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Flexibler als die Feuerwehr

Eine Vergabekammer hat für ein Feuerwachen-Projekt entschieden: Wer an einem beschränkten Wettbewerb teilnehmen will, muss nicht in jedem Fall zwingend Erfahrung mit dem speziellen Gebäudetyp haben

31.12.20116 Min. Kommentar schreiben
Ohne Erfahrung gut: Das Rettungszentrum Radebeul war der erste Bau dieser Art von pussert kosch architekten aus Dresden. Er erhielt 2010 einen Preis des BDA Sachsen.

Von Axel Plankemann

Immer wieder ärgern sich Architekten über Auswahlkriterien in Vergabeverfahren, in denen Nachweise über Erfahrungen mit dem zu planenden Bautyp gefordert werden. Gegen dieses Ärgernis ist jetzt die Vergabekammer Niedersachsen in einem Beschluss vorgegangen (18.11.2011, Az: VGK-50/2011). Danach darf der öffentliche Bauherr nicht nur solche Büros zur Teilnahme an einem beschränkten Wettbewerb zulassen, die bereits Erfahrungen mit der Planung von Gebäuden gleicher Art haben.

Eine Stadt hatte den Bau einer Rettungswache mit Leitstellen der Feuerwehr und der Polizei beschlossen. Den Planungsauftrag wollte sie in einem nicht offenen Wettbewerb gemäß den RPW 2008 vergeben. Als zwingendes Kriterium für die Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer nannte sie in ihrer Bekanntmachung die Vorlage von bis zu drei Referenzprojekten von Feuer-/Rettungswachen der Berufsfeuerwehr oder einer hauptamtlichen Wachbereitschaft mit mehreren Funktionsstellen, beides aus den letzten zehn Jahren. Weitere Kriterien sollten die architektonische Qualität von Referenzprojekten und der Nachweis von Wettbewerbserfolgen und sonstigen Auszeichnungen seit 2006 sein.

Ein namhaftes Architekturbüro aus Berlin bewarb sich und rief schon im Stadium der Vorauswahl die Vergabekammer Niedersachsen an. Das Büro rügte hier, dass durch die nachzuweisenden Referenzprojekte erstens der mögliche Teilnehmerkreis am Wettbewerb ohne erkennbaren sachlichen Grund unverhältnismäßig eingeschränkt werde, zweitens andere Vergabekriterien überhaupt nicht zur Anwendung gelangten oder in der Auslobung für den Bewerber

intransparent gefasst waren. Drittens seien die Entscheidungen der Vergabestelle nicht ausreichend begründet und dokumentiert worden. Das Berliner Büro merkte an, auch wenn es in den zurückliegenden zehn Jahren keine Feuerwachen geplant habe, könne es zweifellos die Planungsaufgabe auf höchstem Niveau lösen.

Die Vergabekammer folgte in ihrem Beschluss im Wesentlichen dieser Argumentation. Insbesondere reklamierte sie die fehlende Begründung für die äußerst restriktiv geforderten Fachkundenachweise. Die Vergabestelle habe qualitative Kriterien aufgestellt, die den Wettbewerb stärker einschränken, als es nach § 97 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 VOF zulässig sei: Nach § 97 Abs. 4 GWB sollen Aufträge an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben werden, wobei gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 5b VOF nur solche Unterlagen und Angaben zum Nachweis der Fachkunde und Leistungsfähigkeit gefordert werden dürfen, die durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt sind. Dabei kann die fachliche Eignung auch durch eine Liste der wesentlichen Leistungen aus den letzten drei Jahren nachgewiesen werden.

Tiefer Eingriff in den freien Wettbewerb

Zwar hat der öffentliche Auftraggeber bei der Festlegung der Kriterien für die Fachkunde und Eignung einen Ermessensspielraum, der nur eingeschränkt überprüft werden kann. Entscheidend ist aber, ob aus (verständiger) Sicht der Vergabestelle ein berechtigtes Interesse an den Kriterien besteht, die sie in der Ausschreibung aufstellte – sodass diese Kriterien als sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig erscheinen und den Bieterwettbewerb nicht unnötig einschränkten.

Durch die Beschränkung der zugelassenen Referenzen ausschließlich auf Rettungswachen hat die Stadt nach Auffassung der Vergabekammer tief in den freien Wettbewerb eingegriffen. Sie ließ nur ein fachlich schmales Segment von Referenzprojekten gelten und diese Nachweise waren absolute Ausschlusskriterien für Bewerber, die sie nicht erbringen konnten. Für eine solche Auswahl fand sich weder in der Vergabeakte eine ausreichende sachliche Begründung noch hat die Vergabekammer eine andere sachliche Notwendigkeit erkennen können, die Erfahrungen mit dem konkreten Gebäudetyp als Referenzvorgabe mit Ausschlusswirkung zu verwenden.

