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Der braune Moderne

Schon wieder Le Corbusier – diesmal aus tristem, politisch-aktuellem Anlass.

01.09.20092 Min. Kommentar schreiben

Roland Stimpel
Ein Text des Schweizer Autors Daniel de Roulet geht herum, pünktlich-unpassend zur großen Berliner Corbu-Schau. Es geht um dessen Zeit in Vichy, wo er unter den Nazis mit ihren französischen Marionetten ­residierte. Roulet zitiert aus Briefen Le Corbusiers, dem es nicht schlecht ging: „Ihr wisst, dass wir im ‚Queen’s‘ wohnen. Großes, sehr schönes und sehr ruhiges Zimmer.“ Er hoffte, für die Pseudoregierung des Marschalls Petain zu bauen: „Der stellvertretende Kabinettsleiter des Marschalls sagte mir: ­Ihre Stunde ist gekommen.“

Aber war da nicht mal was gewesen: Corbu, der Avantgardist, der Mann, der zum Licht ging? Der sah seinen Weg vom weißen zum braunen Modernen offenkundig nicht als Bruch, sondern als Fortschritt. Denn in seinen Augen wirkte da ein noch viel größerer Avantgardist, den er brieflich so lobte: „Hitler kann sein Leben mit einem großartigen Werk krönen: der Neugestaltung Europas.“ Auch er selbst wollte ja umstürzen, aufräumen, eine neue Welt schaffen. Aber was war schon der Plan Voisin gegen den Führerbefehl: „Paris darf nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen“? Was war der Modulormann gegen den nordischen Recken, was die Charta von Athen gegen Großraum fürs Herrenvolk? Und was ein Stuttgarter Schlafwagenheim gegen Deportationszüge, die seinen brieflichen Hasswunsch erfüllten: „Der kleine Jude wird schon eines Tages bezwungen werden“? Unsere Vergleiche sind natürlich grotesk. Aber damit entsprechen sie dem politisch mehr als grotesken Le Corbusier, der sich vorher schon Stalin und Mussolini angedient hatte.

Doch ausgerechnet im Politischen bietet diese Affäre auch Trost: Sie zeigt, wie harmlos allmachtsfantastische Baumeisterträume sind, gemessen an den gelebten Tyrannenträumen. Sein Zeit- und Gesinnungsgenosse Albert Speer etwa wurde nicht mit Bauten zum Riesenverbrecher, sondern als Rüstungsminister mit höllischem Sklavenverschleiß. Anders als Speer war Corbu in Machtdingen naiv, zu seinem und unserem Glück. Sollte eines Tages wieder einen Baumeister der Drang zur Übergröße packen, möge auch er ihn bitte nur im Entwurf ausleben.

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