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[ Interview ]

„Wir müssen reden“

Ein Gespräch über die Vorurteile zwischen Architekten und Ingenieuren, einen schwierigen Annäherungsprozess und die Notwendigkeit einer neuen Planungskultur

Interview: Brigitte Schultz

Architekten und TA-Ingenieure sind sich oft nicht besonders grün. Sie sagen: „So geht das nicht weiter!“ Warum?

Zülch: Der bisher übliche Planungsprozess funktioniert so nicht mehr. Der Stellenwert der Gebäudetechnik ist viel größer geworden. Da reicht es nicht mehr, die Fachingenieure in Leistungsphase 3 dazuzuholen – und sich dann mit ihnen zu streiten.

Katzschmann: Man merkt einfach immer wieder, dass wir in verschiedenen Welten leben – die dann, wenn das Gebäude gedanklich schon steht, aufeinandertreffen.

Wie macht sich das bemerkbar?

Katzschmann: Eine Konsequenz ist, dass es meist teurer wird, länger dauert oder am Ende nicht aussieht wie der erste Entwurf, den die Öffentlichkeit kennt. So machen sich Ingenieure und Architekten angreifbar.

Zülch: Bauen wird zu wenig ganzheitlich gesehen, das bildet sich auch in der Architektur ab. Wer alles durchrastert, braucht sich mit vielem nicht auseinanderzusetzen.

Katzschmann: Aber wir bekommen das ja hin! Wir müssen etwas tun, um unsere Berufsgruppen als freie Berater zu erhalten.

Dazu haben Sie in den letzten eineinhalb Jahren mit einer Dialoggruppe aus Architekten und Ingenieuren gearbeitet. Wie lief der Prozess ab?

Katzschmann: Jede Länderkammer der Architekten und Ingenieure hat jemanden entsendet. Beim ersten Gespräch wurden die Themen vorgetragen – mit viel Emotion! Man kann sagen: Wenn wir keinen Moderator gehabt hätten, wäre das erste Treffen womöglich das letzte gewesen …

Zülch: Das hat exemplarisch gezeigt, was auf dem Feld los ist.

Was hat man sich an den Kopf geworfen?

Zülch: Da gingen zum Teil die Emotionen mit den Leuten durch. Sie haben einander faktisch die Kompetenz abgesprochen. Dass es so weit geht, hätten wir beide nicht geglaubt.

Katzschmann: Das lag aber nicht an den Anwesenden, sondern an den beiden Berufsgruppen, die aufeinanderprallten. Wenn wir zwanzig andere genommen hätten, wäre es wahrscheinlich genauso gelaufen.

Was wurde vorgebracht?

Katzschmann: Jeder hatte Beispiele. Wenn etwa der Architekt keine geschlossene Decke plant, sondern eine Gitterdecke, sieht das zwar gut aus und kann auch dem Schallschutz dienen, aber die Brandmeldeanlage wird doppelt so teuer. Das ist dann für den Ingenieur eine Schnapsidee.

Zülch: Solche Fälle aus dem persönlichen Erfahrungsbereich der Beteiligten kamen viele. Im Grunde ging es immer darum, dass der eine nicht erkennt, was seine Planung jeweils beim anderen auslöst.

Wie kann man das vermeiden?

Katzschmann: Wir müssen uns ohne Zeitdruck zusammensetzen und besprechen, welche Auswirkungen welche Entscheidung hat. Dann kann der Ingenieur sich ein bisschen zurücknehmen und beispielsweise noch mal in Ruhe nachrechnen, ob man nicht doch mit einer etwas geringeren Luftmenge auskommt und den Lüftungskanal dorthin legen kann, wo er den Architekten weniger stört.

Zülch: Auch wir Architekten müssen die Aussage des Ingenieurs akzeptieren, selbst wenn sie uns gestalterisch gegen den Strich geht. Für die Gestaltung gibt es ja immer mehrere Möglichkeiten. Besonders Architekten sind als Moderatoren gefragt, die dem Bauherrn klarmachen, warum von Anfang an alle Beteiligten am Tisch sein sollten – und welche Schwierigkeiten darin liegen, wenn nicht. Auch bei Behörden, Investoren und Projektsteuerern ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es keinen Sinn macht, erst alles fertig zu planen, um dann festzustellen, dass es technisch so gar nicht geht. Wir hoffen, dass unser Leitfaden, der alle Argumente zusammenfasst, dabei hilft.

