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[ Recht ]

Zusammenleben in der Stadt

Das Städtebaurecht wurde überarbeitet. Dabei wurde auch das „Urbane Gebiet“ geschaffen, das ein Nebeneinander verschiedener Funktionen garantieren soll.

Foto: Fotolia
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Text: Prof. Rolf Westerheide, Georg-Christopher Broich

Städte stehen zurzeit wieder einmal vor großen Herausforderungen: Neben ökologisch, sozial und demografisch bedingten Erfordernissen erlebt Deutschland seit Jahren eine Urbanisierung erheblichen Ausmaßes; mit teils negativen Folgen für die urbanen Räume und ihre neue und alte Bevölkerung. Bundesweit müssten nach gegenwärtigen Schätzungen jährlich etwa 350.000 bis 400.000 Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung nun im Bauplanungsrecht reagiert: Zum 13. Mai 2017 ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt in Kraft getreten.

Dabei dient das Gesetz, wie sein Titel bereits vermuten lässt, vorrangig der Umsetzung der europäischen UVP-Änderungsrichtlinie, mit der deutsches Recht, etwa im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung, an EU-Richtlinien angepasst wird. Zugleich möchte der Gesetzgeber aber funktional durchmischte Städte erhalten. Um Nachverdichtungen zu ermöglichen und ein produktives Zusammenwirken von Wohnen und Arbeiten wieder zu erlauben, wurde nach langen Diskussionen und Planspielen eine neue Gebietskategorie für die Baunutzungsverordnung (BauNVO) entwickelt. Gerade in verdichteten Räumen treffen zunehmend unterschiedliche gesellschaftspolitische, ökologische und rechtliche Wünsche, Interessen und Ziele aufeinander. Die Neuregelungen an der Schnittstelle des Städtebau- und Immissionsschutzrechts sollen zukünftig das Bauen in stark verdichteten städtischen Gebieten im Sinne der „Leipzig- Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ flexibilisieren und erleichtern. Hierbei sollen insbesondere die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt und das hohe Umweltschutz- und Lärmschutzniveau bewahrt werden.

Neue Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“

Im Städtebaurecht hat der Gesetzgeber hierfür unter anderem die Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“ ins Leben gerufen (§ 6 a BauNVO). Gesetzgeberisches Ziel der Neuregelung ist die Verwirklichung der nutzungsgemischten europäischen Stadt der kurzen Wege. Dabei sollen Urbane Gebiete in Zukunft vorrangig dem Wohnen sowie der Unterbringung von „nicht störenden“ Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen dienen. Die Nutzungsmischung muss dabei nicht unbedingt gleich verteilt sein.

Allgemein zulässig sind im Urbanen Gebiet demnach Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige Gewerbebetriebe und Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Ausnahmsweise können auch bestimmte Formen von Vergnügungsstätten sowie Tankstellen zugelassen werden.

Für Urbane Gebiete oder Teile Urbaner Gebiete können darüber hinaus stets bestimmte Besonderheiten festgelegt werden (§ 6 a Absatz 4 BauNVO): So kann, ähnlich wie zum Beispiel für das Kerngebiet, im Einzelfall geregelt werden, dass ein bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche ausschließlich für Wohnungen verwendet werden muss.

Wichtig ist, dass die neue Baugebietskategorie nur im beplanten Innenbereich Anwendung findet. Das heißt, nur mit einem Bebauungsplan kann das Urbane Gebiet entwickelt werden. Es genügt für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach seiner Art dementsprechend nicht, wenn die Eigenart der näheren Umgebung bloß einem Urbanen Gebiet nach der BauNVO entspricht (§ 34 Absatz 2 BauGB). Die Einführung des Urbanen Gebiets wird von einer Ergänzung der Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung flankiert (§ 17 BauNVO): In Urbanen Gebieten gelten Obergrenzen von 0,8 für die Grundflächenzahl und 3,0 für die Geschossflächenzahl. Parallel dazu wurden in der TA-Lärm entsprechende baugebietsbezogene Immissionsrichtwerte von 63 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht festgelegt. Im Übrigen sind die Kommunen gehalten, selbst die Auflagen zum aktiven und passiven Lärmschutz zu regeln.

Dichte und Kompaktheit allein sind noch keine Kriterien für guten Städtebau. Das Zusammenleben im städtischen Raum hat auch immer etwas mit der Bereitstellung und dem Angebot qualifizierter Freiflächen und öffentlicher Räume zu tun. Das neue
Urbane Gebiet eröffnet Möglichkeiten, die von Politik und Planung immer wieder im Einzelfall zur Stärkung des jeweiligen lokalen Miteinanders ausgelotet werden müssen. Der Berufsgruppe der Architekten und Stadtplaner steht ein neues Instrument zur Verfügung, das auf vielfältige Erprobung wartet, immer aber – bezüglich der neuen räumlichen Qualitäten – sorgsam abgewogen werden muss.

Erleichterung des Wohnungsbaus

Zur Fortentwicklung des Städtebaurechts und zur Erleichterung des Wohnungsbaus, speziell im nicht beplanten Innenbereich, soll durch die Neufassung des § 34 Absatz 3 a BauGB bei Nutzungsänderungen sämtlicher baulicher Anlagen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens, baulich wie funktional betrachtet, künftig abgesehen werden können. Die Regelung war bisher beschränkt auf Nutzungsänderungen von Gewerbe- und Handwerksbetrieben zu Wohnzwecken.

