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[ Der Brexit und deutsche Architekten ]

Kein Brexit-Blues

Deutsche Architekten in Großbritannien spüren den bevorstehenden EU-Austritt bisher kaum – und hoffen, dass die Folgen gering bleiben.

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Text: Stefan Kreitewolf

„Der Kanal ist schmal und wird schmaler“, schrieb Sir David Chipperfield vor der Brexit-Abstimmung in einem Plädoyer gegen den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Er meinte die engen Verbindungen zwischen seiner Insel und Festland-Europa. Den Brexit konnte auch er nicht verhindern. In der Weltstadt London votierte die Mehrheit für den Verbleib in der EU. Vom Austritt ist die Stadt besonders betroffen. London hatte in den vergangenen beiden Jahren einen regelrechten Boom erlebt – besonders im Bausektor. Architekturbüros erzielten Rekordumsätze. Nach dem Referendum am 23. Juni wurden nun einige Großprojekte auf unbestimmte Zeit ausgesetzt – zum Beispiel das 400-Millionen-Pfund-Sterling-Projekt Gotham City. Im ganzen Land ist der Bausektor nach dem Referendum so stark geschrumpft wie seit sieben ­Jahren nicht mehr.

Doch das sind nur die unmittelbaren Folgen. Die langfristigen Aussichten für deutsche Architekten in Großbritannien sind noch nicht absehbar. Zunächst hat der Brexit auch sie erschreckt. Der in London lebende Architekt Markus Seifermann empfindet den Brexit als „eine verpasste Chance für Großbritannien, aber auch für die EU“. Mit seiner Frau führt er das Architekturbüro ÜberRaum Architects mit mittlerweile zehn Angestellten aus fünf verschiedenen Ländern. Die Seifermanns leben seit zwölf Jahren in London. „So einfach es klingen mag: Wir lieben das Land und die Leute und wir leben sehr gern hier“, sagt er über seine neue Heimat. Dennoch ist er auch Deutschland verbunden geblieben. Er plant und baut häufig für deutsche Firmen und Institute in Großbritannien.

„Junge Architekten fühlen sich betrogen“

„Der Brexit war oft Thema unserer internen Bürobesprechungen“, sagt er. Am meisten Unmut über das Ergebnis hätten seine englischen und schottischen Kollegen geäußert. „Die junge Architektengeneration fühlt sich um ihre Zukunft betrogen“, konstatiert Seifermann. Nach dem Referendum sei die Stimmung „zunächst auf einem Tiefpunkt“ gewesen. „Ein Mitarbeiter des Royal Institute of British Architects hat uns ein sehr persönliches Schreiben zukommen lassen und sich sogar für den Ausgang des Referendums entschuldigt.“ Inzwischen sei wieder mehr Ruhe eingekehrt.

Seifermann schaut trotz Brexit optimistisch in die Zukunft. „Das momentan schwache Pfund macht das Land und insbesondere London weiterhin attraktiv für Geld aus dem Ausland“, sagt er. Am Montag nach dem Referendum habe sein Telefon mehrfach geklingelt. „Ausländische Investoren haben trotz des Brexits Projekte gestartet, die bis dahin zwar angestoßen waren, aber in der Warteschleife hingen. Jetzt soll es losgehen“, erzählt Seifermann. Er arbeite gerade an mehreren Projekten in England. „Der Brexit hat dabei noch keinerlei negative Auswirkungen“, sagt er.

Der Brexit als Chance?

Ralf Thiede lebt und arbeitet seit 20 Jahren als Architekt im Land, derzeit in Manchester, und ist mit einer Engländerin zusammen. Sein Sohn besitzt die doppelte Staatsangehörigkeit. Sein Büro daniels-thiede-­architects ist auf Gesundheitsbauten spezialisiert. Auch er hat durch den Brexit noch keine Einbußen hinnehmen müssen. „Dennoch macht man sich seine Gedanken, inwieweit man als Deutscher weiterhin in England arbeiten kann“, sagt Thiede. Deswegen feilt er derzeit an einem Plan für den Fall, dass es in Großbritannien nicht mehr so einfach ist, als Ausländer zu arbeiten. Bislang sei das aber „noch nicht aktuell“. In Manchester ist die Stimmung überwiegend pro-europäisch: Wie in London stimmten rund 60 Prozent für den Verbleib. Aktuell freut sich Thiede noch über volle Auftragsbücher.

Das hört der Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer Ralf Niebergall gern. Er leitet die deutsche Delegation im Architects’ Council of Europe und empfindet den Brexit als „Weckruf für alle Beteiligten“. Im Brexit sieht Niebergall nämlich auch Positives: „Die Chance, ein europäisches Projekt zu gestalten, das die Vielfalt Europas respektiert und dennoch zu gemeinsamer Stärke findet.“ Er ist sich sicher: „Bei genauer Betrachtung liegen die Zukunftsvorstellungen der Briten und der anderen europäischen Länder nicht weit auseinander – es geht um Werte, um Identität, um demokratische Legitimation, die nicht allein dem Markt geopfert werden dürfen.“ Nur auf dieser Basis lasse sich ein friedliches Miteinander und ein zukunftsfähiges Zusammenwachsen organisieren.
Bis Mitte August hatten schon 180.000 Menschen eine Petition unterzeichnet, London zu einem EU-Stadtstaat im Staat zu machen. Seifermann und seine Bürokollegen haben nicht unterschrieben. Sie wollen es nun auch ohne die EU schaffen. Thiede sieht das ähnlich. Sein Credo lautet in der aktuellen Situation urbritisch: „Keep calm and carry on.“

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