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[ Interview mit Hadi Teherani ]

„Antworten suchen, bevor die Fragen gestellt worden sind“

Der Architekt und Designer Hadi Teherani hält am 16. November auf dem Deutschen Architektenkongress in Berlin die Keynote zur Rolle des Architekten im digitalen Zeitalter. Ein paar Fragen an den Visionär vorab.

Interview: Lars Klaaßen

Was ist das Wesen der Architektur im 21. Jahrhundert?

Architektur bestimmt sich nach wie vor durch Kreativität und Intelligenz, die überzeugt und begeistert. Es geht um Ästhetik, Funktion, ein umfassendes Verständnis von Ökonomie bzw. Ökologie im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Projekts. Intelligente Standortwahl und lange Nutzungszeiträume werden innerhalb der energetischen Fragestellung gerne unterschätzt. Wenn ein Gebäude auf Grundlage seiner komplexen Architektur sein Publikum nicht langfristig findet und überzeugt, helfen angesichts dieses grundsätzlichen Problems kleinere ökologische Raffinessen auch nicht weiter.

Welchen Einfluss haben Digitalisierung und smarte Technologien auf das Berufsfeld des Architekten?

Man sollte Vereinfachungen des Workflows nicht unterschätzen, aber auch nicht überbewerten. Es ist noch kein guter Fotograf, Filmregisseur oder Autor vom Himmel gefallen, nur weil er digital aufgerüstet hat. Das gilt auch für die Architektur. Wenn man heute noch große Architekten wie Le Corbusier oder Oscar Niemeyer für ihre außergewöhnlichen Leistungen bewundert, fragt niemand nach dem Instrumentarium, das dafür nötig war. Niemand kommt auf die Idee, dass andere technische Abläufe oder Werkzeuge zu noch besseren Ergebnissen hätten führen können. In der Kritik stehen dagegen möglicherweise Denkfehler der ästhetischen, funktionalen oder technischen Planung des Architekten.

Wie hat sich Ihre Arbeit als Architekt und Designer durch die Digitalisierung verändert?

Natürlich schätze ich die Möglichkeiten der mobilen Arbeit, Recherche und Kommunikation. Digitalisierung erlaubt vielfach ökonomische weil zeitsparende Arbeitsabläufe in der dreidimensionalen Darstellung von Gebäuden, in der Massen- und Kostenermittlung, in der Ausschreibung, im Austausch mit Fachplanern. Building Information Modeling (BIM), eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mittels Software, soll die Büroeffektivität um 35 Prozent steigern können, so wird behauptet. Ab 2020 müssen öffentliche Aufträge BIM-orientiert bearbeitet werden. Dem wird sich niemand entziehen können. Aber es gibt keine Software, die über Vorteile in den Arbeitsabläufen hinausgeht. Die Aufgaben des Architekten sind überaus komplex. Im Grunde muss er intuitiv nach Antworten suchen, bevor die passenden Fragen gestellt worden sind.

Wie macht man das?

Der Architekt muss die Fragen und Anforderungen der Zukunft vorwegnehmen. Architektur und Stadtplanung, selbst nachhaltiges Produktdesign, setzen stets ein Gespür für zukünftige Entwicklungen und möglichst neutrale und variable, aber dennoch spezifische Lösungen voraus. Denn natürlich werden sich die Rahmenbedingungen eines Gebäudes über die Jahrzehnte seiner Nutzung verändern. Wenn Künstliche Intelligenz dazu einen Beitrag liefern könnte, würde ich von einem Durchbruch der Digitalisierung sprechen. Davon sind wir weit entfernt. Die Intuition und Kreativität des Architekten lässt sich nicht errechnen, nicht einmal durch diskursiven Gebrauch des menschlichen Verstandes bzw. durch bewusste Schlussfolgerungen ermitteln. Kreativität verlangt mehr als Datenverarbeitung.

Ist Technik oder Reduktion die Lösung für Nachhaltigkeit?

Mit der Rückbesinnung auf traditionelle Lösungen ist oft mehr gewonnen als durch technische Aufrüstung. Wenn natürliche Luftbewegungen im Gebäude eine Klimatisierung überflüssig machen können, ist das eine intelligentere Lösung als Maschinen zu betreiben.

Stehen Technologie und Kunst im Widerspruch oder eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Architektur?

Einen grundsätzlichen Widerspruch sehe ich darin nicht. Technik kann reine Kunst, die sich anders als Architektur nicht dem alltäglichen Gebrauch stellen muss, durchaus beflügeln.

Wie verändert sich die Rolle des Architekten in diesem Spannungsfeld – was sollte sie sein?

Die Rolle des Architekten bleibt die ewig gleiche, er gestaltet die menschliche Umgebung mit Form gewordener Sinnlichkeit, Kultur, Moral, Botschaft. Die entscheidenden architektonischen Qualitätsmerkmale sind der Raum, das Volumen, der Ausblick, die Dynamik der Überschneidungen und Beziehungen. Ein intelligenter Einsatz der Mittel setzt vor allem auf den Luxus dramatischer Räume mit funktionalen Vorteilen, aber vor allem emotionaler Ausstrahlung.

In die Zukunft gedacht: Wie schätzen Sie die Arbeit eines Architekten in 10 oder 20 Jahren ein?

Die Herausforderung wird darin bestehen, die Ökonomie einer Lebens- und Arbeitswelt nicht nur als reines Zahlenexempel von Investoren zu begreifen, sondern auch als Bühne für die emotionale Sehnsucht der Menschen. Vom kleinsten Detail bis zur großen Stadt. Alles, was in der Vergangenheit in diesem Sinne möglich war, bleibt auch in Zukunft verfügbar und steigerungsfähig. Letztlich ist Architektur aber auch eine Aufgabe des Bauherrn, des Investors, des Publikums, der Verwaltung, sogar der Regierung.


ZUR PERSON

Hadi Teherani ist 1954 in Teheran geboren und in Hamburg aufgewachsen. In der Arbeit des deutschen Architekten und Designers spielt ökologisch fundierte Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. So sind der erste „grüne“ Bahnhof Deutschlands am Frankfurter Flughafen und die Kölner Kranhäuser am Rheinufer wie eine Reihe internationaler Projekte zu weithin wirksamen Landmarken geworden. Teherani hat in Abu Dhabi, Berlin, Dubai, Hamburg, Istanbul, Kopenhagen, Rom und Teheran geplant, sowie in Moskau und Mumbai. In seinem Werkverzeichnis finden sich ein E-Bike, ein Konferenztisch, Ledersitzmöbel, eine modulare Küche, Leuchten, Showrooms und Flagship Stores. Hinzu kommen Hochhäuser, Unternehmenszentralen, Behörden, Einkaufswelten, Börsen, Bahnhöfe, Schulen und Universitäten. In den letzten Jahren hat der Architekt und Designer vor allem innovative Konzepte für einen nachhaltigen urbanen Wohnungsbau entwickelt und realisiert.

Lars Klaaßen ist freier Journalist in Berlin.

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