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[ Schönheit ]

„Der Fassade ein Gesicht geben“

Architektur und Stadträume dürfen schön sein. Das ist die Grundlage einer hohen Aufenthaltsqualität.

Ablesbar: Exponiertes Tragwerk beim John Hancock Center in Chicago

Grundprinzipien jeglicher Architektur sind Stütze und Last, die sich in der Fassade widerspiegeln sollten. Dadurch entstehen Gliederungselemente wie Vor- und Rücksprünge. Diese erzeugen bei wechselnden Lichteinfallswinkeln Schattenwürfe, die zusammen mit den Gliederungselementen der Fassade im Sinne des Wortes ein „Gesicht“ geben. Die individuelle Ausprägung einer Fassade unterstützt das menschliche Grundbedürfnis nach Identifikation. Die Gliederungselemente geben dem Auge Halt und ermöglichen das „Erfassen einer Gesamtform über Details“. Das ist nur durch überschaubare Maße zu erreichen (Blickweite, Blickwinkel, Rufweite, optische und haptische Erfahrbarkeit der Oberflächen). Voraussetzung dafür sind kleine Grundstücke, Kleinteiligkeit, urbane Verdichtung und Blockrandbebauung, ein Teil der Prinzipien der europäischen Stadt.

Hubertus Müller, Architekt und Stadtplaner, Berlin


„Empfinden von Schönheit hat oft mit dem Anrühren von Gefühlen zu tun. Und das ist bei
jedem Menschen anders – je nach Alter, Erfahrung, Erleben usw. Für mich persönlich ist es immer das Zusammenspiel von guter handwerklicher Arbeit, Gebrauchstauglichkeit
und menschlichem Maßstab. Mit diesen Aspekten muss ‚Schönheit‘ nicht mehr kosten, sondern sollte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit eigentlich selbstverständlich sein. Dabei spielt es nach meiner persönlichen Wahrnehmung keine Rolle, ob alt oder neu.“

Yvonne Göckemeyer, Landschaftsarchitektin, Leverkusen


„Sonst braucht man uns doch gar nicht“

Eigentlich arbeiten wir doch als künstlerisch tätige Menschen täglich auf die Schönheit hin. Sonst braucht man uns doch gar nicht. Wie der Schriftsteller Dostojewski sagte: „Die Menschheit kann ohne Wissenschaft leben, sie kann ohne Brot leben, aber sie kann nicht ohne Schönheit leben, weil man dann nichts mehr für die Welt tun könnte.“ Die Schönheit also „lässt uns nicht in Ruhe, aber dadurch erinnert sie uns an unsere letzte Bestimmung, sie führt uns zurück auf unseren Weg, erfüllt uns mit neuer Hoffnung“. Wenn es keine objektive Schönheit gäbe, würden wir uns dem Relativismus unterordnen, der alles „gleichgültig“ sein lässt.

Schönheit muss nichts, darf aber kosten. Sie ist grundsätzlich unabhängig von Kosten, weil sie keine materielle Größe ist. Sie weist über sich selbst – über das Materielle – hinaus, und das ist unbezahlbar. Bei der Frage, ob Altes immer schöner ist als Neues, halte ich es mit Karl Valentin: „Heute ist die gute alte Zeit von morgen.“ Doch schon in der Bibel steht: „Prüft aber alles und das Gute behaltet.“

Ludger Schmidt, Architekt, Steinenbronn


Natürlich: Regionale Architektur, in die Landschaft eingebettet

Ein Gedicht an die Schönheit

Die Natur ist immer schön.

Bestenfalls prägt sie das in ihr zur Zweckerfüllung Gebaute und muss es nicht nur eine Zeit lang geduldig ertragen, denn zum Glück ist das Hässliche vergänglich, nicht das Schöne.

Architektur kann zeitlos schön sein.

Dann berührt sie – wie die Natur – unsere Sinne, verzaubert, macht uns leicht wie auf der Fischunkelalm bei Regen oder wie beim Anblick einer sonnenverwöhnten Palladio-Villa.

Was darf solche Schönheit kosten?

Sie kostet nur unsere Überwindung, dem Hässlichen als Zeugnis von Unwissenheit oder – schlimmer noch – als Ausdruck von Gleichgültigkeit entschieden und überzeugend entgegenzutreten.

Thomas Widynski, Architekt, Eschweiler


„Schön blöd“

Für mich ist schön …
… schon schön, halt so schön beliebig
… fad, langweilig, banal, oberflächlich,
unreflektiert
… aber populär, inflationär, emotional,
meist spontan, aus dem Bauch
… bestenfalls ausgewogen, ebenmäßig,
romantisch verklärt
… ansehnlich, was man anschauen
kann, was sich einfügt, was nicht heraussticht
… das Gegenteil von hübsch hässlich
… schön blöd.

Gibt es eine objektive Schönheit in der Architektur?
Die sucht man schon ewig. Schönheit in der Architektur ist objektiv nicht objektiv, allenfalls kollektiv subjektiv. Wenn viele, sogar die meisten, eine Architektur schön finden, heißt das objektiv leider gar nichts. Die oft gelobte Schönheit einer mathematischen Formel ist – ähnlich der des Goldenen Schnitts in der Kunst, in der Baukunst – ein mythisch- mystisches Gefühl, ein Gespür, vielleicht ein siebter Sinn?

Was darf Schönheit in der Architektur kosten?
Etwa nichts? Gegenfrage: Was ist richtig schön billig, was ist ganz schön teuer? Nur schön sein wollen in der Architektur ist halt billig, im Sinne von banal. Ein bisschen teurer wird auch nicht gleich schöner. Aber: Hochwertig hat schon was – und kostet was.

Ist Altes immer schöner als Neues?
Architektur ist das schöne Spiel von Altem mit Neuem, von Bewährtem mit Gewagtem, von Yin mit Yang, wer ist die Schönste im ganzen Land? Auch eine Schöne kann ganz schön alt aussehen, und eine Alte muss nicht per se schön sein. Eine Neue wird – aber nur vielleicht – mit zunehmendem Alter schöner. Fazit: lieber eine neue Schöne als eine alte Hässliche.

Michel Breuninger, freier Architekt und Stadtplaner, Stuttgart


Mehr Informationen und Artikel zum Thema „Schön“ finden Sie in unserem DABthema Schön

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