Auch Architekturqualität muss Gewicht haben

Erfahrungen im Feuerwachenbau sind zwar ein der Qualifikation förderlicher Nachweis der Fachkunde. Die Vergabekammer ist aber nicht davon überzeugt, dass die Planungsaufgabe – fehlerfrei und termingerecht – ausschließlich von Wettbewerbern geleistet werden könnte, die bereits eine Feuerwache oder Rettungswache oder eine hauptamtliche Wachbereitschaft verantwortlich geplant haben. Die Vergabekammer ließ das Auswahlverfahren schon daran scheitern, dass diese angebliche Notwendigkeit nicht angemessenen substanziiert dokumentiert ist. Auch den von der Vergabestelle angeführten erheblichen Zeitdruck für das Projekt ließ die Vergabekammer nicht gelten.

Bei der Vorauswahl von Teilnehmern für einen Wettbewerb kann der öffentliche Auftraggeber zwar die Zahl der Teilnehmer begrenzen – entweder durch die Formulierung eines bzw. weniger tendenziell streng gefasster Kriterien oder durch eine Vielzahl eher allgemein gehaltener Kriterien. Den sehr engen fachlichen Rahmen für mögliche Referenzen beurteilte die Vergabekammer auch deshalb als nicht sachgerecht, weil er keinen Raum mehr für die Auswahl der Bewerber nach der architektonischen Qualität ihrer Referenzprojekte ließ – obwohl diese Auswahl eigentlich zusätzlich vorgesehen war.

Wegen ihrer Forderung nach Referenzprojekten war es der Stadt gerade einmal gelungen, die von ihr gesetzte Mindestzahl zuzulassender Bewerber zu erreichen. Sie schaffte das auch nur deshalb, weil sie den nach § 5 Abs. 5 b eigentlich vorgegebenen Zeitraum („in den letzten drei Jahren“) auf zehn Jahre erweitert hatte. Ohne diese Abweichung von der VOF hätte die Ausloberin mit dem von ihr vorgesehenen Fachkundenachweis nicht einmal die vorgesehene Mindestzahl an Teilnehmern des Wettbewerbs erreichen können.

Allerdings war auch für die Erweiterung des Referenzzeitraums auf zehn Jahre keine sachliche Begründung gegeben worden. Zwar hält die Vergabekammer in begründeten Einzelfällen eine solche Erweiterung für zulässig. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass ein so weiter zeitlicher Rahmen für Referenzprojekte möglicherweise keine verbindliche Aussage über die aktuelle Leistungsfähigkeit mehr zulasse. Die erhebliche Erweiterung des Referenzzeitraums sei im Ergebnis wohl nur erforderlich gewesen, um die zugleich sehr starke Verengung der zugelassenen Referenzprojekte auszugleichen, damit überhaupt die als angemessen erachtete Mindestzahl der Wettbewerbsteilnehmer erzielt werden konnte. Die doppelte Abweichung von den grundsätzlich verbindlichen Vorgaben des § 5 Abs. 5 b VOF lässt sich daher nach Auffassung der Vergabekammer im Sinne des § 5 Abs. 1 VOF nicht rechtfertigen.

Im Übrigen hat die Ausloberin auch gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, weil sie die tragenden Gründe für die erheblichen Abweichungen von der VOF nicht gemäß § 12 VOF dokumentiert hatte. Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, müssen aber bereits Zwischenentscheidungen, die für die Auswahl weiterer Wettbewerbsteilnehmer relevant sind, nachvollziehbar dokumentiert werden. Diese Pflicht beschränkt sich dabei nicht auf einen Vergabevermerk, der nach Abschluss des Verfahrens erstellt wird. Vielmehr bedarf es einer fortlaufenden Dokumentation während des gesamten Verfahrens. Auch deren Fehlen war rechtsfehlerhaft. Bewerber konnten weder erkennen noch nachvollziehen, aufgrund welcher Erwägungen Wettbewerbskriterien formuliert und eine Auswahl getroffen wurden.

Mit dem lehrbuchmäßig begründeten Beschluss hat die Vergabekammer das Verfahren bereits in der Vorauswahlphase für den Wettbewerb gestoppt und in den Stand vor der EU-weiten öffentlichen Bekanntmachung zurückversetzt. Gleichzeitig ordnete sie an, dass die Stadt es bei fortbestehender Vergabeabsicht nach den §§ 97 ff. GWB wiederholen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer berücksichtigen muss. Die Entscheidung stützt die Forderung der Architektenkammern nach vernünftigen, sachlich begründbaren Auswahlkriterien. Auch deshalb hat sie große Bedeutung für Teilnehmer an solchen Verfahren. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Axel Plankemann ist Rechtsanwalt in Hannover.


Zum Wortlaut des Beschlusses der Vergabekammer.

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