Ebenfalls der Erleichterung des Wohnungsbaus, allerdings bezogen auf Außenbereichsflächen, soll die neue Regelung des § 13 b BauGB dienen. Über diesen Paragrafen erfolgt eine Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13 a BauGB. Dieser gilt entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass im „Schnellverfahren“ ohne umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung und naturschutzrechtlichen Ausgleich sowie ohne geregelte Bürgerbeteiligung eine Bebauungsplan-Gesamtfläche von vier Hektar, einschließlich Erschließungs- und Grundstücksflächen, erreicht werden kann. Die Vorschrift ist bis zum 31. Dezember 2019 befristet. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans muss bis zum 31. Dezember 2019 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss der Gemeinde ist sodann bis zum 31. Dezember 2021 zu fassen.

Digitalisierung des Bauplanungsrechts und Öffentlichkeitsbeteiligung

Im Sinne der Transparenz müssen zukünftig die Informationen über Bebauungspläne immer über ein zentrales Internetportal des jeweiligen Bundeslandes zugänglich gemacht werden (§ 4 a Absatz 4 BauGB und § 10 a BauGB). Die Gemeinden werden zudem verpflichtet, nachzuweisen, dass die Ergebnisse der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung im Flächennutzungsplan berücksichtigt worden sind. Begründet werden muss außerdem, warum anderweitige Planungsmöglichkeiten nicht in Betracht kommen (§ 6 a BauGB).

UVP-Änderungsrichtlinie

Durch die UVP-Änderungsrichtlinie und ihre Umsetzung in nationales Recht werden vorwiegend die Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung konkretisiert. In Zukunft muss ein Umweltbericht vorgelegt werden, der die Ziele des Bauleitplans beschreibt und eine Bestandsaufnahme des derzeitigen Umweltzustandes sowie eine Prognose über dessen Entwicklung bei der Durchführung der Planung enthalten muss (Anlage 1 BauGB).

Neben- und Ferienwohnungen

Gemeinden, die überwiegend von Tourismus und Fremdenverkehr geprägt sind, können nunmehr in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung die Bildung von Ferien- und Nebenwohnungen durch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen und diese somit unterbinden (§ 22 BauGB). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die BauNVO um einen § 13 a (Ferienwohnungen) ergänzt. Neben einer Legaldefinition von Ferienwohnungen enthält dieser die grundsätzliche Klarstellung, dass Ferienwohnungen in der Regel zu den nicht störenden Gewerbebetrieben verschiedener Baugebiete der BauNVO gehören.

Fazit

Ob dem Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt der ganz große bauplanungsrechtliche Wurf gelungen ist, darf bezweifelt werden. Die Bestrebungen der Bundesregierung, insbesondere das „neue Zusammenleben in der Stadt“ zu stärken, sind dennoch zu begrüßen.

Vor allem die Einführung der neuen Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ ist ausdrücklich zu befürworten. In stark verdichteten Städten bedarf es dringend eines flexibleren öffentlichen Baurechts, um auf die vielfältigen Probleme des Zusammenlebens in der modernen Stadt angemessen reagieren zu können. Mit dem Urbanen Gebiet wurde hierfür ein geeignetes Instrument geschaffen. Es ist nun an den Kommunen, dieses auch zu nutzen.

Sehr problematisch erscheint allerdings der neue § 13 b BauGB. Dieser steht in erheblichem Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen des allgemeinen Städtebaurechts sowie zur Zielsetzung und Konzeption des gegenständlichen Gesetzes selbst. Die Regelung konterkariert die schutzwürdigen Interessen des Klimaschutzes und des Außenbereichs und steht den Forderungen nach Grünflächen und sauberer Luft, vor allem aber einer flächenschonenden Siedlungsplanung in Städten, wie aber auch im ländlichen Raum, deutlich entgegen; nicht zuletzt auch durch den Verzicht auf eine Umweltprüfung und die eingeschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung. Auch im Hinblick auf das europäische Umweltrecht sendet § 13 b BauGB das falsche Signal und führt gegebenenfalls zur rechtlichen Angreifbarkeit von Bebauungsplänen. Es empfiehlt sich grundsätzlich eine zurückhaltende Anwendung der neuen Vorschrift.

Die Bundesarchitektenkammer und die Länderkammern haben mit den Planerverbänden deutlich gemacht, dass für die Inanspruchnahme von Außenbereichsflächen und die Ausweitung von Städten mit dringendem Wohnraumbedarf mit den bestehenden Vorschriften des BauGB, insbesondere mit den Verfahren zur Vorbereitenden und Verbindlichen Bauleitplanung, sehr gute und bewährte Planungsinstrumente zur Verfügung stehen. Die BAK ist ferner der Meinung, dass § 13 b BauGB und seine Quasi-Gleichstellung mit § 13 a BauGB die rechtspolitischen Ziele der Innenentwicklungsnovelle 2007 konterkarieren.

Prof. Rolf Westerheide ist Architekt und Stadtplaner in Aachen.
Georg-Christopher Broich ist Volljurist und Referent der Rechtsabteilung der BAK.


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