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[ Inklusion ]

Normalfall Verschiedenheit

Die vier Regionalkonferenzen „Inklusiv gestalten“ zeigten, wie selbstverständlich barrierefreie Architektur, Freiraumplanung und Stadtplanung sein sollten.

Rampenschauspiel: Steinbruch-Theater, St. Margarethen (A), Architektur: AllesWirdGut

Text: Barbara Chr. Schlesinger

In alle Himmelsrichtungen hat Verena Bentele, Beauftragte des Bundes für die Belange von Menschen mit Behinderungen, gemeinsam mit der BAK und den Länderkammern ihre Botschaft getragen: Inklusion heißt, jedem ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (Interview mit Verena Bentele). Doch eine vielfältige, inklusive Gesellschaft braucht eine entsprechende Planungskultur – und Architekten und Stadtplaner als Partner für eine inklusive Gestaltung, wie BAK-Vizepräsident Martin Müller feststellt: „Gesucht werden kreative Lösungen.“

Wie solche aussehen können, zeigten die vier von Bentele geförderten Konferenzen in München, Hannover, Duisburg und Schwerin. Bei allen vorgestellten Projekten aus den Bereichen Wohnen, Stadtquartier und Freiraum (eine Auswahl finden Sie hier, die komplette Proketliste am Ende des Artikels) wurde Barrierefreiheit als selbstverständlicher Teil der Architektur mitgedacht. Rampen, Aufzüge, breite Türen und barrierefreie Bäder werden schließlich von allen als Mehrwert empfunden. Niedrige Brüstungen etwa bieten Rollstuhlfahrern Ausblick und dienen anderen als Bank. Erschließungsflächen können soziale Begegnungsräume werden. Unterschiedliche Oberflächen und kontrastreiche Farben geben Orientierung und regen gleichzeitig die Sinne an.

Eine wesentliche Basis einer funktionierenden Gesellschaft sind gute Nachbarschaften und soziale Bindungen. Menschen sollten daher nicht aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden, so Bentele. In diesem Sinne wird in zahlreichen Wohnprojekten Inklusion gelebt. Wohnen und Arbeiten verschiedener Generationen, von Menschen mit und ohne Behinderungen wird verbunden. Häufig ist das ein wichtiger Teil der Quartiersentwicklung, etwa wenn sich entsprechende Baugemeinschaften finden. „So ein Zusammenleben kann man allerdings nicht erzwingen“, so Verena Bentele, „sondern mit politischen Maßnahmen und gesetzlichen Vorgaben höchstens befördern.“

Auf Zielkonflikte in der baulichen Umsetzung wies BAK-Präsidentin Barbara Ettinger- Brinckmann hin: „Da können und müssen wir unsere ganze Kreativität und technische Expertise einbringen. So brauchen Menschen mit Sehbehinderung oftmals andere bauliche Voraussetzungen als Menschen mit Gehbehinderung. Auch bei Baudenkmalen gibt es Konflikte.“ Das Miteinander aller Menschen steht im Zentrum erfolgreicher inklusiver Prozesse und Planungen. Dies sollte auch in der Ausbildung verinnerlicht werden. Hier sieht Bentele Nachholbedarf. Martin Müller: „Wenn wir die ,Kulissen des Lebens‘ bauen, sollte es auch selbstverständlich sein, für alle Anforderungen des Lebens zu bauen und die veränderten gesellschaftlichen Ansprüche frühzeitig zu erkennen.“ Der viel zitierte Ausspruch, Inklusion müsse Spaß machen, war auf den Konferenzen jedenfalls gelebte Realität – kein Wunder also, dass sich alle Beteiligten eine Fortsetzung wünschen.

Barbara Chr. Schlesinger ist Referatsleiterin für Architektur und Bautechnik bei der BAK.

Vier ausgewählte Projekte werden hier vorgesellt.

ÜBERSICHT ALLER PROJEKTE

Regionalkonferenz Süd am 28.11.2016 in München

Wohnen
Roman Adrianowytsch, Augsburg
»Wohnen am Römertor – Mehrgenerationenwohnen«
Ergebnis eines Architektenwettbewerbs „Miteinander wohnen in zentraler Innenstadtlage in Augsburg“, 37 Wohneinheiten in sieben Häusern, neun davon sind rollstuhlgerecht, alle anderen barrierefrei, Projekt ist fertiggestellt. Innenstadtgebiet unter Denkmalschutz.

Stadtquartier
Sabine Steger, leitende Baudirektorin München
»Freiham inklusiv«
Freiham ist Flächenreserve für München, dort sollen zukünftig 20.000 Menschen leben. Nach Stadtratsbeschluss 2014 als Projekt einer inklusiven Stadtentwicklung, dazu gehört Mobilität, Wohnen und Gemeinschaft, Gesundheit und Soziales, Arbeitsplätze, Freizeitgestaltung sowie Grün- und Freiflächen.

Freiraum – Freizeitraum
Herwig Spiegl, AllesWirdGut, Wien, München
»Open Air im Römersteinbruch … und ein bisschen mehr!«
Naturbühne im Steinbruch z.B. für Opern hat 5.000 Sitzplätze mit inklusiver Infrastruktur – barrierefreie Erschließung gestaltet mit Rampen etc. ist fertiggestellt.

Regionalkonferenz Nord am 24.01.2017 in Hannover

Wohnen
Karin Kellner, kellner schleich wunderling architekten + stadtplaner, Hannover
„Wohnen am Thie – Inklusive Wohnanlage in Hannover, Kronsberg“
Inklusive Wohnanlage; breite Türen, geräumige Flure, Laubengänge und Rampe – gute Gestaltung für alle, Projekt ist fertiggestellt.

