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Innenarchitektur in Europa: einheitliche Berufsstandards fehlen

In Europa zeigt sich beim Blick auf Innenarchitektur ein konfuses Gesamtbild: Hier ist es Möbelbau, dort Dekoration, anderswo „Raumplanung“. Sophie Green arbeitet für die BAK an verbind­lichen Standards mit.

Von: Lars Klaaßen
Lars Klaaßen betreut als freier Redakteur vor allem Interviews und...

27.09.20244 Min. Kommentar schreiben
Die Innenarchitektin Sophie Green

Die Innenarchitektin Sophie Green leitet das Büro sophiegreen in Brüssel und ist Delegierte der BAK im European Council of Interior Architects (ECIA).
Becker Lacour, Olaf Becker

Dieses Interview ist unter dem Titel „Innenarchitektur muss flächendeckend als geschützter Beruf anerkannt werden“ im Deutschen Architektenblatt 10.2024 erschienen.

Welchen Status und welche Einsatzmöglichkeiten haben Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in Europa?

Von Deutschland aus betrachtet, wo Regelungen zur Innenarchitektur zwar vorhanden, aber an einigen Punkten ja auch noch recht vage und nicht einheitlich sind (siehe Interview mit Eva Holdenried, Anmerkung d.Red.) wird es auf der EU-Ebene wesentlich unübersichtlicher. Das hat mich überrascht, als ich vor vier Jahren damit erstmals in Brüssel konfrontiert wurde. Und ich bin froh, als Delegierte der BAK daran mitarbeiten zu können, einiges zu verbessern.

So etwas wie den „kleinen Bauantrag“ etwa, auf den man sich hierzulande beziehen kann, kennt man in vielen europäischen Ländern gar nicht. Selbst der geschützte Beruf „Innenarchitekt“ ist oft nicht existent. Die Einsatzmöglichkeiten sind häufig sehr begrenzt. Das Gesamtbild ist noch konfuser als in Deutschland, weil es kein übergreifendes Verständnis von dem Berufsbild gibt.

Wofür steht Innenarchitektur anderswo und wie wird dafür ausgebildet?

In Skandinavien ist der Begriff eng mit Design und Möbelbau verknüpft. In Spanien spricht man vom „Decorador“, in Liechtenstein lautet der geschützte Titel „Raumplaner“. Aus unterschiedlichen Traditionen haben sich unterschiedliche Berufsbilder entwickelt. Deshalb fehlt es in der EU auch nach wie vor an einer nur ansatzweise vergleichbaren Ausbildungsstruktur.

Weil die Innenarchitektur im Vergleich zur Architektur ein deutlich kleinerer Bereich mit weniger Schaffenden ist, geht es langsamer voran. Im European Council of Interior Architects arbeiten wir auf ehrenamtlicher Basis daran, verbindliche Standards zu schaffen.

Wie geht es beim Thema Ausbildung ­voran?

2020 haben wir eine Charta zur Ausbildung veröffentlicht, die darlegt, welche Ausbildungsstandards erstrebenswert sind. Sie empfiehlt etwa ein zweijähriges Berufspraktikum oder Praxiserfahrung. Darüber hinaus befasst sie sich mit Aspekten wie der Struktur des Bologna-Abkommens, Promotion, Forschung. Die Charta gibt vor allem den Universitäten Orientierung, um langfristig zu verbindlichen EU-Standards zu kommen.

Lässt sich das Berufsbild Innenarchitektur überhaupt europäisch einordnen?

Das haben wir gerade in Form einer Marktstudie systematisch getan. Diese Bestandsaufnahme erfasst auf über 150 Seiten die unterschiedlich ausgeprägten Facetten von Professionalisierung der Innenarchitektur in Europa: wo es welche Regeln und Gesetze gibt, wie sie gestaltet sind, wo Berufsverbände existieren und wie sie arbeiten.

Wo sehen Sie den größten ­Handlungsbedarf?

Es gilt, der latenten Stigmatisierung des Berufsbildes entgegenzuwirken. Dort, wo von „Dekorateuren“ die Rede ist oder wo Innenarchitektur als rein weibliche Fachrichtung abgetan wird. Wir wollen Innenarchitektur europaweit sichtbarer machen, damit Fachfremde besser wissen, was sie leisten kann, wofür sie qualifiziert ist.

Konkret bedeutet das: Innenarchitektur muss flächendeckend als geschützter Beruf anerkannt werden. Dies dient nicht zuletzt dem Verbraucherschutz, etwa mit Blick auf Gesundheit und Sicherheit. Ohne Widerstände kommen wir sicher nicht dorthin, denn damit treten wir in einigen Ländern stärker in Konkurrenz zu anderen Berufsgruppen.

Was tun Sie, um die Innenarchitektur mehr ins Bewusstsein zu rücken?

Bis Ende nächsten Jahres veröffentlichen wir auf der Website des ECIA einen Atlas, der Interessierten und Akteuren Orientierung bei der Innenarchitektur gibt. Wir tragen derzeit in unserem Netzwerk die Informationen dazu zusammen. Der Atlas wird unter anderem Interviews beinhalten, Trainings-Sessions und Dinge wie zum Beispiel die Top-10-Links unterschiedlicher Länder rund um Nachhaltigkeit.

Durch den Atlas kann man sich nach Lust und Laune klicken oder konkret darin recherchieren – etwa dazu, was es mit dem „Neuen Europäischen Bauhaus“ auf sich hat. Damit wollen wir Innenarchitektur europaweit ein entscheidendes Stück weit sichtbarer machen.


Sophie Green, Innenarchitektin, leitet das Büro sophiegreen und ist Delegierte der BAK im European Council of Interior Architects (ECIA).


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Charta und Marktstudie zur Innenarchitektur in Europa

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