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Vom Plumpsklo zur Fotovoltaik

Grüne Politiker begannen im Strickpulli, erste Öko-Häuser wirkten ähnlich. Nach 30 Jahren sind beide in der Mitte der Gesellschaft angekommen

01.09.20117 Min. Kommentar schreiben
Bewusst anders: Die ersten Grünen-Abgeordneten im Bonner Bundestag.

Von Cornelia Dörries
Als die ersten Abgeordneten der Grünen im Jahr 1983 in den Bundestag einzogen und in selbst gestrickten Pullovern vor eingetopften Sonnenblumen Platz nahmen, hatten die Kammgarnträger der etablierten Parteien bestenfalls ein abschätziges Lächeln übrig. Als Politiker wollten sie die langhaarigen, bärtigen Bäume-Umarmer und Atomkraftgegner jedenfalls gar nicht erst ernst nehmen. Richtige Parlamentarier sahen nämlich anders aus. Etwa zur selben Zeit entstanden in Deutschland neben den gepflegten Einfamilienhaussiedlungen auch Bauten, die so ähnlich wie die ersten Grünen im Parlament wahrgenommen wurden: als ein etwas absonderliches Zeitgeistphänomen, aber nicht als richtige Häuser.

Es waren Gebäude mit begrünten Dächern und Fassaden, großen Regenwasserzisternen, Kompost-Klos ohne Wasserspülung, im Inneren mit unbehandeltem Holz, Korkböden und Sisalteppichen ausgestattet. Ihre Bewohner waren Leute, die das Umfeld auf magnetische Störfelder untersuchen ließen und ihre Kinder in Waldorfschulen schickten. Und wie bei den Grünen hätte damals wohl niemand damit gerechnet, dass diese Gebäude, oder besser gesagt, die Ideen dahinter, binnen weniger Jahre zum breiten gesellschaftlichen Konsens reifen und Gesetze prägen würden.

Bewusst anders: Das Öko-Wohnhaus von Martin Küenzlen in der Berliner Corneliusstraße setzte sich mit seiner Architektur ebenso vom Gewohnten ab wie die alternativen Politiker.

Heute lächelt niemand mehr über nachhaltige Häuser und Grünen-Politiker. Beide können, was ihre Akzeptanz und Wertschätzung angeht, gewissermaßen auf eine Parallelkarriere zurückblicken, die von den Rändern des Skurrilen geradewegs in die viel beschworene Mitte der Gesellschaft führte.

Die ersten Projekte des nachhaltigen Bauens in der Bundesrepublik standen für eine entschiedene Abkehr von einer modernen, technisch hochgerüsteten Architektur, die sich mit ihrer Umwelt nur noch über eine energieaufwendige Verteidigungshaltung in Beziehung setzte: Den Sommer hielt man mit Klimaanlage und Sonnenschutz außen vor, der Winter war ein Fall für die Zentralheizung, und als Natur waren nicht mehr als ein paar Meter unkrautfreies Abstandsgrün vorgesehen. Die frühen Öko-Architekten hingegen strebten nach einer Bauweise, die sich den Kreisläufen der Natur wieder öffnete und die Häuser als Teil einer komplexen Umwelt verstand. Das Gebäude sollte im Einklang mit der Natur entwickelt werden und wie ein lebendiger Organismus funktionieren, mit geschlossenen Energie- und Stoffkreisläufen und größtmöglicher Unabhängigkeit von den herkömmlichen Versorgungssystemen. Zu diesem Ansatz gehörte neben der Verwendung einfacher, natürlicher Materialien wie Holz und Lehm auch der Verzicht auf den Komfort von Zentralheizung und Spültoiletten. Als großes Vorbild der deutschen Öko-Baumeister diente das 1977 errichtete „Naturhuset“ in Saltsjöbaden nahe Stockholm. Es war eine von Bengt Warne entworfene Hybridkonstruktion aus Holz und Glas, die nicht von ungefähr an ein Gewächshaus erinnerte und ein geradezu paradiesisches Miteinander von Bewohnern, Tieren und den zur Selbstversorgung angebauten Nutzpflanzen beherbergte. In den Achtzigerjahren war das Naturhuset ein Wallfahrtsort für viele, die nach neuen, ökologischen Möglichkeiten des Häuserbauens suchten.

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