Stadtquartier
Agathe Bogacz, Projektleitung Q8 Altona und Birgit Ferber, Projektgruppe Planung Mitte Altona, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hamburg
„Eine Mitte für alle – Inklusive Stadtentwicklung in Hamburg-Altona“
Neues Quartier entsteht in Hamburg-Altona. Inklusion wird hier gelebt, Netzwerk zwischen Bewohnern, Unternehmen und Institutionen werden vom Projektteam
Q 8 geknüpft. Ziel ist ein Mix aus Selbsthilfe, bürgerschaftlichem Engagement und Nachbarschaft, Technik und professioneller Unterstützung. Beteiligung der Bewohner.

Freiraum – Freizeitraum
Oliver Keil, Latz und Partner Landschaftsarchitekten, Kranzberg
„Mikro und Makro – Historischer Rathausplatz in Verden und Neugestaltung eines Hafengebiets in Bremerhaven“
Rathausvorplatz umgestaltet – keine Bordsteine, aber Erhebungen im Pflaster etc.

Regionalkonferenz West am 16.03.2017

Wohnen
Norbert Post, Architekt und Stadtplaner BDA, postwelters/partner mbH
Architekten Stadtplaner, Dortmund, Köln
»Nachbarschaftliches Wohnen – WIR wohnen anders – in Dortmund-Brünninghausen«
Menschen unterschiedlichen Alters entwickelten ein genossenschaftliches Wohnprojekt für mehr Lebensqualität in einer lebendigen Nachbarschaft. Gemeinschaftsräume, Begegnungsflächen, Laubengänge, Projekt ist fertiggestellt.

Stadtquartier
Frank Riedel, Architekt, pbs architekten Gerlach Wolf Böhning, Aachen
»Kirschblüten Carré in Hürth«
96 Wohneinheiten mit zwei Wohngruppen, dreigeschossige Wohnbauten mit Staffelgeschoss. Eine Wohngruppe für Menschen mit Beatmungsbedarf. Eine Wohngruppe als WG für junge Rollstuhlfahrer. Dazu Studenten, junge Familien, eine Durchmischung, Projekt ist fertiggestellt.

Freiraum – Freizeitraum
Alexander Nix, Landschaftsarchitekt, Contur 2 Bergisch-Gladbach
„Freiräume ohne Barrieren“
Umfängliche Nutzbarkeit des öffentlichen Raums – Beispiele für Garten- und Platzgestaltung seines Büros (fertiggestellt). In Altenheimen wurden „Demenzgärten“ angelegt, damit demente Menschen nicht die Orientierung verlieren und zusätzliche Anregungen und Impulse empfangen.

Regionalkonferenz Ost am 21.04.2017 in Schwerin

Wohnen
Architektin Dipl.-Ing. Ines Yitnagshaw, TANGRAM PlanWerkstatt GmbH, Greifswald
»StraZe« – Stralsunder Straße 10/11 in Greifswald
Konzert- und Gesellschaftshaus an der Stralsunder Straße 10/11, Baujahr 1847.
Das historische, denkmalgeschützte Gebäude stand lange leer und ist schwer baufällig. Nun soll ein gemeinwohlorientiertes Haus für die Nachbarschaft – mit Wohnungen, Werkstätten, Büros, Gastronomie und Räumen für Kunst und Kultur entstehen. Schlechter Baugrund, Schwammsanierung. Großer Saal, Werkstatt. Kurze Wege, ebenerdige Eingänge, Fahrstuhl in zentraler Lage, kontrastreiche Farbgestaltung, taktile Orientierungshilfen. Bauabschnitt Nr. 1 von 4 ist fertig, Abschluss im Jahr 2019. Denkmalschutz und Barrierefreiheit müssen kein Widerspruch sein.

Stadtquartier
Steffen Bockhahn, Senator für Jugend, Soziales, Gesundheit, Schule und Sport der Hansestadt Rostock
»Kommune Inklusiv« – die Modellkommune Hansestadt Rostock
Positive Beispiele aus Rostock: Alle Sporthallen sind bald barrierefrei, nur noch 4 Schulen sind nicht barrierefrei. Im Landgericht führt ein Leitsystem durchs Haus, Assistenz wird ermöglicht bei Bedarf. Straßenbahn ist vollständig barrierefrei, Bushaltestellen zu 70% barrierefrei. Nutzen für alle, Anspruch der Verwaltung, dies zu leisten.

Arbeit und Bildung
Architekt Dipl.-Ing. Friedhelm Haas, Haas | Architekten BDA, Berlin
»Lebenshilfswerk Waren/Müritz«
Landschaftsgärtnerei für 30 Beschäftigte und Pension (Denkmalschutz) mit 36 Betten am Tiefwarensee, Waren / Müritz. Gartenanlage zur Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen. Behindertenwerkstatt  mit 30 Arbeitsplätzen in der Gievitzer Strasse, Waren / Müritz. Behindertenwohnheim mit 24 Plätzen für 2 Wohngruppen in der Karl-Liebknecht-Straße, Waren / Müritz.

DANK
Die vier Regionalkonferenzen wurden von der Beauftragten des Bundes für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele, durch ihre aktive Teilnahme und finanzielle Unterstützung ermöglicht. Die Abschluss-Konferenz wurde zusammen mit der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ausgerichtet. Durch die finanzielle Förderung des BMFSFJ konnte die Broschüre „Alle unter einem Dach. Inklusives Planen“ erstellt werden.

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