich im Rahmen der Beauftragung durch den Bauherrn.

Nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers ist eine nochmalige staatliche Kontrolle überflüssig, wenn die bautechnische Prüfung durch über besondere Qualifikationen verfügende sachkundige Personen wahrgenommen wird. Im Hinblick auf die damit einhergehende Beschränkung der Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde vollzieht sich die Prüftätigkeit des Sachverständigen nicht in engem Zusammenhang mit der präventiven ordnungsbehördlichen Tätigkeit, so dass eine Zuweisung in die hoheitliche Sphäre ausscheidet. Bei der Tätigkeit des Prüfingenieurs handelt es sich um eine werkvertragliche Leistung. Er hatte nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags die Aufgabe, die Prüfung der bautechnischen Nachweise bezüglich der statischen Berechnung sowie die stichprobenartige Überprüfung der standsicherheitsrelevanten Konstruktionsteile vorzunehmen. Die Statik ist von erheblicher Bedeutung vor allem für die Sicherheit der Hausbewohner und die Nutzbarkeit der zu errichtenden Baulichkeit. Der Auftrag des Prüfingenieurs ist darauf gerichtet, etwaige statische Mängel zu erkennen und eine statisch fehlerhafte Bauausführung zu verhindern. Dementsprechend liegt die Schutzrichtung des Vertrags des Bauherrn mit dem Prüfingenieur darin, den Eintritt von Schäden aufgrund einer mangelhaften Statik abzuwenden.

Dieser Zweck umfasst insbesondere die Interessen des Auftraggebers (Bauherrn). Er ist selbst Bewohner des Bauobjekts oder ist jedenfalls für die Sicherheit der Bewohner verantwortlich und hat ein schutzwürdiges vermögensmäßiges Interesse an der uneingeschränkten Nutzbarkeit der baulichen Anlage. Die Schutzrichtung des vertraglichen Prüfauftrags kann aufgrund dieser Nähe der Werkleistung zu den Belangen des Bauherrn nicht als dahin eingeschränkt angesehen werden, dass die Einhaltung öffentlichrechtlicher Vorschriften nur im Interesse der Allgemeinheit überprüft werden müsste. Vielmehr dient der Prüfauftrag mindestens auch, wenn nicht gar in erster Linie, dem Schutz des Bauherrn vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik.

Schlussfolgerung: Haftung ist zum Experten gewandert

Die Deregulierung und Privatisierung des Bauordnungsrechts durch die Bundesländer hat zur Haftungsfreistellung der öffentlichen Hand für den so privatisierten Bereich geführt. Dafür haftet der vom Bauherrn beauftragte „Prüfingenieur“ nach werkvertraglichen Grundsätzen. Die Verwendung des Begriffes Prüfingenieur ist dabei etwas irreführend. Vom BGH gemeint sind Architekten oder Bauingenieure, die in die von den Architekten- und Ingenieurkammern der Länder geführten Listen eingetragen sind. Diese können neben der Gebäudeplanung die statischen Nachweise für Wohngebäude erstellen. Eine erneute Prüfung dieser Berechnungen ist nur noch bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 4 und 5 nötig. Ausschließlich in diesen Fällen wird ein Prüfingenieur für Baustatik von den Bauaufsichtsbehörden beauftragt.

Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover

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