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[ Erdbebenschutz ]

Als Herr Weinz weinte,…

... entstand eine Idee. Der Budenheimer Architekt wollte den Erdbebenopfern von Nepal ein Obdach geben. Fast zwei Jahre später stehen die ersten Häuser – erdbebensicher.

Ein Dach über dem Kopf: Im Foto ist eines der fertigen Häuser von Siegmar Weinz zu sehen.

Text: Stefan Kreitewolf

Die Erde bebt. Die Kamera schwenkt unkontrolliert durch das Sichtfeld. Mauern stürzen ein. Schreie sind zu hören. Am Ende ist alles grau, nur noch Staub. Stille.

So oder so ähnlich berichtete das deutsche Fernsehen im April 2015 aus Nepal. Den südasiatischen Staat traf eines der schlimmsten Erdbeben in der bewegten Geschichte des Landes. Laut nepalesischer Regierung starben knapp 8.800 Menschen, rund 22.300 wurden verletzt. Hunderttausende Nepalesen wurden obdachlos, zahlreiche UNESCO-Weltkulturerbestätten irreparabel beschädigt.

Und in der Nähe von Mainz, im beschaulichen Budenheim, saß ein deutscher Architekt vor dem Fernseher und weinte. Siegmar Weinz war dreimal in Nepal gewesen, war in den Bergen klettern gegangen und hatte viele Nepalesen kennengelernt. Der 58-Jährige hatte in seiner Trauer eine Idee. „Ich wollte einfach etwas zurückgeben an diese freundlichen Menschen, viele Freunde und dieses wunderschöne Land“, sagt er. Also setzte sich der auf Klinikbauten spezialisierte Planer an seinen Schreibtisch und legte los.

Das Bild zeigt das zugrunde liegende Stahlskelett.

Fremde Hilfe und viel Geduld

Mit seiner Idee von erdbebensicheren Wohnhäusern in Skelettbauweise wandte sich der Architekt hoch motiviert an große Hilfsorganisationen. Doch dort stand er vor verschlossenen Türen. „Nach intensiver Suche fand ich mit der Volkshochschule Bhaktapur vor Ort und dem Deutsch-Nepalesischen Kulturverein Dresden in Deutschland zur Spendenabwicklung interessierte Partner“, sagt Weinz, der sich selbst als „Praktiker“ bezeichnet. Der Architekt und leidenschaftliche Bergsteiger investierte ehrenamtlich Hunderte Projektstunden in die Realisierung seines Herzensprojekts.

„In Nepal muss man sehr große Geduld aufbringen, um ein solches Projekt umzusetzen“, berichtet Weinz. Doch er wollte immer weitermachen. „Meine Geduld wurde an vielen Stellen strapaziert, aber aufgeben war für mich keine Option“, sagt er. Eine Handvoll Helfer unterstützten ihn bei der Planung. Die Geschichte einer ihm unbekannten Frau erzählt er gern: „Sie fand das Projekt so toll, dass sie kurzerhand mit all ihren Freunden so viel Geld sammelte, dass davon allein ein ganzes Haus entstehen konnte“, berichtet Weinz und fügt noch immer erstaunt hinzu: „Und ich kannte sie nicht einmal.“

Mit der Hilfe entstanden kleine würfelartige, besonders stabile Häuser in Skelettbauweise, die bereits für 5.000 Euro errichtet werden können. Aus Stahlträgern wird ein Gerüst mit quadratischen Räumen zusammengeschweißt. „Ich habe ein in sich steifes Tragwerksmodul in Würfelform gewählt. Mehrere Würfel nebeneinander ergeben dann ein Wohngebäude – das lässt sich später problemlos erweitern“, sagt Weinz.

Nur eine Woche soll es dauern, eines seiner Hausskelette aufzubauen. Spannt man dann eine Plane darüber, steht schon eine regensichere Unterkunft, die die Bewohner über die Monate mit Bambus-Lehm-Wänden fertigstellen können. Die äußerste Schicht soll aus den Steinen der eingestürzten Gebäude gebaut werden.

Die ersten Häuser stehen

„Alle dafür nötigen Bauelemente wiegen zusammen maximal 40 Kilogramm, so kann ein einzelner Mensch sie problemlos zu Baustellen tragen“, sagt Weinz. Schließlich gibt es in Nepal viele ländliche Gebiete, die nur zu Fuß erreichbar sind. Ihm sei es wichtig gewesen, dass seine Lösung auch für „abgelegene, schwer erreichbare kleine Dörfer“ praktikabel ist.

Sein ehrgeiziges Ziel lautet, 50 Häuser für bis zu 200 Familien zu bauen. Fast zwei Jahre später, im Februar 2017, stehen die ersten Häuser. Das erste wurde kurz vor Weihnachten 2016 fertig. Sein Ziel hat Weinz damit zwar noch nicht erreicht. ­„Aktuell stehen bereits drei Gebäude und es sind drei im Bau und in der Planung“, sagt er.

Das hat neben viel Geld auch viel Zeit und Nerven gekostet. „Erst hatte die nepalesische Regierung einen kompletten ­Baustopp verhängt, dann kamen die nepalesischen Behörden in Kathmandu nicht mit den Genehmigungen hinterher. Danach schlossen die Inder den Markt für nepalesische Händler und wir bekamen kein ­Baumaterial. Zu guter Letzt war kein Benzin verfügbar und wir konnten die fahrbare Strecke zu den Baustellen nicht nutzen“, berichtet Weinz noch immer kopf­schüttelnd.

Vertrauen und Kontrolle

Circa 40.000 Euro hat er bereits verplant. „Und es wird stetig mehr“, sagt Weinz. Damit mit dem Geld „die wirklich Hilfsbedürftigen unterstützt werden“, wählte er die Familien mithilfe des Deutsch-Nepalesischen Kulturvereins Dresden (siehe Kasten unten) aus. Dazu wurden verschiedene Faktoren berücksichtigt: „Zum Beispiel, ob Grundbesitz vorhanden ist, wie hoch das Gesamteinkommen der Familie ist, ob ein Elternteil bei der Katastrophe gestorben ist, und ob es Schutzbedürftige, wie Kinder oder chronisch Kranke, gibt“, erläutert Weinz. Ihm sei besonders wichtig gewesen, den Ärmsten der Armen zu helfen.

Um das Vertrauen seiner Spender zu honorieren, dokumentierte Weinz jeden Schritt. „Die Geldgeber sollen genau sehen, in welchem Haus ihre Spende verbaut wurde“, sagt der Nepal-Fan und ergänzt: „Das gesamte Wohngebäude wurde wie verschiedene Puzzleteile aus kleinen und großen Spenden zusammengesetzt.“ Die Häuser sind einsturzsicher – auch bei Erdbeben bis zu einer Stärke von sechs bis sieben auf der Richterskala – für den wahrscheinlichen Fall, dass die Erde wieder bebt.

Spendenkonto
Deutsch-Nepalesischer Kulturverein e.V.
IBAN: DE 70 4306 0967 1123 8014 00
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: Bauen für Nepal
www.vhsbhaktapur.org/nepalhilfe

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