Darin erwähnen Sie auch die Ausbildung …

Zülch: Dort beginnen die Probleme. Wir haben festgestellt, dass die verschiedenen Fachrichtungen, die heute wichtig sind, nirgendwo gemeinsam unterrichtet werden! Ich halte es daher für wichtig, ein Kompetenzzentrum zu bilden, das alle Fachsparten gemeinsam lehrt.

Katzschmann: Auch fachübergreifende Praktika wären sehr hilfreich.

Wenn man die TA-Ingenieure früher mit ins Boot holt, wird es dadurch teurer?

Zülch: Am Ende nicht! Wenn man Probleme früher löst, vermeidet man spätere Planänderungen.

Katzschmann: Solange das Projekt nicht abgebrochen wird, ist es im Zweifel sogar insgesamt billiger.

Zülch: Um die Probleme zu sammeln und in den Griff zu bekommen, reichen im Grunde intensive Gespräche am Anfang. Aber die müssen natürlich auch bezahlt werden. Und dann sagt der Bauherr: Wieso können Sie das als Architekt nicht selbst?

Was antworten Sie darauf?

Zülch: Die wesentlichen Fehler werden am Anfang gemacht, nicht am Ende. Das zieht eigentlich immer ganz gut. Wenn zu Beginn eine Fehlentscheidung in Bezug auf Technik getroffen wird, bekomme ich diese nicht mehr so einfach in den Griff. Deshalb brauchen wir Architekten die zusätzliche Fachkompetenz der Fachingenieure von Beginn an.

Katzschmann: Und es funktioniert! Wir hatten einmal einen Bauherrn, der sehr viel Zeit für die anfängliche Abstimmung aller eingeplant hat. Das war so aufwendig, dass wir schon befürchteten, dass das Honorar nicht reicht. Aber als der Entwurf fertig war, hat sich der Bauherr zurückgezogen und jeder konnte stringent das, was ausgemacht war, durchplanen. Das Projekt war pünktlich und im Kostenrahmen fertig – und hat sich trotz des anfangs hohen Aufwands für alle gerechnet.

Wie kommen wir zu solch einer Planungskultur?

Katzschmann: Wir müssen das Bewusstsein vermitteln, dass beide Berufsgruppen nur gewinnen können, wenn jeder den anderen als Experten akzeptiert. Das ist in meinen Augen die Essenz aller Gespräche, auch wenn sie teilweise noch so heterogen gelaufen sind. Wir müssen lernen, miteinander zu reden. Wenn wir uns vertrauen, gibt es keinen lachenden Dritten.

Zülch: Es ist eine Frage des Bewusstseins! Im Grunde geht es um Wertschätzung, Respekt und Toleranz.

Zehn Handlungsvorschläge

  1. Schon zu Projektbeginn wird gemeinsam mit dem Bauherrn ein ­Planerteam aus Architekten und TA-Ingenieuren zusammengestellt.
  2. Der fachliche Austausch, aber auch der Zusammenhalt des Planerteams werden durch regelmäßige Koordinierungstermine gestärkt und vertieft
  3. Schon in frühen Planungsphasen muss auf die Zusammenarbeit ­aller ­Beteiligten gedrängt werden.
  4. Die Vertragspflichten der Planungsbeteiligten müssen aufeinander ­abgestimmt sein.
  5. Das Zeitmanagement aller Beteiligten ist entsprechend der fortschreitenden Planungstiefe abzustimmen.
  6. Planänderungen müssen frühzeitig und deutlich kommuniziert und im ­Planerteam erörtert werden.
  7. Das Planerteam muss den Bauherrn gemeinsam auf die ­Konsequenzen von Planänderungen hinweisen.
  8. Die Ausbildung von Architekten und Ingenieuren muss gemäß den ­Anforderungen an eine neue kooperative Planungskultur reformiert und ausgestaltet werden.
  9. Architekten und TA-Ingenieure brauchen gemeinsame inter­disziplinäre Fortbildungen.
  10. Architekten und TA-Ingenieure sollten die Chancen der Digitalisierung von Planen und Bauen nutzen, um eine kooperative und ­kommunikative Planungskultur zu entwickeln.

Ausführliche Tipps finden Sie unter www.gemeinsam-planen.de


„Mehr Informationen und Artikel zum Thema „Wandelbar“ finden Sie in unserem DABthema wandelbar

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